Rätselhafte Verbindung von Sternentstehung und Radiostrahlung
Modellierung der kosmischen Strahlung liefert grundlegende Erklärung.
Zum fünfzigjährigen Jahrestag der Entdeckung einer engen Verbindung von Sternentstehung in Galaxien und deren Infrarot- und Radiostrahlung haben Forschende am Leibniz-Institut für Astrophysik Potsdam AIP nun die zugrundeliegende Physik entschlüsselt. Dazu verwendeten sie neuartige Computersimulationen der Galaxienentstehung mit einer kompletten Modellierung der kosmischen Strahlung.
Um die Entstehung und Entwicklung von Galaxien wie unserer Milchstraße zu verstehen, ist es von besonderer Bedeutung, die Menge der neu entstandenen Sterne sowohl in nahen als auch in weit entfernten Galaxien zu kennen. Dabei hilft oft eine bereits vor fünfzig Jahren entdeckte Verknüpfung zwischen der Infrarot- und der Radiostrahlung von Galaxien: Die energiereiche Strahlung von jungen, massereichen Sternen, die in den dichtesten Regionen der Galaxien entstehen, wird von umliegenden Staubwolken absorbiert und als energiearme Infrarotstrahlung wieder ausgesendet. Wenn schließlich ihr Brennstoffvorrat aufgebraucht ist, explodieren diese massereichen Sterne am Ende ihres Lebens als Supernova. Bei dieser Explosion wird die äußere Sternhülle in die Umgebung geschleudert, was einige wenige Teilchen des interstellaren Mediums zu sehr hohen Energien beschleunigt, die wir dann kosmische Strahlung nennen. Im Magnetfeld der Galaxie senden diese schnellen Teilchen, die fast mit Lichtgeschwindigkeit unterwegs sind, sehr energiearme Radiostrahlung mit einer Wellenlänge von einigen Zentimetern bis Metern aus. Über diese Kette von Prozessen sind neu entstehende Sterne, die Infrarot- und die Radiostrahlung von Galaxien eng miteinander verknüpft.
Die genauen physikalischen Bedingungen für den Ursprung dieser in der Astronomie oft verwendeten Beziehung sind jedoch noch nicht verstanden. Bisherige Erklärungsversuche scheiterten meist an einer Voraussage: Wenn die hochenergetischen Teilchen der kosmischen Strahlung tatsächlich für die Radiostrahlung dieser Galaxien verantwortlich sind, sagt die Theorie sehr steile Radiospektren voraus – also eine hohe Emission bei tiefen Radiofrequenzen – dies stimmt jedoch nicht mit den Beobachtungen überein. Um diesem Rätsel auf den Grund zu gehen, hat das Team nun erstmalig diese Prozesse einer entstehenden Galaxie realistisch am Computer simuliert und die Energiespektren der kosmischen Strahlung berechnet. „Bei der Entstehung der galaktischen Scheibe werden kosmische Magnetfelder genau so verstärkt, dass sie mit den starken, beobachteten galaktischen Magnetfeldern übereinstimmen“, sagt Christoph Pfrommer, Leiter der Abteilung Kosmologie und Hochenergie-Astrophysik.
Wenn die kosmischen Strahlungsteilchen in den Magnetfeldern Radiostrahlung aussenden, verliert diese auf dem Weg zu uns einen Teil ihrer Energie. Das hat zur Folge, dass ihr Radiospektrum bei niedrigen Frequenzen flacher wird. Bei hohen Frequenzen trägt zusätzlich zur Radioemission der kosmischen Strahlung auch noch die Radiostrahlung des interstellaren Mediums bei, die ein flacheres Spektrum aufweist. Die Summe dieser beiden Prozesse kann daher die beobachtete flache Radiostrahlung der gesamten Galaxie und außerdem die Strahlung des Zentrums perfekt erklären. Damit löst sich auch das Rätsel, warum die Infrarot- und die Radiostrahlung von Galaxien so gut miteinander verknüpft sind. „Dadurch können wir die Anzahl der neu entstandenen Sterne anhand der beobachteten Radioemission in Galaxien besser bestimmen, um so die Geschichte der Sternentstehung im Universum weiter zu entschlüsseln“, sagt Doktorandin Maria Werhahn.
AIP / JOL
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
C. Pfrommer et al.: Simulating radio synchrotron emission in star-forming galaxies: small-scale magnetic dynamo and the origin of the far infrared-radio correlation, MNRAS, Vorabveröffentlichung (2022) - Kosmologie und Hochenergie-Astrophysik, Leibniz-Institut
für Astrophysik Potsdam AIP