04.07.2013

Rätselhafte Radioblitze

Kollaps von Neutronensternen als mögliche Erklärung.

Seit einigen Jahren halten Radioblitze die Wissenschaft in Atem. Diese Blitze leuchten nur für einen kurzen Moment auf und wiederholen sich nicht. Ein Team unter Beteiligung von Wissenschaftlern des Bonner Max-Planck-Instituts für Radioastronomie hat Ausbrüche von Radiowellen entdeckt, deren Ursprung offenbar in einer Entfernung von Milliarden Lichtjahren liegt – in einer Zeit, da das Universum erst zwischen sechs und neun Milliarden Jahre alt war. Über die Ursache der Strahlungsausbrüche rätseln die Forscher noch. Auf jeden Fall wollen sie die Radioblitze in Zukunft zur Untersuchung des intergalaktischen Raums nutzen.

Abb.: Radiokarte des gesamten Himmels in galaktischen Koordinaten mit den im Rahmen des High Time Resolution Universe Survey (HTRU) neu entdeckten Objekten als schwarze Punkte. Die Positionen der vier Quellen mit kurzzeitigen Radioausbrüchen sind als rote Sterne dargestellt. (Bild: MPIfR, C. Ng)

Vier kurzzeitige Radiostrahlungsausbrüche (Fast Radio Bursts, FRBs) von jeweils nur wenigen Millisekunden Dauer haben die Astronomen am Südhimmel bei hohen galaktischen Breiten registriert. Die extrem kurze Zeitdauer und die abgeleitete große Entfernung lassen darauf schließen, dass diese Ausbrüche von sehr energiereichen Ereignissen in kosmologischer Distanz stammen. „Als vor sechs Jahren zum ersten Mal ein solcher Strahlungsausbruch im Radiobereich beobachtet wurde, wusste keiner, was das war, oder ob es sich überhaupt um ein kosmisches Signal handelte. So haben wir in den vergangenen vier Jahren nach weiteren kurzen Radioblitzen gesucht“, sagt Dan Thornton von der Universität Manchester und der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) im australischen Sydney.

Die Forscher haben die vier Radioblitze mit dem 64-Meter-Radioteleskop von CSIRO bei Parkes (Australien) am Südhimmel entdeckt und räumen damit jeden Zweifel an deren Echtheit aus. Die Ergebnisse basieren auf der Untersuchung eines winzigen Himmelsausschnitts. Daher vermuten die Wissenschaftler, dass sich irgendwo am Firmament alle zehn Sekunden ein derartiges Ereignis abspielt. Laut Matthew Bailes von der Swinburne-Universität im australischen Melbourne lassen sich diese Strahlungsblitze am ehesten auf heftige Explosionen bei Neutronensternen mit den stärksten bekannten Magnetfeldern zurückführen. Diese so genannten Magnetare haben Magnetfelder bis zu hundert Milliarden Tesla – etwa 1000fach stärker als jene bei klassischen Neutronensternen. „Magnetare können in nur einer Millisekunde mehr Energie abstrahlen als unsere Sonne in 300.000 Jahren. Und sie sind heiße Kandidaten, um diese Ausbrüche zu erklären“, sagt Bailes.

Die Astrophysiker Heino Falcke von der Universität Nijmegen und Luciano Rezzolla vom MPI für Gravitationsphysik in Potsdam sehen ebenfalls Neutronensterne als Ursache für die Radioblitze. Nach ihrer Theorie funken supraschwere rotierende Neutronensterne die Radioblitze als ihren letzten Abschiedsgruß, bevor sie zu Schwarzen Löchern kollabieren.

Abb.: Der Zusammenbruch eines rotierenden Neutronensterns zu einem Schwarzen Loch könnte die Quelle für kurze und extrem helle Radioblitze sein. (Bild: NASA)

Neutronensterne mit mehr als zwei Sonnenmassen sollten eigentlich unter ihrem eigenen Gewicht zu einem Schwarzen Loch zusammenstürzen – so die gängige Theorie. Vielleicht können einige Sterne ihren endgültigen Tod durch schnelle Eigendrehung jedoch hinauszögern: Wie eine Ballerina in einer Pirouette, stabilisieren sich diese übergewichtigen Neutronensterne durch Zentrifugalkräfte gegen den Zusammenbruch. So könnten sie noch einige Millionen Jahren in einem „halbtoten“ Zustand verbringen bevor sie kollabieren.

Normalerweise erwarten Wissenschaftler bei diesem Gravitationskollaps ein wahres Feuerwerk an Röntgen- und Gammastrahlung, doch die Radioblitze weisen diese charakteristische Strahlung nicht auf. Laut Falcke und Rezzolla hat der Neutronenstern seine Umgebung bereits von strahlender Restmaterie gesäubert und der entstehende Ereignishorizont des Schwarzen Lochs, der jede Strahlung verschluckt, hüllt die verbleibende Sternoberfläche schnell ein.

„Einsteins Relativitätstheorie erlaubt keine Magnetfelder, die durch den Ereignishorizont eines Schwarzen Lochs gehen. Also muss der Neutronenstern diese kurz vor seinem Tod loswerden“, erklärt Heino Falcke und ergänzt: „Wenn das Schwarze Loch entsteht, werden die Magnetfeldlinien vom Stern abgeschnitten und reißen wie gespannte Gummibänder. Wie wir zeigen, könnte dieser Prozess die beobachteten gewaltigen Radioblitze erzeugen. Alle anderen normalerweise erwarteten Signale wie Gamma- und Röntgenstrahlen verschwinden einfach hinter dem Ereignishorizont des Schwarzen Lochs.“

Inspiriert von der extrem kurzen und sich nicht wiederholenden Natur der Signale nannten Falcke und Rezzolla diese Objekte „Blitzare“. Sie wollen sie damit von Pulsaren unterscheiden, hinter denen auch rotierende Neutronensterne stecken, die aber wie kosmische Leuchttürme regelmäßig aufleuchten.

„Diese schnellen Radioblitze könnten der erste sichtbare Beweis der Geburt Schwarzer Löcher sein, deren Entstehung durch einen intensiven Ausbruch reiner Radiostrahlung begleitet wird. Ein Blitzar ist gleichzeitig der Abschiedsgruß eines sterbenden Neutronensterns und das erste Lebenszeichen eines neugeborenen Schwarzen Lochs“, sagt Rezzolla.

Um die Theorie genauer zu testen sind weitere Beobachtungen der bislang schwer fassbaren Radioblitze erforderlich. Mit Teleskopen wie dem LOFAR-Radioteleskop oder zukünftig dem Square Kilometre Array wollen die Astronomen weite Bereiche des Himmels systematisch scannen und nach einer größeren Anzahl dieser Blitze suchen.

MFPfR / AEI / AH

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