14.08.2018

Rätsel um hochgeladene Ionen

Wie langsame Elektronen einem atomaren Cluster entfliehen können.

In den vergangenen dreißig Jahren wurden die Wechsel­wirkungen zwischen intensiven Lasern und Clustern in erster Linie als ein vielver­sprechender Weg angesehen, um hochener­getische Ionen und Elektronen zu erzeugen. In über­raschendem Gegensatz zu diesem bis heute vor­herrschenden Paradigma hat ein Forscher­team nun entdeckt, dass auch eine sehr große Zahl an relativ langsamen Elektronen in diesen Wechsel­wirkungen erzeugt werden. Diese niedrig­energetischen Elektronen stellen einen bisher fehlenden Zusammen­hang her, um die Prozesse zu verstehen, die ein intensiver Laserpuls in einem Nano­partikel auslöst. Dies ist hochrelevant für die Abbildung von Biomolekülen auf ultra­kurzen Zeitskalen.

Abb.: Simulation einer von Lasern induzierten Cluster-Explosion. (Bild: B. Schütte)

Wenn ein Nanopartikel einem inten­siven Laserpuls ausgesetzt ist, verwandelt er sich in ein Nanoplasma, das sich extrem schnell ausdehnt. Verschiedene Phänomene finden dabei statt, die wichtig für Anwendungen sein könnten. Beispiele sind die Erzeugung hochener­getischer Elektronen, Ionen und neutraler Atome, die effi­ziente Erzeugung von Röntgen­strahlen, und sogar Kernfusion wurde beobachtet. Während diese Beobach­tungen recht gut verstanden sind, hat eine andere Beobachtung, nämlich die Erzeugung hochge­ladener Ionen, Forscher bisher vor ein Rätsel gestellt. Der Grund dafür ist, dass Modell­rechnungen eine sehr effi­ziente Rekom­bination von Elektronen und Ionen im Nanoplasma vorher­gesagt haben, was zu einer dras­tischen Redu­zierung der Ladungs­zustände der Ionen führen würde.

Nun konnte ein inter­nationales Forschungs­team vom Imperial College London, der Universität Rostock, dem Max-Born-Institut, der Univer­sität Heidelberg sowie ELI-ALPS dieses Rätsel ansatzweise lösen. Winzige Cluster aus einigen tausend Atomen wechselwirkten mit ultrakurzen, inten­siven Laserpulsen. Die Forscher fanden heraus, dass die große Mehrheit der emittierten Elektronen sehr langsam waren. Zudem wurden die niedrig­energetischen Elektronen mit einer Verzögerung im Vergleich zu den hochener­getischen Elektronen emittiert. Bernd Schütte, der die Experimente am Imperial College London durch­geführt hat und nun am Max-Born-Institut forscht, sagt: „Viele Faktoren wie zum Beispiel das Erd­magnetfeld beein­flussen die Bewegung langsamer Elektronen, was die Detektion sehr schwierig macht und erklärt, wieso diese Elektronen bisher noch nicht beobachtet wurden. Unsere Beobach­tungen waren unab­hängig von den spezifischen Cluster- und Laser­parametern, und sie helfen uns dabei, die komplexen Prozesse auf der Nanoskala zu verstehen.“

Um die experi­mentellen Beobach­tungen zu verstehen, haben Forscher um Thomas Fennel von der Univer­sität Rostock und dem Max-Born-Institut die Wechsel­wirkung des inten­siven Laserpulses mit dem Cluster simuliert. „Unsere atomis­tischen Simulationen haben gezeigt, dass die langsamen Elektronen aus einem Zwei-Stufen Prozess resultieren, wobei die zweite Stufe auf einem finalen Schwung beruht, der Forschern bisher entgangen ist“, erklärt Fennel. Zunächst löst der intensive Laserpuls Elektronen aus indivi­duellen Atomen. Diese Elektronen bleiben im Cluster gefangen, da sie stark von den Ionen angezogen werden. Wenn sich diese Anziehung durch das Auseinander­driften der Partikel während der Cluster­expansion verringert, wird die Bühne für den zweiten wichtigen Schritt bereitet. Dabei kolli­dieren schwach gebundene Elektronen mit einem hochan­geregten Ion, was ihnen den finalen Schwung gibt, um dem Cluster zu entfliehen. Da diese korre­lierten Prozesse sehr schwierig zu simulieren sind, waren die Computer­ressourcen des Nord­deutschen Verbundes für Hoch- und Höchst­leistungsrechnen (HLRN) wichtig, um das Rätsel zu lösen.

Das Ergebnis: die Emission langsamer Elektronen ist ein sehr effi­zienter Prozess ist, der es einer großen Zahl von langsamen Elektronen ermöglicht, dem Cluster zu ent­fliehen. Eine wichtige Konsequenz daraus ist, dass es sehr viel schwieriger für hochge­ladene Ionen ist, Partner-Elektronen zu finden, mit denen sie rekombinieren können. Viele der Ionen verbleiben daher in hohen Ladungs­zuständen. Die Entdeckung der langsamen Elektronen kann erklären helfen, warum hochgeladene Ionen in Wechsel­wirkungen von inten­siven Laser­pulsen mit Clustern beobachtet werden. Diese Erkennt­nisse könnten wichtig sein, da langsame Elektronen eine große Rolle für Strahlen­schäden von Biomolekülen spielen, für die die Cluster ein Modell darstellen.

„Seit Mitte der 1990er Jahre haben wir an der Emission von energe­tischen Partikeln von atomaren Clustern in Laser­feldern gearbeitet. Es ist über­raschend, dass bis jetzt die verzögerte Elektronen­emission bei viel niedri­geren Energien übersehen wurde. Nun stellt sich heraus, dass dies ein sehr wichtiges Phänomen ist, das für die Mehrheit der emit­tierten Elektronen verant­wortlich ist. Von daher könnte es eine große Rolle spielen, wenn konden­sierte Materie oder große Moleküle jeglicher Art mit einem hoch­intensiven Laserpuls wechselwirken“, sagt Jon Marangos vom Imperial College London

FVB / JOL

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