Rote Riesen: Schnelle Rotation im Inneren
Asteroseismologische Messungen mit dem Satellitenteleskop Kepler bestätigen erstmals theoretische Vorhersage der differenziellen Eigendrehung alternder Sterne.
Die Kerne Roter Riesensterne drehen sich rund zehnmal schneller als ihre Oberfläche. Dieses von der Theorie der Sternentwicklung vorhergesagte Phänomen konnte ein internationales Forscherteam nun erstmals anhand von Beobachtungen bestätigen. Die Astronomen um Paul Beck von der Universität Löwen in Belgien wiesen mithilfe des Weltraumteleskops Kepler bei drei Roten Riesen Schwingungszustände nach, die sich nur mit einer solchen starken differenziellen Rotation erklären lassen.
Abb.: Blick in das Innere eines Roten Riesen: Der heiße Kern rotiert mehr als zehnmal schneller als die Oberfläche des Sterns (grafische Darstellung). (Bild: P. G. Beck / KU.Leuwen,Belgien)
„Wenn ein Stern das Wasserstoffkernbrennen einstellt, kontrahiert der Kern und die Hülle dehnt sich aus“, erläutert Beck den Übergang von einem Hauptreihenstern zu einem Roten Riesen. „Entsprechend der Erhaltung des Drehmoments muss der Kern dadurch schneller und die Hülle langsamer rotieren.“ Der direkten Beobachtung ist jedoch nur die äußere Hülle des Sterns zugänglich. Sie rotiert bei Roten Riesen tatsächlich sehr langsam – eine vollständige Umdrehung dauert etwa ein Jahr.
Einen Blick in das Innere des Sterns erlaubt die Methode der Asteroseismologie. Ähnlich wie bei seismologischen Untersuchungen des Erdinneren analysieren die Forscher hier die Ausbreitung von Schwingungen in den Sternen. „Diese Wellen dringen tief in den Stern ein, werden aber bei einer bestimmten Tiefe, wenn die Dichte im Inneren des Sternes zu groß wird, an die Oberfläche zurückgeschickt und äußern sich dort durch rhythmische Helligkeitsschwankungen“, so Beck.
Das amerikanische Weltraumteleskop Kepler kann selbst minimale Helligkeitsschwankungen mit hoher Genauigkeit messen. Eigentlich soll das Instrument damit Planeten aufspüren, die vor ihren Sternen vorüberziehen – und bei dieser Aufgabe ist es auch höchst erfolgreich. Quasi als Abfallprodukt entdeckt Kepler aber auch bislang unbekannte, geringfügige Helligkeitsschwankungen aufgrund anderer physikalischer Ursachen.
In diesem Frühjahr entdeckte das Team um Beck so zum ersten Mal Schwingungsmoden in Roten Riesen, die den ganzen Stern durchlaufen, also auch die Zentralregion. „Damit hatten wir erstmals auch Zugang zum tiefsten Inneren Roter Riesensterne“, so der Forscher. Beck und seine Kollegen wählten drei besonders geeignete Sterne aus dem Kepler-Datensatz aus und analysierten die über einen Zeitraum von über 500 Tagen ununterbrochen beobachteten Schwingungen weiter.
Die Wissenschaftler verglichen die Moden, die nur durch die äußeren Schichten laufen, mit jenen, die auch den Kern durchqueren. Dabei stellten sie fest, dass die Rotationsrate zunimmt, je tiefer eine Welle in den Stern vordringt. Mithilfe von Computermodellen konnten Beck und sein Team schließlich die Rotationsrate des Kernes auf mindestens das zehnfache der Rotationsrate der Oberfläche bestimmen.
„Das interne Rotationsprofil war immer eine der großen Unbekannten in den theoretischen Sternmodellen“, sagt Beck. „Rotation und stellare Evolution stehen aber in einem engen Zusammenhang. So ruft die Rotation Transportprozesse hervor, die die Schichten weiter durchmischen und sogar durch Zuführung von frischem Wasserstoff in den Kern die stellare Entwicklung verlängern können.“ Eine genaue, durch Beobachtungen abgesicherte Kenntnis des Rotationsprofils sei also für die Theorie der Sternentwicklung von großer Bedeutung.
Mit weiteren Beobachtungen wollen Beck und seine Kollegen nun den internen Rotationsgradienten in einem größeren Sample von Sternen mit asteroseismologischen Methoden untersuchen. „Dabei werden wir auch Rote Riesen einbeziehen, die bereits Helium in ihrem Kern verbrennen“, so Beck. In dieser Phase dehnt sich der Kern wieder aus, während die Hülle etwas kontrahiert. Die Astrophysiker erwarten daher, dass der Kern etwas langsamer, die Hülle dafür etwas schneller rotiert als bei den bisher untersuchten Roten Riesen.
Rainer Kayser