23.12.2016

Rekord der Lichtmikroskopie

Göttinger Fluoreszenzmikroskop erreicht Auflösung von einem Nanometer.

Es ist der Heilige Gral der Licht­mikro­skopie: die Trenn­schärfe dieser Methode so weit zu verbessern, dass man dicht benach­barte Moleküle einzeln auflösen kann. Forscher um Nobel­preis­träger Stefan Hell vom Max-Planck-Institut für biophysi­kalische Chemie haben nun geschafft, was lange Zeit als unmöglich galt: Sie haben ein neues Fluoreszenz­mikroskop entwickelt, MINFLUX genannt, mit dem sich erstmals Moleküle trennen lassen, die nur Nanometer voneinander entfernt sind. Dieses Mikroskop ist mehr als 100 Mal schärfer als herkömm­liche Licht­mikroskopie und übertrifft selbst die bisher besten lichtmikro­skopischen Methoden – STED und PALM/STORM – um das bis zu 20-Fache.

Abb.: Mit MINFLUX lassen sich Bewegungen von fluoreszenzmarkierten Molekülen in einer lebenden Zelle zeitlich genauer verfolgen als mit der STED- oder PALM/STORM-Mikroskopie. (Bild: Y. Eilers / MPIPBC)

„Mit MINFLUX erreichen wir Auflösungen von einem Nanometer, das ist der Durch­messer einzelner Moleküle – die ulti­mative Grenze dessen, was in der Fluoreszenz­mikroskopie möglich ist“, erklärt Stefan Hell, Direktor am MPI für biophysi­kalische Chemie. „Ich bin überzeugt, dass MINFLUX-Mikro­skope das Zeug dazu haben, eines der grund­legendsten Werkzeuge der Zell­biologie zu werden. Mit diesem Verfahren wird es in Zukunft möglich sein, Zellen molekular zu karto­grafieren und schnelle Vorgänge in ihrem Inneren in Echtzeit sichtbar zu machen. Das könnte unser Wissen über die molekularen Abläufe in lebenden Zellen revolu­tionieren.“

Der Göttinger Physiker, der auch am MPI für medizi­nische Forschung und am Deutschen Krebs­forschungs­Zentrum in Heidelberg arbeitet, war sich schon lange sicher, dass die Fluoreszenz­mikroskopie mit ihrer Auflösung in die Dimension einzelner Moleküle vordringen kann – unter klas­sischer Verwendung von fokus­siertem Licht und normalen Objektiven. Zwar hatte der Physiker Ernst Abbe 1873 formuliert, dass die Auflösung von Licht­mikroskopen auf die halbe Wellen­länge des Lichts begrenzt ist – das sind etwa 200 Nanometer. Und auch mehr als 100 Jahre später behält dieses Abbe-Limit physi­kalisch seine Gültigkeit. Doch Hell zeigte als Erster mit der von ihm 1994 erdachten und fünf Jahre später experi­mentell umgesetzten STED-Mikro­skopie, dass sich diese Grenze überwinden lässt.

STED und das ein paar Jahre später entwickelte PALM/STORM erreichen in der Praxis eine Trenn­schärfe von etwa 20 bis 30 Nanometern – rund zehn Mal besser als das Abbe-Limit. Für die Ent­wicklung dieser ultra­hochauf­lösenden Licht­mikroskopie-Techniken wurden Hell und Betzig gemeinsam mit ihrem Kollegen William E. Moerner im Jahr 2014 mit dem Nobelpreis für Chemie ausge­zeichnet.

Sowohl STED als auch PALM/STORM trennen benachbarte fluores­zierende Moleküle, indem sie diese nach­einander an- und ausschalten und so sequenziell zum Leuchten bringen. Die beiden Methoden unter­scheiden sich aber in einem wesent­lichen Punkt: Die STED-Mikro­skopie setzt einen Donut-förmigen Laser­strahl ein, um das Leuchten der Moleküle an genau festge­legten Koordinaten in der Probe zu unterdrücken. Der Vorteil: Durch den defi­nierten Donut-Strahl weiß man präzise, an welchem Punkt im Raum sich das gerade leuchtende Molekül befindet. Der Nachteil: Den Laser­strahl kann man in der Praxis nicht stark genug machen, um nur ein einziges Molekül anzusteuern. Bei PALM/STORM hingegen erfolgt das An- und Aus­schalten an zufälligen Orten Molekül für Molekül – mit dem Vorteil, dass man bereits auf der Ebene einzelner Moleküle arbeitet, aber auch dem Nachteil, dass man deren genaue Positionen nicht kennt und erst heraus­finden muss. In der Praxis lässt sich so routinemäßig keine moleku­lare Auflösung erreichen. Hell hatte die Idee, die Stärken beider Techniken in einem neuen Konzept zu verbinden. „Diese Aufgabe war alles andere als trivial. Aber meine Mitar­beiter Francisco Balza­rotti, Yvan Eilers und Klaus Gwosch haben hervor­ragende Arbeit geleistet und die Idee experimentell mit mir umgesetzt.“

Abb.: Mit dem neuen Mikroskop kann man erstmals Moleküle optisch trennen, die nur wenige Nanometer voneinander entfernt sind. (Bild: K. Gwosch / MPIPBC)

Ihre neue Technik MINFLUX schaltet – wie PALM/STORM – einzelne Moleküle zufällig an und aus. Gleich­zeitig bestimmt es aber – wie STED – deren exakte Position mit einem Donut-förmigen Laser­strahl, der im Gegen­satz zu STED nicht zum Abregen, sondern zum Anregen der Fluores­zenz benutzt wird. Liegt das Molekül auf dem Donut-Ring, so leuchtet es; liegt es exakt in seinem dunklen Zentrum, so leuchtet es nicht, doch man hat seine genaue Position gefunden. Damit diese Position mit höchster Präzision schnell bestimmt werden kann, entwickelte Balza­rotti einen ausge­klügelten Algo­rithmus. „Mit diesem Algo­rithmus konnten wir das volle Potenzial des Donut-Laser­strahls ausschöpfen“, erläutert er. Gwosch, dem die Aufnahme der molekular aufge­lösten Bilder gelang, ergänzt: „Es war ein unglaub­liches Gefühl, als wir zum ersten Mal mit MINFLUX Moleküle auf der Skala von wenigen Nano­metern unter­scheiden konnten.“

Neben der mole­kularen Auflösung bietet die Kombi­nation von STED und PALM/STORM einen weiteren großen Vorteil: „MINFLUX ist im Vergleich sehr viel schneller: Da die Technik mit dem Donut-Laser­strahl arbeitet, kommt sie mit wesent­lich weniger Licht­signal, das heißt Fluores­zenz-Photonen, pro Molekül aus als PALM/STORM“, so Hell. Bereits mit STED konnte man Echtzeit-Videos aus dem Inneren lebender Zellen aufnehmen. Doch nun sei es möglich, die Bewegung von Molekülen in einer Zelle mit einer 100 Mal besseren zeit­lichen Auf­lösung zu verfolgen, wie Eilers betont. Er hatte es geschafft, mit MINFLUX die Bewegung von Molekülen in einem lebenden E. coli-Bakterium in bisher uner­reichter Zeit­auflösung zu filmen. „Und bei der Geschwin­digkeit haben wir die Möglich­keiten von MINFLUX noch längst nicht ausgereizt“, sagt Eilers. Die Forscher sind überzeugt, dass sich zukünftig selbst extrem schnelle Abläufe in lebenden Zellen unter­suchen lassen – etwa die Bewegung zellulärer Nano­maschinen oder die Faltung von Proteinen.

MPIPBC / JOL

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