05.10.2018

Ringschauer auf Saturn

Letzte Messungen der Raumsonde Cassini vor dem Absturz zeichnen reich­haltiges Bild des Saturn­systems.

Die Raumsonde Cassini gehört zu den großen Erfolgsgeschichten der NASA. Im Jahr 1997 gestartet, kam sie 2004 am Saturn an und konnte den Planeten zwölf Jahre lang ein­gehend unter­suchen. Das Multi­milliarden-Dollar-Projekt hat nicht nur das Ver­ständnis des Gas­riesen funda­mental voran­ge­bracht, sondern auch den Nach­weis erbracht, dass unter der Ober­fläche eisiger Gas­riesen-Monde poten­ziell lebens­freund­liche Bedin­gungen herrschen. Um die Saturn­monde, insbe­sondere Ence­ladus, vor einer mög­lichen Konta­mina­tion mit irdischen Bakterien zu bewahren, lenkte die NASA Cassini in einem „Grand Finale“ genannten Schluss­spurt schließ­lich in den Gas­planeten.

Abb.: Die Strahlungsringe des Planeten Saturn sind segmen­tiert, da seine Monde und Ringe die hoch­energe­tischen Protonen absor­bieren. Der innerste Strah­lungs­ring beim D-Ring wurde erst bei den letzten tiefen Orbits von Cassini ent­deckt. (Bild: MPS / JHU)

Dabei nutzten die Missionsplaner die langsam zur Neige gehenden Treib­stoff­reserven von Cassini, um die Sonde vor dem Absturz auf Saturn noch auf unge­wöhn­liche Bahnen zu bringen, die man in einem frühen Missions­stadium nicht riskiert hätte. So konnte Cassini noch einige Regionen durch­fliegen, die bis­lang uner­forscht geblieben waren. Zunächst flog Cassini zwanzig Mal scharf an den äußeren Kanten der Saturn­ringe vorbei. Dann nahm sie nach einem Vorbei­flug an Titan Kurs Saturn und durch­flog die Region zwischen dem Planeten und der inneren Kante der Ringe – und zwar 22 Mal in ver­schie­denen, stark geneigten Orien­tie­rungen, um mög­lichst viel­fältige Messungen zu erhalten. Dabei konnte Cassini als erste Raum­sonde über­haupt diese Region inner­halb der Ringe erkunden und Messungen bis in eine Höhe von gerade einmal 1600 Kilo­metern über dem Planeten machen. Schließ­lich trat Cassini mit einer Geschwin­dig­keit von 35 Kilo­metern pro Sekunde in die ober­sten Atmo­sphären­schichten des Gas­riesen ein und ver­glühte.

Bei der Analyse des Magnetfelds stieß ein Forscher­team um Michele Dougherty vom Imperial College London auf kleine, aber lang­lebige magne­tische Struk­turen in und um den Planeten. Die Ursache hierfür ist wohl ein komplexer Dynamo­prozess, der sich durch ver­schie­dene Schichten inner­halb der Saturn­atmo­sphäre zieht. Inner­halb der Atmo­sphäre ändert sich die Leit­fähig­keit sehr stark in Abhän­gig­keit vom Radius. Wie die Berech­nungen der Forscher zeigen, liegt die Dynamo­tätig­keit wohl in elektro­magne­tischer Induk­tion begründet, die mindes­tens ein Achtel des Saturn­radius unter seiner Ober­fläche statt­findet.

Forscher um Elias Roussos vom MPI für Sonnensystem­forschung konnten einen neuen Strah­lungs­gürtel um den Saturn ent­decken, der sich inner­halb der Ringe befindet. Es war bereits bekannt, dass das starke magne­tische Dipol­feld des Saturn hoch­energe­tische Teil­chen in diversen Strah­lungs­gürteln ein­fangen kann, die durch die Monde und das Ring­system in ver­schie­dene Segmente unter­teilt sind. Mit Hilfe des Magneto­sphere Imaging Instru­ment gelang es nun, knapp über der Ober­fläche des Gas­riesen einen weiteren Strah­lungs­gürtel zu beob­achten, der sich über den inneren D-Ring erstreckt und von den anderen Strah­lungs­gürteln getrennt ist.

Ein anderes Team um Laurent Lamy von der Pariser Sorbonne nahm sich die starken Radio­emis­sionen vor, die von den Polar­licht­zonen aus­gehen. Solche Emis­sionen, die von allen Planeten mit Magnet­feld bekannt sind, lassen sich nur mit Messungen vor Ort gut ver­stehen. Die Forscher kombi­nierten Messungen von Radio­wellen und Plasma, wobei sie Radio­wellen in Bereich von rund einem Dutzend Kilo­hertz nach­weisen konnten, die stark korre­liert waren mit den zeit­lich vari­ablen Elek­tronen­dichten in der Magneto­sphäre.

Die Saturnringe bestehen zum größten Teil aus Wassereis. Woraus sie sonst noch gemacht sind, hat sich bis­herigen Analysen aber ent­zogen. Ein Team um Hsiang-Wen Hsu von der Univer­sity of Colo­rado in Boulder hat nun die Staub­partikel analy­siert, die von den Ringen auf Saturn herab­regnen. Dank der tiefen letzten Orbits von Cassini ließ sich auch dieser stete Material­trans­port unter die Lupe nehmen. Neben Wasser­eis fanden die Forscher auch Sili­kate, beides in winzigen Körner­größen von typischer­weise einigen Dutzend Nano­metern. Über­raschender­weise war der Anteil der Sili­kate im „Ring­regen“ mit rund dreißig Prozent deutl­ich höher als im Ring­material, das zu mindes­tens 95 Prozent aus Wasser­eis besteht. Es bleibt zu klären, wie dies mit dem Zusammen­spiel von Gravi­ta­tion und Magnet­feld zusammen­hängt, das den Ring­regen bewirkt.

Ein Team um Donald Mitchell von der John Hopkins Univer­sity in Laurel unter­suchte, welche Prozesse den Ring­regen verur­sachen. Dabei fanden sie unter anderem Kolli­sionen zwischen dem Wasser­stoff der Exo­sphäre und den Staub­partikeln des inner­sten D-Rings. Dieser Staub­regen führt zu einem Massen­ver­lust dieses Rings an die Saturn­atmo­sphäre von rund fünf Kilo­gramm pro Sekunde.

Der gesamte Massenverlust ist aber wesentlich höher und beruht noch auf weiteren Mecha­nismen, wie ein Team um Jack Waite vom South­west Research Insti­tute in San Antonio anhand der Daten des Ion and Neutral Mass Spectro­meter fest­stellen konnte. Der gesamte Ring­regen kommt dabei eher einem Wolken­bruch gleich: Er erreicht eine Größen­ordnung von zehn Tonnen pro Sekunde. Dabei fanden die Wissen­schaftler neben Wasser uner­wartet auch Methan sowie Ammoniak, mole­ku­laren Stick­stoff, Kohlen­stoff­monoxid und Kohlen­stoff­dioxid. Die chemische Zusammen­setzung der Saturn­ringe ist also komplexer als bis­lang gedacht: Die inner­sten Ringe sind zu einem wesent­lichen Teil durch­setzt mit orga­nischem Material. Und lang­fristig gesehen könnte dieser Material­trans­port sogar die Zusammen­setzung der oberen Saturn­atmo­sphäre ver­ändern. Es ist aber nicht klar, ob dieser starke Ring­regen auch typisch ist, denn er würde die Lebens­dauer der Ringe stark begrenzen. Es könnte durchaus sein, dass gerade ein untypisch starker Schauer zu beob­achten ist, der etwa durch die Passage eines Kometen in jüngerer Ver­gangen­heit ein­ge­läutet wurde.

Diese Ergebnisse liefern ein sehr detailliertes Bild von den Zuständen rund um Saturn – ver­mut­lich ein deut­lich komple­xeres Bild als das, was die Ent­wickler von Cassini vor über zwanzig Jahren vor Augen hatten. Noch sind die Analysen aber nicht abge­schlossen und zahl­reiche weitere Erkennt­nisse zu erwarten.

Dirk Eidemüller

RK

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