Resonanzen und Blockaden beim Kondo-Effekt
Dynamik von Elektronen beim Überqueren von Nanoröhrchen analysiert.
Eine der grundlegendsten Fragen in der Physik ist das Verhalten von Materialien bei sehr niedrigen Temperaturen. Bereits 1934 wurde ein neuer Effekt in bestimmten Metallen entdeckt, bei dem unterhalb einer kritischen Temperatur der Widerstand ansteigt, anstatt, wie man vermuten würde, zu stagnieren. Der Grund dafür wurde erst 32 Jahre später von dem japanischen Physiker Jun Kondo gefunden. Der nach ihm benannte Kondo-Effekt beruht auf Defekten in diesen Metallen, an denen Elektronen streuen können, ähnlich wie Billardkugeln auf einem unebenen Billardtisch.
Abb.: Die negativ geladenen Elektronen stoßen sich gegenseitig ab, eines blockiert die Mitte. Durch den Kondo-Effekt bildet sich eine Elektronenwolke aus und der Strom kann wieder fließen. (Bild: M. Grifoni)
Der Effekt basiert auf dem Spin der Elektronen. Dieser kann nur zwei Zustände annehmen. Wenn die Störstelle einen Spin besitzt, führt dieser zu Prozessen, in denen ein ankommendes Elektron gestreut wird und dabei seinen Spin mit dem der Störstelle über Spin-flip-Prozesse austauscht. Kondo hat festgestellt, dass die Gesamtheit vieler Prozesse eine anziehende Wirkung entfaltet und sich eine Wolke aus Elektronen um die Störstelle bildet. Da nun viele Elektronen in diesen Wolken gefangen werden, erhöht sich der Widerstand wieder.
Physiker aus Frankreich haben diesen Effekt in Kohlenstoffnanoröhren gemessen. Die Wissenschaftler haben die Kohlenstoffnanoröhren zwischen zwei Kontakte gebracht. Durch die negative Ladung der Elektronen und die damit verbundene Abstoßung lässt sich auf diese Weise ein einzelnes Elektron darin fangen, es wirkt dabei wie eine einzige magnetische Störstelle. Der entscheidende Unterschied zu Metallen ist, dass der Weg für Elektronen vorerst durch das gefangene Elektron blockiert ist. Durch geschickte Einstellung der Parameter lässt sich der Kondo-Effekt herbeiführen und die Kondo-Wolke bildet sich. Sie wird so groß, dass sie beide Kontakte mit einschließt und dadurch Elektronen passieren können. Im Gegensatz zu Metallen wird der Widerstand dadurch kleiner.
Zusätzlich zum Spin gibt es bei den Kohlenstoff Nanoröhren einen weiteren Freiheitsgrad. Die Elektronen können sich beim Überqueren der Röhre auf der Oberfläche im Uhrzeigersinn oder im Gegenuhrzeigersinn schrauben. Jedes Elektron kann also einen von vier verschiedenen Zuständen annehmen, die Kombination aus Spin und Bahndrehimpuls. Das Experiment hat gezeigt, dass nur zwei dieser Zustände wirklich eine Minderung des Widerstandes erzeugen, bei den anderen beiden passiert hingegen nichts.
Das Team um Milena Grifoni, Lehrstuhl für Theoretische Physik an der Universität Regensburg, hat jetzt die Begründung für dieses Phänomen gefunden. Die Erklärung ist ähnlich zum traditionellen Kondo-Effekt, bei dem Spin-flip-Prozesse die Resonanz bestimmen. Man kann durch geschickte Kombination aus den vier Zuständen vier Eigenzustände bestimmen und ihnen einen Pseudospin zuweisen. Dieser verhält sich genau wie der richtige Spin, ist aber ein komplexes, theoretisches Konstrukt. Die Kondo-Resonanz und -Wolke bilden sich jedoch nur bei Prozessen aus, die den Pseudospin flippen, bei den anderen passiert nichts. Das Experiment in Frankreich und die theoretische Erklärung der Regensburger Physiker haben gezeigt, dass der Kondo-Effekt neben den Kondo-Resonanzen eben auch genau das Gegenteil, eine Blockade, bewirken kann und dass er selbst nach 80 Jahren seit seiner Entdeckung immer noch Geheimnisse birgt.
U Regensburg / JOL