07.10.2016

Resonanzen und Blockaden beim Kondo-Effekt

Dynamik von Elektronen beim Überqueren von Nanoröhrchen analysiert.

Eine der grund­legendsten Fragen in der Physik ist das Verhalten von Materialien bei sehr niedrigen Temperaturen. Bereits 1934 wurde ein neuer Effekt in bestimmten Metallen entdeckt, bei dem unterhalb einer kritischen Temperatur der Widerstand ansteigt, anstatt, wie man vermuten würde, zu stagnieren. Der Grund dafür wurde erst 32 Jahre später von dem japa­nischen Physiker Jun Kondo gefunden. Der nach ihm benannte Kondo-Effekt beruht auf Defekten in diesen Metallen, an denen Elektronen streuen können, ähnlich wie Billard­kugeln auf einem unebenen Billard­tisch.

Abb.: Die negativ geladenen Elektronen stoßen sich gegenseitig ab, eines blockiert die Mitte. Durch den Kondo-Effekt bildet sich eine Elektronenwolke aus und der Strom kann wieder fließen. (Bild: M. Grifoni)

Der Effekt basiert auf dem Spin der Elektronen. Dieser kann nur zwei Zustände annehmen. Wenn die Stör­stelle einen Spin besitzt, führt dieser zu Prozessen, in denen ein ankommendes Elektron gestreut wird und dabei seinen Spin mit dem der Stör­stelle über Spin-flip-Prozesse austauscht. Kondo hat festgestellt, dass die Gesamt­heit vieler Prozesse eine anziehende Wirkung entfaltet und sich eine Wolke aus Elektronen um die Stör­stelle bildet. Da nun viele Elektronen in diesen Wolken gefangen werden, erhöht sich der Wider­stand wieder.

Physiker aus Frankreich haben diesen Effekt in Kohlen­stoffnano­röhren gemessen. Die Wissen­schaftler haben die Kohlen­stoffnano­röhren zwischen zwei Kontakte gebracht. Durch die negative Ladung der Elektronen und die damit verbundene Abstoßung lässt sich auf diese Weise ein einzelnes Elektron darin fangen, es wirkt dabei wie eine einzige magne­tische Störstelle. Der entschei­dende Unterschied zu Metallen ist, dass der Weg für Elektronen vorerst durch das gefangene Elektron blockiert ist. Durch geschickte Einstellung der Parameter lässt sich der Kondo-Effekt herbeiführen und die Kondo-Wolke bildet sich. Sie wird so groß, dass sie beide Kontakte mit einschließt und dadurch Elektronen passieren können. Im Gegensatz zu Metallen wird der Widerstand dadurch kleiner.

Zusätzlich zum Spin gibt es bei den Kohlenstoff Nano­röhren einen weiteren Freiheits­grad. Die Elektronen können sich beim Überqueren der Röhre auf der Oberfläche im Uhrzeiger­sinn oder im Gegen­uhrzeiger­sinn schrauben. Jedes Elektron kann also einen von vier ver­schiedenen Zuständen annehmen, die Kombination aus Spin und Bahndrehimpuls. Das Experiment hat gezeigt, dass nur zwei dieser Zustände wirklich eine Minderung des Wider­standes erzeugen, bei den anderen beiden passiert hingegen nichts.

Das Team um Milena Grifoni, Lehrstuhl für Theore­tische Physik an der Universität Regensburg, hat jetzt die Begründung für dieses Phänomen gefunden. Die Erklärung ist ähnlich zum tradi­tionellen Kondo-Effekt, bei dem Spin-flip-Prozesse die Resonanz bestimmen. Man kann durch geschickte Kombi­nation aus den vier Zuständen vier Eigen­zustände bestimmen und ihnen einen Pseudospin zuweisen. Dieser verhält sich genau wie der richtige Spin, ist aber ein komplexes, theore­tisches Konstrukt. Die Kondo-Resonanz und -Wolke bilden sich jedoch nur bei Prozessen aus, die den Pseudo­spin flippen, bei den anderen passiert nichts. Das Experiment in Frankreich und die theo­retische Erklärung der Regens­burger Physiker haben gezeigt, dass der Kondo-Effekt neben den Kondo-Re­sonanzen eben auch genau das Gegenteil, eine Blockade, bewirken kann und dass er selbst nach 80 Jahren seit seiner Entdeckung immer noch Geheim­nisse birgt.

U Regensburg / JOL

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