Regen vom All aus messen
Niederschlagsbestimmung über Reflektometrie der Signale von Navigationssatelliten.
Um den Klimawandel zu analysieren oder Informationen über Naturgefahren bereitzustellen, ist es wichtig, Wissen über den Regen zu sammeln. Eine bessere Kenntnis der Niederschlagsmenge und ihrer Verteilung könnte beispielsweise zum Schutz vor Überschwemmungen durch Flüsse beitragen. Ein neuer Ansatz nutzt erstmals Informationen, die in Radarsignalen von Navigationssatelliten enthalten sind, um Regen über dem Meer zu erkennen. Die Technik könnte dazu beitragen, Niederschläge in der Atmosphäre besser zu überwachen als bisher.
Ein neuer Ansatz eines Teams um Milad Asgarimehr, der in der GFZ-Sektion für geodätische Weltraumverfahren und an der TU Berlin forscht, gemeinsam mit Forschern vom Earth System Research Laboratory des National Oceanic and Atmospheric Administration der USA (NOAA) sowie der Universität Potsdam nutzt Informationen, die in Radarsignalen von GNSS-Satelliten (Global Navigation Satellite System) enthalten sind, um Regen über dem Meer zu erkennen. Die Technologie trägt den Namen GNSS-Reflektometrie. Sie ist eine innovative Satelliten-Fernerkundungsmethode mit einem breiten Spektrum geophysikalischer Anwendungen.
Nach Ansicht der Forschern könnte der neue Ansatz dazu beitragen, Niederschläge in der Atmosphäre besser zu überwachen als bisher. Asgarimehr: „Unsere Forschung kann als Ausgangspunkt für die Entwicklung eines zusätzlichen Regenindikators dienen. Wir können damit Niederschlagsinformationen mittels GNSS-Reflektometrie mit bisher unerreichter zeitlicher Auflösung und räumlicher Abdeckung liefern.“
„GNSS sind ‚Allwetter-Navigationssysteme‘“, erklärt Asgarimehr. „Eine lange gehegte Grundannahme war deshalb, dass ihre Signale so verfasst sind, dass sie durch Wolken oder typische Niederschläge in der Atmosphäre nicht merklich abgeschwächt werden und Niederschläge deshalb nicht erkennen können." Die neue Studie nutzt einen anderen Effekt, um Regen über dem Meer nachzuweisen: Die Rauheit der Meeresoberfläche.
Diese Oberfläche ist vor allem deshalb ‚rau‘, weil Winde auf ihr Wellen erzeugen. Die Stärke der an der Oberfläche reflektierten Satellitensignale verhält sich umgekehrt proportional zu ihrer Rauheit: Je mehr und je stärker die Wellen, desto schwächer ist das reflektierte Signal. Kürzlich ließ sich nachweisen, dass es möglich ist, die Windgeschwindigkeit über den Ozeanen aus Messungen der Rauheit seiner Oberfläche zu ermitteln.
Regentropfen, die auf eine Meeresoberfläche fallen, verändern ebenfalls deren Rauheit. Milad Asgarimehr und das Team um ihn stellten sich die Frage: Kann die GNSS-Reflektometrie Niederschläge über Ozeanen erkennen?
Lautet die Antwort ja, könnten GNSS-Reflektometrie-Satelliten Regen fast wie ein Beobachter erkennen, der Regentropfen zusieht, wie sie das Spiegelbild des Mondes auf der Oberfläche eines Sees bei Nacht stören. Es gibt jedoch einen wesentlichen Unterschied: Anders als das Mondlicht sind die GNSS-Signale in der Lage, die Wolken zu durchdringen.
Bei der Analyse von Daten des Navigationssatelliten TDS-1 (TechDemoSat-1) fand Asgarimehr Hinweise darauf, dass Regen über Ozeanen nachweisbar ist, sofern der Wind nicht zu stark weht. Allerdings fehlte seiner Forschung noch eine theoretische Begründung. „Lange dachte man, dass solche GNSS-Reflektometrie-Messungen unempfindlich gegenüber der kleinräumigen Oberflächenrauheit sein müssten, die durch Regentropfen auf der Meeresoberfläche verursacht wird“, erklärt Asgarimehr. Doch die Veröffentlichung eines neuen theoretischen Modells im Jahr 2017 lieferte eine plausible Abschätzung für die Physik der Streuung von Radarsignalen an einer von schwachen Winden gestörten Meeresoberfläche.
Milad Asgarimehr sagt: „Die Technik ist noch jung und wir müssen unser physikalisches Verständnis, unsere Modelle und Algorithmen weiter verbessern, um tiefere GNSS-basierte Regeninformationen zu erhalten. Aber die Arbeit lohnt sich, wenn wir damit in Zukunft Datenlücken bei der Überwachung von Niederschlägen schließen können.“
GFZ / DE