18.12.2015

Quantenpumpe für ultrakalte Atome

Dynamische Version des Quanten-Hall-Effekts in optischen Übergittern realisiert.

Der Transport von Teilchen erfolgt in der Regel durch einen von außen an das System angelegten Gradienten, wie beispiels­weise beim Fließen von Wasser auf einem Gefälle oder einem elektrischen Strom durch eine angelegte Spannung. Bereits in der Antike war allerdings bekannt, dass es eine weitere Möglich­keit gibt, eine gerichtete Bewegung zu erzeugen, nämlich durch periodische Modulation eines Systems wie bei der Schraube des Archimedes. Vor mehr als dreißig Jahren sagte der schottische Physiker David Thouless voher, dass ein ähnliches Phänomen auch in quanten­mechanischen System auftreten sollte, das topo­logische Pumpen. Einer Gruppe von Wissen­schaftlern der Uni München und des MPI für Quanten­optik unter der Leitung von Immanuel Bloch ist es nun in Zusammen­arbeit mit Oded Zilberberg von der ETH Zürich erstmals gelungen, eine solche topo­logische Ladungs­pumpe mit ultra­kalten Atomen in einem optischen Gitter zu implementieren.

Abb.: Realisierung einer topologischen Ladungspumpe in einem optischen Übergitter. (a) Durch Überlagerung zweier Stehwellen mit unterschiedlicher Periode wird ein optisches Übergitter erzeugt, dessen Form durch Verschieben des langen Gitters (grün) verändert werden kann. Dadurch wird eine Bewegung der Atome im Gitter hervorgerufen, bei der diese durch die Barrieren zwischen benachbarten Gitterplätzen hindurchtunneln. (b) Gemessene Position der Atomwolke während eines Pumpzyklus, in dem sich die Atome um genau eine Periode des langen Gitters bewegen. (Bild: MPQ)

Inspiriert durch den kurz zuvor entdeckten zwei­dimensionalen Quanten-Hall-Effekt, für den Klaus von Klitzing 1985 den Nobelpreis für Physik erhielt, kam Thouless 1983 auf die Idee, dass ein ähnliches Phänomen auch in ein­dimensionalen Systemen zu beobachten sein sollte, wenn man deren Parameter periodisch verändert. Diese dynamische Version des Quanten-Hall-Effekts ermöglicht es, Teilchen ohne einen externen Gradienten zu trans­portieren. Aufgrund seiner speziellen topo­logischen Eigen­schaften erfolgt ein solcher Transport zum einen in einer quantisierten Art und Weise, so dass die Teilchen sich pro Periode genau um eine definierte Strecke bewegen. Zum anderen ist er äußerst robust gegenüber externen Störungen und wird nicht durch kleine Änderungen des Systems beeinflusst. Das ist insbesondere aus technischer Sicht interessant, da es eine genauere Definition des Standards für elektrischen Strom ermöglichen könnte. Trotz jahrelanger Bemühungen war es bis heute allerdings nicht möglich, eine solche quantisierte Ladungs­pumpe zu realisieren.

Ultrakalte Atome in optischen Gittern bilden hierfür ein geradezu ideales Model­system, da sie sich sehr gut kontrollieren und abbilden lassen. Die Atome können im Vakuum bis nahe an den absoluten Null­punkt abgekühlt und anschließend in einem periodischen Potenzial einge­fangen werden, das durch Inter­ferenz mehrerer Laser­strahlen erzeugt wird. Eine besondere Form solcher optischer Gitter stellen Über­gitter dar, die durch Über­lagerung zweier stehender Licht­wellen mit unter­­schiedlichen Periodizitäten erzeugt werden. In den Münchner Experimenten wurden die Perioden der Gitter so gewählt, dass sie sich gerade um einen Faktor zwei unter­scheiden, wodurch Doppel­topf­potenziale entstehen.

Mit Hilfe eines solchen Übergitters ist es möglich, die Idee von Thouless umzusetzen und Atome durch das Gitter zu transportieren. Hierzu werden die beiden Stehwellen relativ zueinander bewegt, indem das Gitter mit der größeren Periode in eine Richtung verschoben wird. Das führt dazu, dass sowohl die Tiefe der Gitter­plätze als auch die Höhe der Barrieren zwischen ihnen periodisch moduliert werden. Ein klassisches Teilchen würde sich hierdurch nicht bewegen, da die Position der einzelnen Gitter­plätze sich nicht ändert und es sich daher nur auf und ab bewegt. Im Gegensatz dazu kann ein Atom, dessen Bewegung bei so niedrigen Temperaturen durch eine quantenmechanische Welle beschrieben wird, dem sich bewegenden Gitter folgen, indem es durch die Barriere zwischen benach­barten Gitter­plätzen hindurch­tunnelt.

Thouless konnte bereits zeigen, dass die Bewegung der Atome in bestimmten Situationen nur quantisiert erfolgen kann, so dass sich ihre Position um ein ganz­zahliges Viel­faches der Periode des sich bewegenden Gitters ändert. Dies ist beispiels­weise der Fall, wenn die Atome anfänglich in einzelnen Doppel­töpfen lokalisiert sind. Eine solche Situation konnten die Münchner Forscher in ihren Experimenten realisieren, indem sie sich die abstoßende Wechsel­wirkung zwischen den Atomen zunutze machten, die dazu führt, dass sich in jedem Doppel­topf genau ein Atom befinden kann. Obwohl ein solcher Zustand eigentlich isolierend ist, die Atome sich also nicht bewegen können, ist es möglich sie durch die oben beschriebene Modulation durch das Gitter zu transportieren. Durch Beobachtung der Atome mittels eines Mikroskops konnten die Wissen­schaftler zum ersten Mal zeigen, dass die Bewegung der Atome pro Pump­zyklus tatsächlich quantisiert ist und aufgrund des Tunnelns der Atome in diskreten Schritten erfolgt.

Zusätzlich konnten sie zeigen, dass diese Bewegung unabhängig von der genauen Implemen­tierung des Pump-Zyklus ist, wie zum Beispiel von der Tiefe der verwendeten Potenziale. Dies ist auf den topo­logischen Charakter des Transports zurück­zuführen, wodurch er besonders unempfindlich gegenüber äußeren Störungen wird. In einer weiteren Reihe von Experimenten wurde das Verhalten der Atome in angeregten Zuständen innerhalb des Gitters untersucht. Hierbei konnten die Forscher ein bemerkens­wertes Phänomen beobachten, nämlich dass die Atome in bestimmten Zuständen anfingen, sich entgegen­gesetzt zur Bewegungs­richtung des Gitters zu bewegen. Dieses Verhalten unter­streicht eindrucks­voll den quanten­mechanischen Ursprung des Transport­prozesses, da so etwas in einem klassischen System undenkbar wäre.

Diese Messungen zeigen auf sehr anschauliche Weise die Bedeutung topo­logischer Eigen­schaften für das Verhalten physikalischer Systeme und ebnen den Weg für eine Vielzahl weiterer Experimente. Eine solche Pumpe kann nicht nur für den Transport von Teilchen verwendet werden, sondern könnte zum Beispiel so modifiziert werden, dass sie ausschließlich den Spin transportiert, während sich die Atome selbst nicht fortbewegen. Zudem wäre es möglich, durch Erweiterung des Pump­schemas auf zwei Richtungen Effekte zu unter­suchen, wie sie eigentlich nur in vier­dimensionalen Systemen auftreten können.

MPQ / RK

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