24.08.2020 • OptikMedizinphysik

Röntgenmikroskopietechnik liefert Einsichten in Lungengewebe bei Covid-19-Erkrankungen

Neues Bildgebungsverfahren zeigt durch das Virus hervorgerufenen Veränderungen der Lungenbläschen.

Forscher der Uni Göttingen und der MH Hannover haben ein neues Bildgebungs­verfahren entwickelt, mit dem geschädigtes Lungen­gewebe nach Erkrankung an Covid-19 hochaufgelöst und drei­dimensional darge­stellt werden kann. Dafür nutzen sie eine besondere Röntgen­mikro­skopie­technik genutzt, um die durch das Virus hervor­gerufenen Verände­rungen der Lungen­bläschen, der Alveolen, und der Blutgefäße darzu­stellen.

Abb.: Schnitte durch das dreidimensionale Rekonstruktionsvolumen (links oben,...
Abb.: Schnitte durch das dreidimensionale Rekonstruktionsvolumen (links oben, grau) um ein Lungenbläschen mit Hyalinmembran (links unten, gelb), rechts eine Überblendung. Im Zentrum befindet sich das Luftbläschen. (Bild: T. Salditt, M. Eckermann, GAU)

Bei schweren Krankheits­verläufen von Covid-19 zeigen sich starke Veränderungen der Gefäß­architektur, zahlreiche Entzündungen, Thromben und hyaline Membranen, die sich durch Ausscheidung von Protein- und Zellresten auf die Alveolar­wände legen und den Gasaustausch erheblich erschweren. Mit dem neuen zerstörungs­freien Verfahren lassen sich diese Schäden erstmals großräumig und drei­dimensional darstellen, ohne das Gewebe durch Schnitte und Färbung zu verändern. Das Verfahren eignet sich damit besonders zur Darstellung der Verästelung kleinster Gefäße, zur Bestimmung der räumlichen Verteilung von Immun­zellen im Gewebe und zur Messung der Trenn­schichten zwischen Blutzellen und den Luftbläschen, etwa für die Simulation des Gas­austausches.

„Die in Wachs eingebetteten Lungen­gewebe­proben konnten vor einer Detail-Unter­suchung auch großräumig durch­strahlt werden, um besonders interessante Bereiche um Entzündungen, Blutgefäße oder Bronchien herum zu lokali­sieren“, sagt Tim Salditt von Institut für Röntgen­physik der Uni Göttingen. Da die Röntgen­strahlung tief genug eindringt, kann die Brücke von der makro­skopischen zur mikro­skopischen Struktur geschlagen werden. Die räumliche Anordnung von Blutgefäßen bis hinunter zu den kleinsten Kapillaren kann damit für die Pathologen sichtbar gemacht werden.

Dreidimensionale Bildgebung kennt man aus der herkömm­lichen Computer-Tomographie. Bei der Phasen­kontrast-Methode entsteht das Bild aber nicht wie bei der klassischen CT durch unter­schied­liche Abschwächung der Röntgen­strahlung im Gewebe, sondern durch winzige Laufzeit­unter­schiede der Röntgen­welle und den daraus resultie­renden Verschiebungen der Wellen­front. Durch Ausbreitung der Röntgen­welle zwischen Probe und Detektor entsteht ein wellen­artiges Muster, aus dem dann aller­dings erst noch ein scharfes Bild errechnet werden muss.

Salditt und seine Arbeitsgruppe haben speziellen Algorithmen und Beleuchtungs­optiken entwickelt, mit denen sich die Gewebe­struktur scharf und drei­dimensional darstellen lässt. Dabei kann die Vergrößerung stufenlos eingestellt werden und auch Millimeter oder entimeter­große Gewebe­proben können ohne Schnitte oder Anfärbung dargestellt werden. Je nach Einstellung, können damit auch Strukturen sichtbar gemacht werden, die mit herkömm­licher Licht­mikro­skopie nicht mehr aufgelöst werden können. Um dies zu erreichen, nutzt das Göttinger Team hoch­brillante Röntgenstrahlung, welche am Speicherring PETRA III des Deutschen Elektronen-Synchrotrons in Hamburg erzeugt wird.

Das Forscherteam hofft, dass mit der neuen Methode die Entwicklung von Behandlungs­methoden und Wirk­stoffen unterstützt werden kann, um schwere Lungen­schäden bei Covid-19 zu verhindern, zu lindern oder die Regeneration zu fördern. „Erst wenn man sieht was passiert, kann man Mittel und Eingriff ziel­gerichtet entwickeln“, so Danny Jonigk von der MH Hannover.

GAU / RK

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