Relativistischer Magnet
Phänomen in der Heusler-Verbindung NiMnSb könnte für digitale Datenverarbeitung genutzt werden.
In der Informationsgesellschaft spielt die Verbesserung der Speicher eine immer größere Rolle. Derzeit arbeitet eine internationale Gruppe von Wissenschaftlern an der Erforschung eines Phänomens, das die nächste Revolution im Bereich der Speichertechnologie einleiten könnte. Ausgangspunkt ist die relativistische Physik Einsteins. Mit ihrer Hilfe können Magneten dazu gebracht werden, sich durch die innere Bewegung ihrer eigenen Elektronen zu drehen. „Wir können es mit einer Katze vergleichen, die sich im Fallen dreht, indem sie Schwanz, Kopf und Rumpf einsetzt“, sagt Jairo Sinova von der Johannes Gutenberg-Universität Mainz.
Abb.: Diese Grafik zeigt, wie sich ein NiMnSb-Magnet neu ausrichten kann. (Bild: Inspire Group, JGU)
Dank des relativistischen Effekts konnte sich der Magnet durch die innere Bewegung seiner eigenen Elektronen neu ausrichten. Dazu änderte in den erforschten Materialien ein elektrischer Strom, der durch den Magneten floß, die Richtung der Magnetisierung. Der Effekt hing davon ab, in welcher Richtung der Stromfluss verlief. Wegbereiter für die Entdeckung und Erforschung dieses neuartigen Phänomens eines Spin-Bahn-Drehmoments war unter anderen die Mainzer Forschungsgruppe um Jairo Sinova.
Der Effekt tritt generell in Materialien auf, die eine gebrochene Inversionssymmetrie aufweisen. Zuerst wurden Spin-Bahn-Drehmomente in dem synthetischen magnetischen Halbleiter GaMnAs beobachtet. GaMnAs ist das verdünnte Gegenstück zu den kristallinen Zinkblende-Strukturen von Silizium und Galliumarsenid, den beiden zentralen Materialien für die moderne Elektronik. In GaMnAs konnten Spin-Bahn-Drehmomente allerdings nur bei sehr niedrigen Temperaturen nachgewiesen werden, die eine technische Nutzung des Effekts praktisch unmöglich machen.
In Zusammenarbeit mit Forschern aus Prag, Cambridge, Würzburg, Jülich und Nottingham haben Sinova und seine Doktoranden Jacob Gayles und Libor Šmejkal ein Ergebnis erzielt, das wegbereitend für die technische Nutzung von Spin-Bahn-Drehmomenten sein könnte. Dank der Teamarbeit von Theoretikern und Experimentalphysikern gelang es, den Effekt der Spin-Bahn-Drehmomente in dem Kristall NiMnSb bei Raumtemperatur vorherzusagen und experimentell nachzuweisen. Die Auswahl von NiMnSb – eine Heusler-Verbindung aus Nickel, Mangan und Antimon – stützte sich dabei auf die systematische Analyse der Symmetrie der Kristallklassen in Kombination mit Ab-Initio-Berechnungen des Effekts.
Dass die Wissenschaftler nun auch bei Raumtemperatur in der Lage sind, die Ausrichtung einzelner Magneten zu manipulieren, stellt einen wichtigen Schritt hin zu verbesserten magnetischen RAM-Architekturen für technische Anwendungen dar, welche rein elektrisch, energiesparsam und höchst skalierbar wären.
JGU / JOL