18.06.2020

Riesige galaktische Teilchenschleuder

Der Jet des zentralen schwarzen Loches von Centaurus A zeigt Teilchenbeschleunigung über Tausende von Lichtjahren.

Eine internationale Kollaboration von mehr als 200 Wissenschaftlern aus 13 Ländern konnte zeigen, dass die von Radio­galaxien ausgehende Emission sehr hoch­energetischer Gamma­strahlung nicht auf die Region nahe dem zentralen schwarzen Loch konzentriert ist, sondern sich über mehrere Tausend Lichtjahre entlang von Plasmajets erstreckt. Dies erschüttert das bisherige Verständnis maximal erreichbarer Energien bei derartiger Teilchen­beschleunigung. Die nun publizierte Arbeit wurde als Teil der H.E.S.S-Kollaboration durchgeführt, an der insbesondere die Max-Planck-Gesellschaft, Forschungsstätten und Universitäten in Deutschland sowie CNRS und CEA in Frankreich beteiligt sind. 

Abb.: Kompositbild von Centaurus A mit den vom zentralen schwarzen Loch der...
Abb.: Kompositbild von Centaurus A mit den vom zentralen schwarzen Loch der Galaxie ausgehenden Jets und der begleitenden Gamma­strahlung. (Bild: optisch: ESO / WFI; Sub­millimeter: MPIfR / ESO / APEX / A.Weiss et al.; Röntgen: NASA / CXC / CfA / R.Kraft et al.; Gamma: H.E.S.S. Collaboration)

Während der letzten Jahre haben Wissenschaftler das Universum mittels Gamma­strahlung beobachtet. Diese stammen aus Regionen des Universums, wo Elektronen auf extrem hohe Energien beschleunigt werden, wie sie in irdischen Beschleuniger­anlagen nicht erreicht werden. Eine Reihe kosmische Beschleuniger, wie etwa supermassereiche schwarze Löcher im Zentrum bestimmter Galaxien, die Materie aus ihrer Umgebung einsammeln und einen Teil davon in Plasmajets ausschleudern, erzeugen energiereiche Photonen in Form von Röntgen und Gammastrahlung. Die Intensität der aus diesen Systemen emittierten Strahlung kann innerhalb sehr kurzer Zeiten (bis zu einer Minute) variieren, was einen Ursprung nahe dem zentralen schwarzen Loch nahelegt. Zudem wurde unter Wissenschaftlern die Emission von Röntgenstrahlung in diesen Jets kontrovers diskutiert, wobei ein Szenario die Beschleunigung von Elektronen auf extrem hohe Energien (50 TeV) erfordert. Da Elektronen innerhalb solcher Jets rasch ihre Energie verlieren, bedürfen sie einer kontinuierlichen Energiezufuhr, um entlang des gesamten Jets mit hohen Energien aufzutreten.

Mit dem H.E.S.S.-Observatorium in Namibia hat eine internationale Astrophysik-Kollaboration eine Radiogalaxie (die im Bereich von Radiowellen besonders leuchtkräftig ist) insgesamt über 200 Stunden mit einer einmalig hohen Auflösung beobachtet. Als die der Erde am nächsten gelegene Radio­galaxie erlaubte es Centaurus A, die Region sehr hochenergetischer Strahlungs­emission zu identifizieren und zugleich den Verlauf der Plasmajets zu untersuchen. Auf Basis einer umfangreichen Analyse durch Gruppen in Innsbruck und Paris konnten sie zeigen, dass sich die Quelle der Gamma­strahlung über einen Bereich von mehreren Tausend Licht­jahren erstreckt. Anhand dieser ausgedehnten Emission konnten wiederum die Gruppen in Heidelberg und Berlin nachweisen, dass die Teilchen­beschleunigung nicht allein in der Umgebung des schwarzen Lochs geschieht, sondern auch auf der gesamten Länge des Plasmajets.

Die neuen Resultate geben Grund zu der Ansicht, dass sich entlang des Jets eine kontinuierliche Beschleunigung abspielt. Diese Entdeckung deutet darauf hin, dass viele Radiogalaxien mit ausgedehnten Jets effizient Teilchen auf extrem hohe Energien beschleunigen können. Dies wiederum liefert entscheidende Informationen für die Debatte um den Ursprung der Röntgen­strahlung. Frank Rieger vom Heidelberger Max-Planck-Institut für Kernphysik hebt hervor: „Diese Entdeckung revolutioniert unser Bild der großskaligen Jets und bringt unser Verständnis der kosmischen Teilchenbeschleunigung einen großen Schritt vorwärts. Es ist zutiefst befriedigend zu sehen, wie sich langfristige Beobachtungs­bemühungen auszahlen. Und es ist zugleich immer wieder erstaunlich, wie uns nahe Freunde überraschen können, wenn wir sie in einem anderen Licht betrachten.“

Die Ergebnisse dieser Studie erforderten umfangreiche Beobachtungen und optimierte Analyse­techniken mit dem derzeit höchst­empfindlichen Observatorium für Gamma­strahlung. Die nächste Teleskop-Generation (Cherenkov Telescope Array, CTA) wird es ohne Zweifel erlauben, diese Phänomene noch viel detaillierter zu untersuchen. Das H.E.S.S. International Observatory in Namibia besteht aus fünf Teleskopen und umfasst Institutionen aus 13 Ländern: hauptsächlich Deutschland und Frankreich, sowie Namibia, Südafrika, Irland, Armenien, Polen, Australien, Österreich, Schweden, das Vereinigte Königreich, die Niederlande und Japan. 

MPIK / DE
 

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