Quantentechnologie für künstliche Neuronen

Forscher entwickeln Bindeglied zwischen künstlicher Intelligenz und Quantencomputer.

Künstliche Intelligenz ist allgegen­wärtig, etwa bei Anwendungen in der Sprach­inter­pretation, Bild­erkennung, medizi­nischen Diagnose und vielem mehr. Zugleich hat sich gezeigt, dass die Quanten­techno­logie Rechen­leistungen erbringen kann, die selbst den größten Super­computer der Welt über­steigen. Forscher der Uni Wien stellen mit dem Quanten-Memristor jetzt ein neues Element vor, um diese beiden Welten mit­ein­ander zu verbinden. Das Experiment, das in Zusammen­arbeit mit dem Nationalen Forschungsrat CNR und der Poly­tech­nischen Universität Mailand in Italien durch­geführt wurde, wurde mit einem inte­grierten Quanten­prozessor umgesetzt, der mit einzelnen Photonen arbeitet.

Abb.: Künst­lerische Dar­stel­lung eines neuro­nalen Netzes, das optisch...
Abb.: Künst­lerische Dar­stel­lung eines neuro­nalen Netzes, das optisch mit­ein­ander ver­bun­dene Mach-Zehnder-Inter­fero­meter be­in­haltet. Das Inter­fero­meter ist die Haupt­kom­po­nente des neu­artigen Quanten-Mem­ristors. (Bild: Equinox Graphics, U. Wien)

Herzstück aller Anwendungen der künstlichen Intelligenz sind mathe­matische Modelle, die neuronalen Netze. Diese Modelle sind von der biologischen Struktur des menschlichen Gehirns inspiriert, das aus mit­ein­ander verbundenen Knoten­punkten besteht. Genauso wie unser Gehirn lernt, indem es die Verbindungen zwischen den Neuronen ständig neu anordnet, können neuronale Netze mathe­matisch trainiert werden, indem man ihre interne Struktur abstimmt, bis sie in der Lage sind, Aufgaben auf mensch­lichem Niveau zu bewältigen: unser Gesicht zu erkennen, medizinische Bilder für die Diagnose zu inter­pretieren und sogar Auto zu fahren. Integrierte Geräte, die in der Lage sind, die mit neuronalen Netzen verbundenen Berechnungen schnell und effizient durch­zu­führen, sind daher zu einem wichtigen Forschungs­schwer­punkt geworden – sowohl in der akade­mischen Welt als auch in der Industrie.

Eine der wichtigsten Neuerungen auf diesem Gebiet war die Entdeckung des Memristors im Jahr 2008. Dieses Bauelement ändert seinen elektrischen Widerstand in Abhängigkeit von einer Erinnerung an den früheren Strom, daher der Name „memory-resistor“, kurz Memristor. Unmittelbar nach seiner Entdeckung erkannten die Wissen­schaftler, dass – neben vielen anderen Anwendungen – das Verhalten von Memristoren dem von neuronalen Synapsen erstaunlich ähnlich ist. Der Memristor ist somit zu einem grund­legenden Baustein neuro­morpher Archi­tek­turen geworden.

Das Forscherteam unter der Leitung von Philip Walther und Roberto Osellame hat gezeigt, dass es möglich ist, ein Gerät zu entwickeln, das sich wie ein Memristor verhält, gleichzeitig aber auf Quanten­zustände wirkt, und das in der Lage ist, Quanten­infor­ma­tionen zu kodieren und zu über­tragen – mit anderen Worten: ein Quanten-Memristor. Die Realisierung eines solchen Bauelements ist eine Heraus­forderung, da die Dynamik eines Memristors im Gegensatz zum typischen Quanten­verhalten steht.

Die Physiker haben diese Heraus­forderung gemeistert, indem sie einzelne Photonen verwenden und deren einzig­artige Fähigkeit ausnutzen, sich in einer Über­lagerung von zwei oder mehr Pfaden zugleich auszu­breiten. In ihrem Experiment propagieren einzelne Photonen entlang von Wellen­leitern, die mit einem Laser auf ein Glas­substrat geschrieben wurden, und werden auf einer Über­lagerung von mehreren Pfaden geführt. Einer dieser Pfade dient zur Messung des Photonen­flusses durch das Gerät. Diese Größe moduliert über ein komplexes elektro­nisches Rück­kopp­lungs­schema die Übertragung am anderen Ausgang, wodurch das gewünschte memris­tische Verhalten erreicht wird. Neben der Demon­stration des Quanten-Memristors zeigen die Forscher in Simulationen, dass optische Netzwerke mit Quanten-Memristor zum Lernen sowohl bei klassischen als auch bei Quanten­aufgaben verwendet werden können. Dies deutet daraufhin, dass der Quanten-Memristor das fehlende Bindeglied zwischen künstlicher Intelligenz und Quanten­computern sein könnte.

„Das volle Potenzial von Quanten­ressourcen in der künstlichen Intelligenz zu erschließen, ist eine der größten Heraus­forderungen der aktuellen Forschung in der Quantenphysik und Computer­wissenschaft", sagt Michele Spagnolo von der Uni Wien. Erst kürzlich hatte die Gruppe von Walther gezeigt, dass Roboter schneller lernen können, wenn sie Quanten­ressourcen nutzen und sich Schemata der Quanten­informations­verarbeitung zu eigen machen. Diese neue Errungen­schaft ist ein weiterer Schritt in Richtung einer Zukunft, in der künstliche Quanten­intelligenz Realität wird.

U. Wien / RK

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