Quantenschaltkreise aus exotischen Nanoröhren
Großer Schritt hin zu kontrollierbaren Qubits in Molybdändisulfid.
Molybdändisulfid ist ein bahnbrechendes Material für elektronische Miniaturisierung. Als zweidimensionale Schicht ähnlich zu Graphen ist es ein hervorragender Halbleiter, der sogar unter den richtigen Bedingungen intrinsisch supraleitend werden kann. Damit ist es keine große Überraschung, dass Science-Fiction-Autoren schon seit Jahren über „Molycircuits“, fiktionale Computerchips aus MoS₂, spekulieren – und dass Physiker und Ingenieure großen Aufwand in die Erforschung dieses Materials investieren.
„An der Universität Regensburg haben wir langjährige Erfahrung mit der Charakterisierung von Quantenmaterialien bei ultratiefen Temperaturen – insbesondere auch von Kohlenstoff-Nanoröhren“, sagt Andreas Hüttel. „Damit war es ein natürlicher nächster Schritt, nun MoS₂ und seine faszinierenden Eigenschaften zu untersuchen.“. In Zusammenarbeit mit Forschern in Slowenien begann seine Arbeitsgruppe mit der Entwicklung von Chipelementen basierend auf MoS₂-Nanoröhren.
„Bei MoS₂ ist das Erreichen diskreter Quantenzustände, wie man sie für Qubits und Quantencomputer braucht, mit flachen Materialflocken auf einer Chipoberfläche ziemlich schwierig. Genau deshalb interessieren wir uns für diese exotischen Nanoröhren aus MoS₂“, so der Wissenschaftler weiter. „Die Nanoröhren können defekt- und kontaminationsfrei gewachsen werden, mit minimalen Durchmessern von etwa zwanzig Nanometern – und dadurch erhält man automatisch die kleinen Strukturabmessungen, die für Quanteneffekte nötig sind.“
Die anfängliche Herausforderung war, guten metallischen Kontakt zu den Nanostrukturen zu erreichen. Metalle, mit denen sich dies bei Raumtemperatur realisieren lässt, reagieren typischerweise mit der MoS₂-Oberfläche und zerstören dadurch den Kristall – ein Problem, das gleichermaßen flache MoS₂-Flocken betrifft, für Nanoröhren mit ihren kleinen Oberflächen und Querschnitten jedoch umso kritischer ist. „Jetzt können wir endlich Strukturen herstellen, die selbst bei den tiefen Temperaturen, wie man sie typischerweise für elektronische Quanteneffekte und Quantencomputer braucht, gut elektrisch leitend sind, und in denen das Molybdändisulfid intakt bleibt,“ betont Hüttel.
Und das ist noch nicht alles – die Vorteile der Nanoröhren zeigten sich sofort. „Bis jetzt haben wir aus praktischen Gründen relativ große Nanoröhren und -bänder verwendet“, sagt Hüttel. „Trotzdem konnten wir aber zeigen, dass in unserem Tieftemperaturmessplatz bei Temperaturen unter 0,1 Kelvin Strom durch diskrete elektronische Quantenzustände fließt – und das ist ein großer Schritt hin zu kontrollierbaren Qubits in MoS₂.“
U. Regensburg / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
R. T. K. Schock et al.: Non-Destructive Low-Temperature Contacts to MoS2 Nanoribbon and Nanotube Quantum Dots, Adv. Mater., online 9. Januar 2023; DOI: 10.1002/adma.202209333 - Physik der Mikro- und Nano-Strukturen, Institut für experimentelle und angewandte Physik, Universität Regensburg