06.07.2020

Rasante Flussquanten im Supraleiter

Magnetische Flussquanten mit Geschwindigkeiten von bis zu 15000 Metern pro Sekunde.

Ein internationales Team von Wissen­schaftern aus Österreich, Russland, Deutschland und der Ukraine hat ein neues supra­leitendes System gefunden, in dem sich magnetische Flussquanten mit Geschwindig­keiten von 10-15 km/s bewegen können. Dies erschließt Unter­suchungen der reichen Physik nicht­linearer kollektiver Systeme und macht einen Nb-C-Supraleiter zu einem idealen Material­kandidaten für Einzel­photonen-Detektoren. 

Abb.: Abrikosov-Gitter bei moderaten Wirbel­geschwin­digkeiten (l.) und mit...
Abb.: Abrikosov-Gitter bei moderaten Wirbel­geschwin­digkeiten (l.) und mit ultra­schnellen Abrikosov-Josephson- Fluss­schläuchen. (Bild: O. Dobrovolskiy, U. Wien)

Bei Typ-II-Supra­leitern dringt ein äußeres Magnetfeld in Form von quantisierten Magnet­flusslinien in das Material ein. Diese Flusslinien sind als Abrikosov-Vortizes bekannt, benannt nach Alexei Abrikosov, dessen Vorhersage ihm 2003 den Nobelpreis für Physik einbrachte. Doch schon bei mäßig starken elek­trischen Strömen beginnen sich die Vortizes zu bewegen, und der Supraleiter kann den Strom nicht mehr widerstandslos führen. In den meisten Supraleitern wird ein Zustand mit niedrigem Widerstand durch Vortex­geschwin­digkeiten von rund einem Kilometer pro Sekunde begrenzt, was den praktischen Einsatz von Supraleitern in verschiedenen Anwendungen beschränkt. Gleichzeitig sind solche Geschwindig­keiten nicht hoch genug, um die reichhaltige Physik, die für kollektive Nichtgleich­gewichtssysteme typisch ist, zu untersuchen.

Nun hat das Team ein neues supra­leitendes System gefunden, in dem sich magnetische Fluss­quanten mit Geschwin­digkeiten von zehn bis 15 Kilometer pro Sekunde bewegen können. Der neue Supraleiter weist eine seltene Kombination von Eigenschaften auf – hohe strukturelle Gleich­förmigkeit, große kritische Stromdichte und schnelle Relaxation heißer Elektronen. Die Kombination dieser Eigen­schaften stellt sicher, dass das Phänomen der Fluss-Strömungs­instabilität – abrupter Übergang eines Supraleiters vom supra­leitenden in den normal­leitenden Zustand – bei ausreichend großen Transport­strömen auftritt.

„In den letzten Jahren sind experi­mentelle und theo­retische Arbeiten erschienen, die auf ein bemerkenswertes Thema hinweisen; es wurde argumentiert, dass sich strom­getriebene Vortizes noch schneller bewegen können als die supra­leitenden Ladungsträger selbst“, sagt Oleksandr Dobrovolskiy, Leiter des Labors für Supra­leitung und Spintronik an der Universität Wien. „Diese Studien verwendeten jedoch lokal ungleichmäßige Strukturen. Anfänglich arbeiteten wir mit qualitativ hochwertigen sauberen Filmen, aber später stellte sich heraus, dass schmutzige Supraleiter bessere Kandidaten sind, um ultra­schnelle Vortex­dynamik zu unterstützen. Obwohl die intrinsische Flusslinien­verankerung in diesen nicht zwangsläufig so schwach ist wie in anderen amorphen Supraleitern, wird die schnelle Relaxation heißer Elektronen zu einem dominierenden Faktor, der eine ultra­schnelle Vortex­bewegung ermöglicht.“

Für ihre Unter­suchungen stellten die Forscher einen Nb-C-Supraleiter durch fokussierte Ionenstrahl-induzierte Abscheidung in der Gruppe von Michael Huth an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main her. Bemerkenswert ist, dass die Technologie der Direkt­abscheidung zusätzlich zu den ultra­schnellen Vortex­geschwindigkeiten in Nb-C erlaubt, komplex geformte Nano­architekturen und ausgefeilten 3D-Fluxon­schaltkreisen herzustellen, die in der Quanten­informations­verarbeitung Anwendung finden könnten.

„Um die maximale Stromdichte zu erreichen, die ein Supra­leiter führen kann, die Paarbrechungs­stromdichte, benötigt man ziemlich gleichförmige Proben über eine makro­skopische Längenskala, was teilweise auf kleine Defekte in einem Material zurückzuführen ist. Das Erreichen der Paarbrechungs­stromdichte ist nicht nur ein grundlegendes Problem, sondern auch wichtig für Anwendungen: Ein mikrometer­breiter supra­leitender Streifen kann durch ein einzelnes Nahinfrarot- oder optisches Photon in einen resistiven Zustand versetzt werden, wenn der Streifen durch einen Strom nahe dem Wert der Paar­brechungs­stromdichte vorbereitet wird, wie vorhergesagt und in jüngsten Experimenten bestätigt wurde. Dieser Ansatz eröffnet Perspektiven für den Bau groß­flächiger Einzelphoton-Detektoren, die z.B. in der konfokalen Mikroskopie, der Freiraum-Quanten­kryptographie und der optischen Kommunikation im Weltraum eingesetzt werden könnten“, sagt Denis Vodolazov vom Institut für Mikro­strukturen der RAS in Russland.

Den Forschern gelang es zu untersuchen, wie schnell sich Vortizes in Nb-C-supra­leitenden Streifen bewegen können, die eine kritische Stromdichte bei verschwin­dendem Magnet­feld nahe der Paarbrechungs­stromdichte aufweisen. Ihre Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Fluss-Strömungs­instabilität aufgrund der lokal erhöhten Stromdichte in der Nähe der Kante beginnt, an der die Vortizes in die Probe eintreten. Dies bietet Einblicke in die Anwend­barkeit weit verbreiteter Fluss-Strömungs­instabilitäts­modelle und legt nahe, dass Nb-C ein guter Material­kandidat für schnelle Einzel­photonen-Detektoren ist.

U. Wien / JOL

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