22.08.2016

Röntgenlaser filmt Proteine

Serielle Kristallographie erhöht die Quote, mit der Röntgenpulse auf Proteinkristalle treffen.

Einige der schnellsten Prozesse in unserem Körper laufen in Proteinen ab, die durch Licht angeregt werden. So sorgt das Protein Rhodopsin dafür, dass unsere Augen ihre sich laufend verändernde Umgebung schnell erfassen können. Freie-Elektronen-Röntgen­laser wie der SwissFEL am Paul Scherrer Institut PSI erlauben nun zum ersten Mal, solche Prozesse in flagranti zu erwischen. Freie-Elektronen-Röntgen­laser erzeugen extrem kurze und inten­sive Pulse aus Röntgenlicht. Weltweit sind derzeit erst zwei solcher Anlagen in Betrieb. Ein inter­nationales Team unter der Leitung des PSI hat nun erfolgreich gezeigt, wie man die ultra­schnellen Prozesse, mit denen Proteine ihre Arbeit machen, mit Freie-Elektronen-Röntgen­lasern erforschen kann. Als Modell­organismus nutzten sie eine einfache Mikrobe, welche Licht in chemische Energie umwandeln kann.

Abb.: Der Injektor injiziert winzige Proteinkristalle in den Röntgenpulsstrahl. Er benötigt pro Experiment nur wenige Milligramm der kostbaren Kristalle. (Bild: M Dzambegovic, PSI)

Den wenigsten von uns ist bewusst, dass in unserem Körper permanent komplexe Prozesse ablaufen, die aus unserer Sicht simple Wahr­­nehmungen wie Sehen überhaupt erst möglich machen. Dass uns Sehen trotzdem als eine unmittel­bare, direkt zu uns gehörende Erfahrung erscheint, hat einen Grund: Die darin invol­­vierten Prozesse laufen derart schnell ab, dass wir sie einfach nicht mitbekommen. Einen Augen­schlag können wir gerade noch bemerken. Bio­logische Prozesse können aber bis zu einer Milliarde Mal schneller sein, ins­besondere, wenn Licht darin involviert ist.

Weltweit nutzen Forschende für die Unter­­suchung solcher ultra­­schneller Prozesse das Protein Bacterio­­rhodopsin. Es hat eine Schlüssel­­funktion in bestimmten einfachen Mikroben, allen voran aus der Gruppe der Halo­­bakterien. Wird diesen Kleinst­­lebewesen der Sauerstoff zu knapp, nutzen sie Licht anstelle des Sauer­stoffs zur Energie­­gewinnung. Das Bacterio­­rhodopsin ist ein Membran­­protein, sitzt also in der Aussenhaut der Zelle. Fällt Licht darauf, verändert es seine Form und stösst den Prozess der Umwandlung in chemische Energie an. Für die Forscher ist das Protein ein wichtiges Modell­protein, können sie an ihm doch Methoden testen, die sich später auf komplexere Membran­proteine anwenden lassen. Wie zum Beispiel auf den grossen Bruder des Bacterio­rhodopsins, das Protein Rhodopsin, welches dafür sorgt, dass unsere Augen ihre sich laufend verändernde Umgebung schnell erfassen können.

Seit Langem versuchen Forscher die ultra­schnellen Prozesse, die tagein, tagaus in Proteinen ablaufen, im Detail zu verstehen. Mit Freie-Elektronen-Röntgen­lasern wie dem SwissFEL, der gerade am Paul Scherrer Institut PSI fertig­gestellt wird, wird das nun erstmals möglich: Diese Anlagen erzeugen eine schnelle Abfolge von extrem kurzen und inten­siven Pulsen aus Röntgen­licht, mit denen man die einzelnen Schritte ultra­schneller Prozesse ausleuchten und sie sozusagen als molekularen Film darstellen kann. Um das Poten­zial der Freie-Elektronen-Röntgen­laser optimal nutzen zu können, entwickeln PSI-Forscher neue Ex­perimentier­methoden. Das zur Zeit viel versprechendste Verfahren heisst serielle Kristal­lografie. Es wurde speziell für den Einsatz an Freie-Elektronen-Röntgen­lasern entwickelt, kann aber auch an Synchro­tronen für die Untersuchung des Aufbaus von Biomolekülen genutzt werden.

Die Idee, wie man durch Licht aktivier­bare Proteine wie das Bacterio­rhodopsin mit der seriellen Kristal­lografie in Aktion erforschen kann, ist in der Theorie simpel. Man stellt viele iden­tische Proben her, löst mit einem optischen Laser bei den Proben in präzise abge­stimmten Zeit­intervallen den gewünschten Prozess aus und injiziert die Proben einzeln in den Röntgen­puls­strahl des Röntgen­lasers. Die Pulse durchleuchten dann die einzelnen Proben. Indem man aus dem dabei abgelenkten Licht auf den Zustand des Proteins bei einem bestimmten Prozess­schritt zurückrechnet, erhält man Bild für Bild die einzelnen Prozess­schritte. Diese lassen sich in Folge zu einem Film zusammen­setzen.

So ein­leuchtend die Theorie ist – in der Praxis haben die Forscher mit den Tücken ihrer Forschungs­objekte zu kämpfen. Damit in der Probe das auf sie treffende Röntgenlicht hinreichend stark abgelenkt werden kann, muss sie in Kristall­form vorliegen. Und bisher war eine grosse Anzahl solcher Protein­kristalle notwendig, um ultraschnelle Prozesse darstellen zu können. Deren Herstel­lung ist aber sehr zeit­aufwendig und kosten­intensiv – insbesondere für die wichtige Gruppe der Membran­proteine, zu denen auch der eingangs erwähnte Lichtsensor Rhodopsin gehört. Wie man auch diese schwierigen Proteine ihrer Erforschung zugänglich machen kann, hat nun ein inter­nationales Team unter der Leitung des PSI am kali­fornischen Freie-Elektronen-Röntgen­laser LCLS in Stanford gezeigt. Das Ziel war, die Anzahl der benötigten Kristalle drastisch zu senken.

Die Forscher injizierten Bacterio­rhodopsin-Kristalle mit einem speziellen Injektor in den Röntgen­strahl. In diesem Injektor sind die nur ein paar Mikro­meter kleinen Kristalle in eine Flüssig­keit eingebettet, die extrem zäh ist. Und zwar so zäh, dass der Injektor pro Minute weniger als zwei Mikroliter davon in den Röntgenstrahl fliessen lässt. „Dadurch konnten wir die Treffer­quote der Röntgen­pulse entscheidend erhöhen und verlieren weniger Kristalle als bei anderen Verfahren“, sagt Przemyslaw Nogly. Brauchen bisherige Verfahren mehrere Gramm der kostbaren Protein­kristalle, reichen nun wenige Milligramm. Dass sich die Experimente mit dem Verfahren in Raum­temperatur durchführen lassen, ist ein weiterer ent­scheidender Vorteil des Verfahrens.

Den für ihr Experiment ein­gesetzten Injektor haben die Forscher nach Stanford mitgebracht. Auf diese Weise konnten sie wichtige Er­fahrungen sammeln. Denn der Injektor soll später am SwissFEL eingesetzt werden, an dem 2017 die ersten Pilot­experimente starten. „Für uns ist es wichtig, die für den SwissFEL geplanten Methoden bereits im Vorfeld an anderen Röntgen­lasern zu testen“, sagt Christopher Milne. Er entwickelt für den SwissFEL jene Experi­mentier­station, an der die serielle Kristal­lografie nach seiner Inbe­triebnahme zur Anwendung kommen soll, und war auch in Stanford dabei. So ließ sich die Ex­perimentier­stationen gleich in Richtung der State-of-the-Art-Methoden optimieren.

PSI / JOL

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