Quantensensoren auf der Suche nach dunkler Materie
Neuer Ansatz für den direkten Nachweis von Dunkle-Materie-Teilchen.
Die Natur eines Großteils der Materie im Universum ist Physikern weiterhin ein Rätsel. Bisherige Versuche, dunkle Materie zu detektieren, scheiterten. Nun zeigen Darmstädter Physiker, wie es mit Quantensensoren doch gelingen könnte. Die Dunkle-Materie-Teilchen wären zwar überall vorhanden, aber äußerst schwer zu detektieren, da sie nur sehr schwach mit Atomen oder Elektronen wechselwirken. In bisherigen Beobachtungen macht sie sich nur indirekt durch ihre Schwerkraft bemerkbar. Bisherige Detektoren konnten noch keine dunkle Materie direkt nachweisen. Physiker der Technischen Universität Darmstadt haben nun maßgebliche Beiträge zum Design von neuen Quantensensoren geleistet, die dunkle Materie mit Hilfe hochpräziser Messungen detektieren sollen. „Wir stellen uns die Frage, wie man den perfekten Sensor für dunkle Materie baut“, sagt Daniel Derr. Seine Arbeitsgruppe „Theoretische Quantenoptik“ unter der Leitung von Enno Giese arbeitet dazu zusammen mit Kollegen der Universität Ulm.
Eines der erstaunlichsten Phänomene der Quantenphysik ist das wellenartige Verhalten von Materie. Denn Atome oder Elektronen können auch Wellenphänomene zeigen. Elektronen etwa, die man durch einen Spalt sendet, bilden dahinter ähnliche Streifenmuster wie es Lichtwellen tun. Auch größere Materieobjekte können diese Interferenzstreifen bilden. Dazu gehören etwa Wolken aus Zehntausenden von Atomen, die sich zu einer Art Superatom verbinden. Da das Superatom relativ schwer ist, hat es eine sehr kurze Materiewellenlänge. Das bedeutet, dass die Interferenzstreifen solcher Superatome sehr empfindlich auf Kräfte und Beschleunigungen reagieren. Schon die relativ schwache Gravitation kann das Muster der Streifen verändern. Dieser Effekt ermöglicht hochempfindliche Gravitationssensoren, die zur Navigation oder zum Aufspüren von Bodenschätzen genutzt werden können.
Neben der Schwerkraft könnten solche Interferometer auch eine mögliche Wechselwirkung mit dunkler Materie nachweisen. Die Physiker diskutieren mehrere Modelle der dunklen Materie. „Ein vielversprechender Kandidat, die ultraleichte dunkle Materie, würde mit den Elektronen und den Quarks in den Atomkernen wechselwirken“, erklärt Derr. Damit würde diese rätselhafte Materieform die Energiestruktur des Superatoms beeinflussen und sich indirekt auf das Interferenzmuster auswirken.
Diese Signatur der dunklen Materie zu isolieren, ist jedoch eine große Herausforderung. Physiker wollen dazu die Interferenzstreifen zweier Superatome vergleichen. Diese müssen räumlich und zeitlich möglichst weit voneinander entfernt erzeugt und zudem mit demselben Laser manipuliert werden. „So kann man lokale Unterschiede in der dunklen Materie sehen und das Rauschen unterdrücken“, erklärt Derr. Geplant sind Quantendetektoren mit einer Länge von etwa einhundert Metern. „Perspektivisch sollen sie einmal bis zu einem Kilometer groß werden“, sagt Enno Giese.
„Unsere Ergebnisse haben direkten Einfluss auf das Design von Quantendetektoren für ultraleichte dunkle Materie“, sagt Giese. So gibt es vielversprechende Ansätze, wie man den verfügbaren Platz in den Detektoren am besten ausnutzt oder wie man das Atom am geschicktesten manipuliert. Auch die Standortwahl könnten die Darmstädter Ergebnisse beeinflussen. Das Team will sich nun an internationalen Konsortien beteiligen, die solche Detektoren bauen. „In diesem Gebiet ist gerade viel Schwung“, sagt Derr. Vielleicht wird gerade der Grundstein für eine bahnbrechende Entdeckung gelegt.
TU Darmstadt / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichungen
F. Di Pumpo et al.: Optimal baseline exploitation in vertical dark-matter detectors based on atom interferometry, AVS Quantum Sci. 6, 014404 (2024); DOI: 10.1116/5.0175683 - A. Bott et al.: Atomic diffraction from single-photon transitions in gravity and Standard-Model extensions, AVS Quantum Sci. 5, 044402 (2023); DOI: 10.1116/5.0174258
- D. Derr & E. Giese: Clock transitions versus Bragg diffraction in atom-interferometric dark-matter detection, AVS Quantum Sci. 5, 044404 (2023); DOI: 10.1116/5.0176666
- Theoretische Quantenoptik, TU Darmstadt