30.07.2018

Quantencomputer simuliert chemische Reaktionen

Quantensimulation von chemischen Prozessen soll in Zukunft viele Probleme in der Chemie lösen helfen.

Eine inter­nationale Forscher­gruppe hat in Innsbruck die weltweit erste quanten­chemische Simulation auf einem Ionen­fallen-Quanten­computer durch­geführt. Die Quanten­simulation von chemischen Prozessen könnte in Zukunft viele Probleme in der Chemie lösen helfen und so zum Beispiel neue Impulse für die Material­wissenschaft, Medizin und Industrie­chemie geben. In dem Experiment am Institut für Quanten­optik und Quanten­information (IQOQI) der Öster­reichischen Akademie der Wissen­schaften untersuchten die Wissen­schaftler um Cornelius Hempel und Thomas Monz einen vielver­sprechenden Weg zur Model­lierung chemischer Bindungen und Reaktionen mit Hilfe von Quanten­computern.

Abb.: Illustration einer mit einem Quantencomputer durchgeführten Simulation der Energiezustände der Bindungen von molekularem Wasserstoff und Lithiumhydrid. (Bild:H. Ritsch, IQOQI Innsbruck)

„Selbst die größten Super­computer haben Mühe, alles andere als die einfachste Chemie zu modellieren. Quanten­computer, die die Natur simulieren, erschließen hier eine völlig neue Möglich­keit, Materie zu verstehen. Sie geben uns ein neues Werkzeug an die Hand, um Probleme in der Material­wissenschaft, Medizin und Industrie­chemie mit Hilfe von Simulationen zu lösen“, sagt Cornelius Hempel, der 2016 vom IQOQI an die Univer­sity of Sydney ging. Da Quanten­computer noch in den Kinderschuhen stecken, bleibt unklar, welche Probleme diese Geräte am effek­tivsten lösen werden können, aber viele sind sich einig, dass die Quanten­chemie eine der ersten „Killer-Apps“ dieser neuen Tech­nologie sein wird.

Die Quanten­chemie versucht die kompli­zierten Bindungen und Reaktionen von Molekülen mit Hilfe der Quanten­mechanik zu verstehen. Viele Details von chemischen Prozessen können selbst mit den größten und schnellsten Super­computern nicht simuliert werden. Durch die Model­lierung dieser Prozesse mit Hilfe von Quanten­computern erwarten die Wissen­schaftler ein besseres Verständnis. Damit könnten Wege für chemische Reaktionen er­schlossen werden, die weniger Energie benötigen, und die Entwicklung neuer Kata­lysatoren ermög­lichen. Dies hätte enorme Auswir­kungen auf die Industrie, wie zum Beispiel in der Produktion von Dünge­mitteln. Weitere mögliche Anwen­dungen sind die Entwicklung organischer Solar­zellen und besserer Batterien durch verbes­serte Materia­lien sowie die Nutzung neuer Erkennt­nisse bei der Entwicklung persona­lisierter Medi­kamente.

Am Innsbrucker Institut verwendeten die Wissen­schaftler einen Ionenfallen-Quanten­computer mit 20 Quantenbits und simulierten auf bis zu vier Quanten­bits die Energie­zustände der Bindungen von mole­kularem Wasserstoff und Lithium­hydrid. „Wir haben diese relativ einfachen Moleküle gewählt, weil sie bereits sehr gut verstanden werden und mit klassischen Computern simuliert werden können“, sagt Monz vom Institut für Experimental­physik der Universität Innsbruck. „So können wir die Ergebnisse der Quanten­computer direkt überprüfen und gewinnen wichtige Erfahrungen für deren Weiter­entwicklung.“ Hempel ergänzt: „Dies ist ein wichtiger Schritt in der Entwicklung dieser Tech­nologie, bei dem wir Vergleichs­maßstäbe setzen, nach Fehlern suchen und notwendige Verbes­serungen planen können.“

Anstatt die bisher genaueste oder größte Simulation anzu­streben, konzen­trierte sich das Team auf das, was in einem vielver­sprechenden quanten­klassischen Hybrid-Algo­rithmus, dem Variational Quantum Eigen­solver oder VQE, schief gehen kann. Indem sie verschiedene Wege unter­suchten, wie die chemische Frage­stellung im Quanten­computer kodiert werden kann, analy­sierten die Forscher die Möglich­keiten, wie Fehler, die in den heute noch unvoll­kommenen Geräten unwei­gerlich auftreten und deren Nutzung in naher Zukunft noch im Wege stehen, unterdrückt werden können. „Neben den supra­leitenden Quantenbits ist die Ionen­fallen-Tech­nologie die führende Plattform für die Entwicklung eines Quanten­computers“, sagt der Inns­brucker Quanten­computer-Pionier Rainer Blatt. „Die Quanten­chemie ist ein Beispiel, wo sich die Vorteile eines Quanten­computers schon sehr bald in konkreten Anwen­dungen zeigen wird.“

U. Innsbruck / JOL

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