21.07.2016

Relativistischer Magnet

Phänomen in der Heusler-Verbindung NiMnSb könnte für digitale Datenverarbeitung genutzt werden.

In der Informations­gesellschaft spielt die Verbesserung der Speicher eine immer größere Rolle. Derzeit arbeitet eine inter­nationale Gruppe von Wissen­schaftlern an der Erforschung eines Phänomens, das die nächste Revolution im Bereich der Speicher­technologie einleiten könnte. Ausgangs­punkt ist die relati­vistische Physik Einsteins. Mit ihrer Hilfe können Magneten dazu gebracht werden, sich durch die innere Bewegung ihrer eigenen Elektronen zu drehen. „Wir können es mit einer Katze vergleichen, die sich im Fallen dreht, indem sie Schwanz, Kopf und Rumpf einsetzt“, sagt Jairo Sinova von der Johannes Gutenberg-Uni­versität Mainz.

Abb.: Diese Grafik zeigt, wie sich ein NiMnSb-Magnet neu ausrichten kann. (Bild: Inspire Group, JGU)

Dank des relati­vistischen Effekts konnte sich der Magnet durch die innere Bewegung seiner eigenen Elektronen neu ausrichten. Dazu änderte in den er­forschten Materialien ein elek­trischer Strom, der durch den Magneten floß, die Richtung der Magne­tisierung. Der Effekt hing davon ab, in welcher Richtung der Stromfluss verlief. Wegbereiter für die Entdeckung und Er­forschung dieses neuartigen Phänomens eines Spin-Bahn-Drehmoments war unter anderen die Mainzer Forschungs­gruppe um Jairo Sinova.

Der Effekt tritt generell in Materialien auf, die eine gebrochene Inversions­symmetrie aufweisen. Zuerst wurden Spin-Bahn-Drehmomente in dem synthetischen magne­tischen Halb­leiter GaMnAs beobachtet. GaMnAs ist das verdünnte Gegen­stück zu den kristal­linen Zinkblende-Strukturen von Silizium und Gallium­arsenid, den beiden zentralen Materialien für die moderne Elektronik. In GaMnAs konnten Spin-Bahn-Dreh­momente allerdings nur bei sehr niedrigen Tem­peraturen nachgewiesen werden, die eine technische Nutzung des Effekts praktisch unmöglich machen.

In Zusammen­arbeit mit Forschern aus Prag, Cambridge, Würzburg, Jülich und Nottingham haben Sinova und seine Dokto­randen Jacob Gayles und Libor Šmejkal ein Ergebnis erzielt, das weg­bereitend für die technische Nutzung von Spin-Bahn-Dreh­momenten sein könnte. Dank der Team­arbeit von Theoretikern und Experimental­physikern gelang es, den Effekt der Spin-Bahn-Dreh­momente in dem Kristall NiMnSb bei Raum­temperatur vorher­zusagen und experimentell nach­zuweisen. Die Auswahl von NiMnSb – eine Heusler-Ver­bindung aus Nickel, Mangan und Antimon – stützte sich dabei auf die systema­tische Analyse der Symmetrie der Kristall­klassen in Kombi­nation mit Ab-Initio-Be­rechnungen des Effekts.

Dass die Wissen­schaftler nun auch bei Raumt­emperatur in der Lage sind, die Aus­richtung einzelner Magneten zu mani­pulieren, stellt einen wichtigen Schritt hin zu verbes­serten magne­tischen RAM-Archi­tekturen für technische An­wendungen dar, welche rein elektrisch, energie­sparsam und höchst skalierbar wären.

JGU / JOL

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