Resonante inelastische Röntgenstreuung schnell ausgewertet
Ergebnisse lassen sich mit neuer Methode noch während des Experiments berechnen.
Die elektronische Struktur von komplexen Molekülen und ihre chemische Reaktivität können mit Hilfe der Methode der resonanten inelastischen Röntgenstreuung, kurz RIXS, an BESSY II untersucht werden. Allerdings erfordert die Auswertung von RIXS-Daten bisher sehr lange Rechenzeiten. Ein Team an BESSY II hat jetzt ein neues Simulationsverfahren entwickelt, das diese Auswertung stark beschleunigt. Die Ergebnisse können sogar während des Experiments berechnet werden. Messgäste können das Verfahren wie eine Blackbox nutzen.
Moleküle aus vielen Atomen sind komplexe Gebilde. Die Außenelektronen verteilen sich auf die unterschiedlichen Orbitale, und deren Gestalt entscheidet über das chemische Verhalten und die Reaktivität des Moleküls. Experimentell lassen sich Konfiguration und Besetzung dieser Orbitale durchaus ermitteln. An Synchrotronquellen mit hochbrillanter Röntgenstrahlung wie BESSY II steht dafür eine Methode zur Verfügung: Die resonante inelastische Röntgenstreuung. Um von den Messdaten jedoch zu Aussagen über die Orbitale zu kommen, sind aufwändige quantenchemische Simulationen notwendig, typische Rechenzeiten für größere Moleküle dauern selbst an Großrechnern Wochen.
„Bisher fanden diese Berechnungen meist im Anschluss an die Messungen statt“, erklärt Vinicius Vaz da Cruz vom Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie. Gemeinsam mit Alexander Föhlisch und Sebastian Eckert hat er jetzt raffiniertes neues Verfahren entwickelt, das die Auswertung um ein Vielfaches beschleunigt.
„Mit unserer Methode dauert es ein paar Minuten und wir brauchen dafür keinen Großrechner, es funktioniert auf dem Desktoprechner“, sagt Eckert. Die Wissenschaftler haben das Verfahren an dem Molekül 2-Thiopyridon, getestet, einem Modellmolekül für Protonentransfer-Prozesse, die in lebenden Zellen und Organismen eine entscheidende Rolle spielen. Die Ergebnisse sind trotz der kurzen Rechenzeit präzise und zielführend.
„Das ist ein gewaltiger Fortschritt“, betont Föhlisch. „So können wir vorab bereits viele Optionen durchspielen und das Molekül sozusagen kennenlernen. Außerdem ist es mit diesem Verfahren auch möglich, weitaus komplexere Moleküle zu simulieren und die experimentell gewonnenen Daten sinnvoll zu interpretieren.“ Bereits während der Messung können die Forscher jetzt die Simulationen mitlaufen lassen und gleich sehen, wo es eventuell besonders spannend ist und es sich lohnt, experimentell genauer hinzuschauen.
Das Verfahren stellt eine Erweiterung der weit verbreiteten, höchst effizienten Methode der zeitabhängigen Dichtefunktionaltheorie dar, welche um ein Vielfaches schneller Ergebnisse liefert als konventionelle Methoden zur Simulation von RIXS-Spektren. „Dies lässt uns die Methode weitestgehend automatisieren“, sagt Vaz da Cruz. „Für den Nutzer lässt sich das Verfahren wie eine Blackbox benutzen.“
HZB / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
V. Vaz da Cruz, S. Eckert & A. Föhlisch: TD-DFT simulations of K-edge resonant inelastic X-ray scattering within the restricted subspace approximation, Phys. Chem. Chem. Phys. 23, 1835 (2021); DOI: 10.1039/D0CP04726K - Institut Methoden und Instrumentierung der Forschung mit Synchrotronstrahlung (A. Föhlisch), Helmholtz-Zentrum Berlin für Materialien und Energie GmbH