Quantensysteme präziser vermessen
Verschränkung reduziert störende Einflüsse durch Rauschen.
Messungen sind nicht gleich Messungen. Während sich Gegenstände des Alltags noch recht einfach hinsichtlich Größe, Gewicht und Beschaffenheit vermessen lassen, so sieht es doch ganz anders aus, wenn winzige Quantenobjekte wie etwa Photonen auf ihre Eigenschaften hin betrachtet werden sollen. Einem internationalen Forschungsteam ist es nun gelungen, eine neue Messmethode zu entwickeln, die hochpräzise Messungen selbst in diesen winzigen Systemen ermöglichen. Zu diesem Zweck machen sich die Forschenden die Verschränkung von Quantenobjekten zu Nutze.
Werden die zwei miteinander verschränkten Teilchen gemessen, so können deren Eigenschaften exakter bestimmt werden, als wenn jedes Objekt für sich allein gemessen worden wäre, so die Erkenntnis der Forschenden. „Messaufgaben, etwa in der Interferometrie, können mit verschränkten Zuständen sehr viel präziser gemacht werden“, erklärt Falk Eilenberger vom Fraunhofer IOF. „Bei der Messung jeder Eigenschaft eines Quantensystems ist ein gewisses Rauschen unvermeidlich. Durch die Verschränkung der beiden Systeme können wir dieses Rauschen reduzieren und somit eine genauere Messung erzielen.“
Die Gruppe testete ihre Theorie an 19 verschiedenen Quantencomputern, darunter auch Deutschlands erster Quantenrechner, der Fraunhofer-IBM-Quantencomputer QSystemOne. „Der Rechner in Ehning war essenziell für unsere Arbeit“, erläutert Eilenberger. „Wir konnten die Maschine besonders genau kalibrieren, was für eine Präzisionsmessung absolut notwendig ist.“ Mithilfe des Experiments auf dem Quantencomputer sowie einer Einzelphotonenquelle konnten die Forscher die physikalischen Grenzen des Rauschens erreichen und den Quantenvorteil einer verschränkten Messung demonstrieren. Die neue Methode ermöglicht damit Messungen von einer in der Praxis noch nie da gewesener Präzision: „Bis dato gab es zum Rauschen bei Messungen mit verschränkten Systemen nur theoretische Vorhersagen zu Grenzen“, sagt Tobias Vogl. „Wir zeigen nun einen konkreten Weg auf, diese Grenze zu erreichen und demonstrieren damit, dass sie mit Einzelphotonenquellen und Quantencomputern erreichbar ist.“
Die Forscher hoffen eines Tages sogar drei oder mehr Quantensysteme miteinander verschränken zu können. Auf diese Weise wäre perspektivisch eine noch höhere Präzision der Messung möglich. Besondere Anwendungspotenziale für die neuesten Forschungsergebnisse ergeben sich in der Interferometrie. Interferometer haben zahlreiche Anwendungen in der Industrie, allem voran in der Präzisionsfertigung von Halbleitern sowie von optischen Komponenten. Langfristig betrachtet ist es laut der Forschenden aber auch denkbar, dass die neue Technologie bei der Rauschunterdrückung für Funksignale (6G) oder bei der Untersuchung biologischer Proben im Rahmen der Mikroskopie zum Einsatz kommt.
Die Arbeit leuchtet dabei insbesondere den Zusammenhang zwischen Interferometrie und Quantencomputern deutlich aus. Sie zeigt, dass Konzepte aus beiden Welten zum jeweiligen Nutzen in die andere transferiert werden können. „Damit etablieren wir Quantencomputer als Maschinen zum Präzisionstest fundamentaler physikalischer Grenzen und Gesetzmäßigkeiten“, so Eilenberger.
Fh.-IOF / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
L. O. Conlon et al.: Approaching optimal entangling collective measurements on quantum computing platforms, Nat. Phys., online 12. Januar 2023, DOI: 10.1038/s41567-022-01875-7 - Mikro- und nanostrukturierte Optik, Fraunhofer-Institut für Angewandte Optik und Feinmechanik IOF, Jena