25.02.2016

Radioblitz aus den Tiefen des Alls

Schneller Radiostrahlungsausbruch erstmals identifiziert – Signaldispersion erlaubt Bestimmung der kosmischen Materieverteilung.

Ein internationales Forscherteam unter Mitwirkung von Wissenschaftlern des Bonner Max-Planck-Instituts für Radio­astronomie hat mit der Kombination von Beobachtungen mit Radio- und optischen Teleskopen den genauen Ursprung eines schnellen Radio­strahlungs­ausbruchs in einer weit entfernten Galaxie bestimmt. Aus der Signalverzögerung auf dem zurückgelegten Weg ist es ihnen gelungen, Rückschlüsse auf die Materie­verteilung im Universum zu ziehen.

Abb.:Blickfeld der Beobachtungen mit dem Parkes-Radioteleskop (links). Reihe von Ausschnittvergrößerungen mit optischem Bild der „Host-Galaxie“, aufgenommen vom Subaru-Teleskop (rechts; Bild: D. Kaplan, UWM / E. F. Keane, SKAO)

Die Ergebnisse bestätigen derzeitige kosmologische Modelle zur Materie­verteilung im Universum. Am 18. April 2015 wurde mit dem 64-Meter-Parkes-Radioteleskop in Australien im Rahmen einer systematischen Suche nach Pulsaren und Radio­strahlungs­ausbrüchen („SUrvey for Pulsars and Extragalactic Radio Bursts“ – SUPERB) ein schneller Radiostrahlungsausbruch („Fast Radio Burst“ – FRB) entdeckt. Eine unmittelbar darauf losgeschickte internationale Benachrichtigung führte dazu, dass innerhalb von nur wenigen Stunden eine ganze Anzahl von Teleskopen weltweit nach dem Signal suchten, darunter das „Australia Telescope Compact Array“ (ATCA) und das 100-Meter-Radioteleskop Effelsberg in Deutschland.

Bei FRBs handelt es sich um rätselhafte helle Radioblitze, die im Allgemeinen nur wenige Millisekunden andauern. Ihr eigentlicher Ursprung ist bisher unbekannt, wobei eine ganze Reihe möglicher Phänomene mit ihnen in Verbindung gebracht werden. FRBs sind sehr schwierig zu entdecken; mit dem aktuellen Beispiel sind nur insgesamt 17 solcher Ausbrüche bekannt.

„Bisher konnte man FRBs nur im Nachhinein durch die Analyse von Monate oder sogar Jahre vorher aufgenommener Daten identifizieren”, sagt Evan Keane, Projektwissenschaftler bei der „Square Kilometre Array Organisation“ und Erstautor der vorliegenden Studie, „Dann ist es natürlich zu spät, um direkte Nachfolgebeobachtungen des Phänomens durchführen zu können.“ Um dies zu vermeiden, hat das Forscherteam mit „SUPERB“ ein spezielles Beobachtungssystem entwickelt, mit dem sich FRBs innerhalb von Sekunden aufspüren lassen und in dessen Rahmen eine Reihe von Teleskopen für unmittelbare Nachfolgebeobachtungen alarmiert werden, aus denen man zusätzliche Informationen von der direkten Nachwirkung des Radioblitzes gewinnen kann.

Abb.: Verzögerung in der Ankunftszeit des Radiosignals als Funktion der Frequenz, hervorgerufen durch Dispersion über sechs Milliarden Lichtjahre (Bild: E. F. Keane, SKAO)

Mit der hohen Winkelauflösung der kombinierten sechs 22-Meter-Antennen des ATCA konnten die Forscher die Richtung, aus der das Radiosignal kam, wesentlich genauer als vorher bestimmen, wobei sie ein „Nachglimmen“ des ursprünglichen Strahlungs­ausbruchs insgesamt sechs Tage lang beobachten konnten, ehe es unter die Nachweisgrenze geriet. Durch die lange Beobachtungszeit konnten sie die Position am Himmel 1000mal genauer festlegen als bei vorher gefundenen FRBs.

Ein weiteres Puzzlestück kam über optische Beobachtungen mit dem 8,2-Meter-Subaru-Teleskop auf Hawaii hinzu, mit denen eine elliptische Galaxie in rund sechs Milliarden Lichtjahren Entfernung als Ursprungsort für das Radiosignal gefunden werden konnte. „Es ist das erste Mal überhaupt, dass wir die Ursprungsgalaxie eines FRB identifizieren konnten“, fügt Evan Keane hinzu. Die optischen Beobachtungen ermöglichten die Bestimmung einer Rotverschiebung für die Galaxie und damit auch zum ersten Mal der Entfernung für einen FRB.

Um die Physik eines solchen Ereignisses zu verstehen, ist die Bestimmung von grund­legenden Eigenschaften erforderlich wie der genauen Position, der Entfernung der Quelle und ob sich das Ereignis gegebenenfalls wiederholt. „Unsere Analyse führt uns zu dem Schluss, dass dieser neue Radio­strahlungs­ausbruch sich nicht wiederholen wird, sondern dass er auf ein verheerendes Ereignis in dieser fernen Galaxie zurückgeht“, sagt Michael Kramer vom Max-Planck-Institut für Radioastronomie in Bonn, der die Struktur des Radioprofils in der Beobachtung analysiert hat. Mit dem Radioteleskop Effelsberg des Instituts wurden auch Nachfolge­beobachtungen des Ereignisses durchgeführt.

FRBs zeigen eine frequenzabhängige Dispersion, eine Verzögerung des Radiosignals, die davon abhängt, wieviel Materie das Signal auf seinem Weg zur Erde durchlaufen hat. „Bis jetzt war das Dispersionsmaß alles, was wir zur Analyse hatten. Mit der zusätzlichen Entfernungs­angabe können wir nun die Materiedichte zwischen dem Ursprungsort und der Erde bestimmen und mit gängigen Modellen der Materie­verteilung im Universum vergleichen“, sagt Ko-Autor Simon Johnston von der Astronomy and Space Science Division der CSIRO in Sydney. „Das ermöglicht uns letztendlich, das Universum zu wiegen, oder zumindest seinen Anteil an normaler Materie.“

Im derzeitigen Modell zum Aufbau des Universums wird von folgender Zusammensetzung ausgegangen: 70 Prozent Dunkle Energie, 25 Prozent Dunkle Materie und 5 Prozent „gewöhnliche“ Materie, worunter alles fällt, was wir direkt wahrnehmen können. Allerdings können Astronomen durch Beobachtungen von Sternen, Galaxien und Wasserstoff im Universum nur ungefähr die Hälfte dieser 5 Prozent belegen; der Rest ist nicht unmittelbar sichtbar und wird daher auch als „fehlende Materie“ bezeichnet.

„Die gute Nachricht ist, dass unsere Beobachtungen und das Modell übereinstimmen, und dass wir somit die fehlende Materie gefunden haben“, erklärt Evan Keane. „Zum ersten Mal hat ein schneller Radio­strahlungs­ausbruch eine kosmologische Beobachtung ermöglicht.“

„Unsere Resultate zeigen das Potential der FRBs als neues Werkzeug für die Kosmologie”, schließt Michael Kramer, der auch die Berechnungen zur Bestimmung der fehlenden Materie durchgeführt hat. „Was wird erst möglich sein, wenn wir Hunderte dieser Quellen entdeckt haben?“

In Zukunft wird das „Square Kilometre Array“ (SKA) mit seiner extrem hohen Empfindlichkeit und Winkel­auflösung und seinem großen Blickfeld es ermöglichen, eine Vielzahl neuer FRBs zu entdecken und deren Ursprungsgalaxien zu bestimmen. Eine wesentlich vergrößerte Stichprobe dieser Objekte wird zu Präzisions­messungen von kosmologischen Parametern wie der Verteilung von Materie im Universum führen und ein besseres Verständnis der Dunklen Energie ermöglichen.

MPIfR / DE

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