Reise an den Rand der Nuklidkarte
Messungen an Chrom-Isotopen weisen auf Rolle der Deformation von Atomkernen hin.
Wissenschaftler des Heidelberger Max-
Abb.: Zwei-Neutronen-Separationszenergie für neutronenzreiche Chrom-Isotope mit schematischer Extrazpolation in den unbekannten Bereich vor (hellblau) und nach (hellorange) den neuen Ergebnissen. (Bild: MPIK)
Die Eigenschaften eines bestimmten Atomkerns (Nuklid) sind hauptsächlich durch die Anzahl seiner Nukleonen und seine Masse bestimmt. Auf der Nuklidkarte sind alle bekannten Nuklide als Tabelle mit nach oben zunehmender Protonenzahl und nach rechts zunehmender Neutronenzahl grafisch dargestellt. Ganz links unten findet sich das einzelne Proton als einfachster Kern des Wasserstoffatoms. Rechts oben die schwersten, künstlich erzeugten Nuklide. Nur ein kleiner Teil der Nuklide ist stabil (schwarz); diese befinden sich im „Tal der Stabilität“, das für schwerere Kerne einen zunehmenden Neutronenüberschuss aufweist. Alle anderen unterliegen als Radionuklide verschiedenen radioaktiven Zerfällen (farbig hervorgehoben). Derzeit kennt man insgesamt rund 3300 Nuklide. Davon sind 253 stabil, gut 80 Radionuklide kommen auf der Erde natürlich vor, alle anderen wurden künstlich erzeugt.
Allerdings ist nicht genau bekannt, wie viele Nuklide es tatsächlich gibt. Neben der Radioaktivität gibt es aber fundamentale Grenzen der Stabilität, an denen ein weiteres zusätzliches Proton bzw. Neutron nicht mehr gebunden würde. Die Gesamtzahl der bisher größtenteils unerforschten Nuklide wird auf ungefähr 4000 geschätzt. Sie mögen exotisch wirken, sind aber z.B. für die Synthese schwererer Elemente jenseits von Eisen von Bedeutung. Das Stabilitätstal der Nuklidkarte ist in der Gegend um Eisen am tiefsten, d.h. nur bis hier kann im Zentrum von Sternen durch Kernfusion Energie gewonnen werden. Elemente wie Gold oder Blei entstehen beim Verschmelzen von Neutronensternen sowie in Supernovae. Die dabei beteiligten radioaktiven Zerfallspfade folgen wie Schachfiguren festen „Zugregeln“ und es ist entscheidend, welche Flächen auf dem Spielfeld der Nuklidkarte zur Verfügung stehen.
Da die paarweise Korrelation von zwei Protonen oder Neutronen im Atomkern einen wichtigen Beitrag liefert, wird als Maß für die Bindungsstärke auch die Zwei-
Bei den neuen Messungen wurde die Genauigkeit gegenüber früheren Experimenten um bis zu einem Faktor 300 verbessert. Auch mussten die Forscher Neuland betreten, um diese Nuklide überhaupt zu erzeugen und ihre Masse innerhalb ihrer kurzen Lebensdauer von teilweise nur wenigen Zehntelsekunden präzise zu bestimmen. Über Einsteins Gleichung zur Äquivalenz von Masse und Energie lässt sich aus der Masse die Bindungsenergie und damit die Zwei-
Dieses Verhalten wird auch durch phänomenologische Modelle, die eine Deformation des Atomkerns begünstigen, sehr gut wiedergegeben. Neue Vielteilchenrechnungen, die „ab initio“ ohne phänomenologische Näherungen auskommen und dabei nur an leichte Kerne angepasst wurden, sagen die Messdaten bis Cr-59 ebenfalls sehr gut voraus, ergeben aber für noch neutronenreichere Chrom-
Die neuen Resultate sind ein wichtiger Schritt auf dem Weg in unbekanntes Terrain der Nuklidkarte, dem weitere folgen werden. Einen wesentlichen Beitrag wird das neue internationale Beschleunigerzentrum FAIR in Darmstadt leisten, welches eine Produktion von mehreren 100 neuen Isotopen verspricht. Erste Präzisionsmassenmessungen an diesen Isotopen sind für 2025 vorgesehen.
MPIK / DE