Rekord-Galaxie im jungen Kosmos
Sternentstehung bereits 250 Millionen Jahre nach dem Urknall.
Bereits wenige hundert Millionen Jahre nach dem Urknall gab es Sterne und Galaxien, wie beispielsweise tiefe Aufnahmen des Weltraumteleskops Hubble belegen. Doch bei der Frage, wann und wie die ersten Sterne und die ersten Galaxien genau entstanden sind, tappen die Astronomen noch im sprichwörtlichen Dunkeln. Die entscheidenden Prozesse für die Entstehung von Sternen und Galaxien sind einerseits Akkretion, die Verdichtung von Materie unter dem Einfluss der Schwerkraft, und andererseits die Abkühlung des sich verdichtenden Gases. Denn ohne eine effektive Kühlung würde der wachsende Druck den Akkretionsprozess frühzeitig stoppen.
Abb.: Die Galaxie MACS1149-JD1 liegt hinter dem massereichen Galaxienhaufen MACS J1149+2223. Der Galaxienhaufen wirkt als Gravitationslinse und verstärkt die Strahlung der Galaxie um das 15-Fache. (Bild: NASA / ESA / W. Zheng, JHU / M. Postman, STScI / CLASH Team)
Bislang fehlen jedoch Beobachtungen, die den Forschern einen Einblick in diese entscheidende Phase der kosmischen Entwicklung liefern könnten. Doch alle Hoffnung ist nicht verloren, wie jetzt Takuya Hashimoto von der Osaka Sangyo University in Japan und seine Kollegen zeigen. Extrem genaue Messungen des Teams mit ALMA, dem Atacama Large Millimeter/
Hashimoto und seine Kollegen nutzten einerseits die Hilfe der Natur, andererseits die extreme Leistungsfähigkeit von ALMA für ihre Beobachtungen. Denn die Galaxie MACS1149-JD1 befindet sich von der Erde aus gesehen genau hinter einem massereichen Galaxienhaufen. Mit seiner Schwerkraft wirkt er als Gravitationslinse und bündelt das Licht des fernen Sternsystems, dessen Strahlung dadurch 15-fach verstärkt wird. Und die Radioteleskope von ALMA machen es möglich, das Spektrum der so verstärkten Galaxie mit hoher Genauigkeit zu untersuchen. Den Forschern gelang es, die Rotverschiebung von MACS1149-JD1 anhand von Emissionslinien des doppelt ionisierten Sauerstoffs zu 9,1096 zu bestimmen. Damit stellten die Forscher einen neuen Rekord für eine aus Spektrallinien bestimmte Rotverschiebung auf.
Das Licht von MACS1149-JD1 benötigt demnach 13,24 Milliarden Jahre zur Erde. Entsprechend sehen die Astronomen die Galaxie so, wie sie vor 13,24 Milliarden Jahren ausgesehen hat, also 550 Millionen Jahre nach dem Urknall. Die extrem genaue Bestimmung der Rotverschiebung ermöglichte es Hashimoto und seinen Kollegen weiterhin, aus der spektralen Energieverteilung der Strahlung Informationen über die Sterne in der Galaxie zu erhalten. „Die rote Farbe der Galaxie stammt hauptsächlich von Sternen, die bereits 250 Millionen Jahre nach dem Urknall entstanden sein müssen“, so die Forscher. Auch das ist ein neuer Rekord. Nun hoffen Hashimoto und seine Kollegen, das Verfahren auch bei anderen Galaxien anzuwenden – und so zu zeigen, dass MACS1149-JD1 keine Ausnahmeerscheinung ist. Dann nämlich wäre die Phase der ersten Sternentstehung im Kosmos in Reichweite künftiger Großteleskope wie dem James Webb Space Telescope, einem Gemeinschaftsprojekt von NASA, ESA und der kanadischen Raumfahrtbehörde CSA, oder dem Extremely Large Telescope der Europäischen Südsternwarte ESO.
Rainer Kayser
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RK