Rätselhafte Lichtmuster in der Teetasse
Ein senkrecht durch eine dünne Wasserschicht dringender Laserstrahl zeichnet auf dem Boden einer Tasse ein nicht leicht zu durchschauendes Ringsystem.
Wenn man mit einem Laserpointer in eine weiße Tasse mit hellem Tee zielt, zeichnet sich auf dem Boden eine auf den ersten Blick merkwürdige Struktur ab (Abbildung 1). Der helle Fleck im Zentrum ist erwartungsgemäß umgeben von einem dunklen Bereich. Doch merkwürdigerweise wird es ab einem bestimmten Abstand schlagartig wieder hell. Woher kommt das Licht, das diesen Bereich erhellt, und warum tritt der Effekt in einem ganz bestimmten Abstand auf?
Ein dunkler Halo und ein heller Ring umgeben den hellen Reflex des Laserstrahls auf dem Boden der weißen Teetasse, in der sich eine Schicht von einigen Millimetern Flüssigkeit befindet (Foto: Schlichting).
Wenn der Laserstrahl auf den Tassenboden trifft, wird er spiegelnd und diffus reflektiert. Bei der spiegelnden Reflexion kehrt das senkrecht einfallende nur leicht divergierende Licht zum großen Teil zum Laserpointer zurück, erkennbar an der Aufhellung im Zentrum. Der zentrale Fleck dieser Aufhellung ist so intensiv, dass sowohl die Rezeptoren der Augen wie der Chip in der Kamera „überlaufen“ (Blooming). Dies äußert sich zum einen in der Weißfärbung, zum anderen wirkt der erhellte Bereich dadurch etwas größer als dem Durchmesser des Laserstrahls entspricht. Die Helligkeit klingt dann jedoch erwartungsgemäß sehr schnell mit der Entfernung zum Mittelpunkt ab.
Man würde jedoch nicht erwarten, dass die Helligkeit ab einem ganz bestimmten Abstand nahezu schlagartig wieder einsetzt. Ursache hierfür ist die diffuse Reflexion von einem Teil des Lichts. Denn lässt man den Laserstrahl beispielsweise auf ein kleines Stück Spiegelfolie fallen, das man im Zentrum auf dem Boden der Tasse fixiert hat, so bleibt der Effekt aus. Doch wie kommt die diffuse Reflexion des Laserlichts dazu, einen Ring mit einem scharfen Innenrand zu bilden? Die folgende Skizze verdeutlicht die Erklärung
Ein Teil des auf den Tassenboden auftreffenden Laserlichts wird diffus in alle Richtungen reflektiert. Dabei trifft es von unten auf die Grenzschicht Wasser-Luft und wird diese normalerweise durchdringen. Weil es sich jedoch um einen Übergang vom optisch dichteren ins optisch dünnere Medium handelt, geschieht dies nur bis zu einem bestimmten Winkel, dem Grenzwinkel der Totalreflexion. Ab diesem Winkel wird alles Licht total zum Boden der Tasse zurückgeworfen. Dieses Licht erhellt den Boden, indem es von dort diffus oder spiegelnd ins Auge des Betrachters reflektiert wird. Zwischen dem hellen zentralen Fleck und diesem durch Totalreflexion erhellten Bereich kann also kein Licht vom Boden der Tasse das Auge erreichen, jedenfalls keines, dass seinen Ursprung im eingestrahlten Laserlicht hat. Da der Grenzwinkel der Totalreflexion einen ganz bestimmten Wert hat, ist der Innenrand des hellen Rings so klar begrenzt. In der Abbildung wurden der Übersicht halber nicht alle eingezeichneten Strahlen bis zum Ende verfolgt.
Das Experiment, das den Effekt der Totalreflexion eindrucksvoll demonstriert, funktioniert übrigens nur für niedrige Wasserschichten von weniger als etwa einem Zentimeter. Bei größeren Tiefen befindet sich der Radius, ab dem das Licht total zurückgeworfen wird, außerhalb des Radius der Tasse. Gefäße mit einer matten Oberfläche zeigen dieses Phänomen natürlich nicht.
H. Joachim Schlichting, Münster