30.06.2020

Roter Riese mit Makeln

Sternflecken erklären ungewöhnlich starken Helligkeitsabfall von Beteigeuze.

Rote Riesensterne wie Beteigeuze unterliegen häufigen Helligkeits­schwankungen. Der markante Abfall der Leuchtkraft von Beteigeuze auf etwa vierzig Prozent seines Normalwertes zwischen Oktober 2019 und April 2020 kam für die Astronomen jedoch überraschend. Wissenschaftler haben verschiedene Szenarien entwickelt, um diese mit dem bloßen Auge wahrnehm­bare Veränderung des knapp 500 Lichtjahre entfernten Sterns zu erklären. Einige Astronomen spekulierten gar über eine unmittelbar bevorstehende Supernova. Eine inter­nationale Gruppe von Astronomen unter der Leitung von Thavisha Dharma­wardena vom Max-Planck-Institut für Astro­nomie MPIA in Heidelberg, hat nun gezeigt, dass Temperatur­schwankungen der Photosphäre, der leuchtenden Oberfläche des Sterns, die Helligkeit veränderte. Die plausibelste Quelle für solche Temperatur­änderungen sind gigantische kühle Sternflecken, ähnlich wie Sonnen­flecken, die jedoch fünfzig bis siebzig Prozent der Stern­oberfläche bedecken.

Abb.: Künst­lerische Darstellung des Roten Über­riesen Betei­geuze. Seine...
Abb.: Künst­lerische Darstellung des Roten Über­riesen Betei­geuze. Seine Oberfläche ist von großen Stern­flecken bedeckt, die seine Helligkeit vermindern. Solche Sterne geben während ihrer Pulsa­tionen regel­mäßig Gas an die Umgebung ab, das zu Staub konden­siert. (Bild: MPIA)

„Gegen Ende ihres Lebens werden Sterne zu roten Riesen“, erklärt Dharmawardena. „Hervor­gerufen durch den zur Neige gehenden Vorrat an Brennstoff verändern sich die Prozesse, mit denen die Sterne Energie freisetzen. In der Folge blähen sie sich auf, werden instabil und pulsieren mit Perioden von Hunderten oder sogar Tausenden Tagen, was wir als Schwankung der Hellig­keit wahrnehmen.“ Beteigeuze ist ein roter Überriese, ein Stern, der im Vergleich zu unserer Sonne etwa die 20-fache Masse hat und etwa 1000-mal größer ist. Befände er sich im Zentrum des Sonnen­systems, würde er fast die Umlaufbahn von Jupiter erreichen. 

Wegen seiner Ausdehnung ist die Schwerkraftwirkung auf der Stern­oberfläche geringer als auf einem Stern gleicher Masse aber kleinerem Radius. Die äußeren Schichten des Sterns werden daher relativ leicht durch die Pulsationen abgestoßen. Das frei­gesetzte Gas kühlt ab und entwickelt sich zu Verbindungen, die Astronomen Staub nennen. Deswegen sind rote Riesensterne eine wichtige Quelle von schweren Elementen im Universum, aus denen sich schließlich Planeten und Lebewesen entwickeln. Astronomen haben bisher die Erzeugung von licht­absorbierendem Staub als die wahrscheinlichste Ursache für den starken Helligkeitsabfall angesehen. Um diese Hypothese zu testen, werteten Thavisha Dharma­wardena und ihre Kollaborations­partner neue und archivierte Daten des Atacama Pathfinder Experiments (APEX) und des James Clerk Maxwell-Teleskops (JCMT) aus. Diese Teleskope messen Strahlung aus dem Spektral­bereich der Submilli­meterwellen. Für das Auge unsichtbar nutzen Astronomen sie bereits längere Zeit, um interstellaren Staub zu untersuchen. Insbesondere kühler Staub leuchtet bei diesen Wellenlängen.

„Was uns überraschte: Beteigeuze wurde auch im Bereich der Submilli­meterwellen um zwanzig Prozent dunkler“, berichtet Steve Mairs vom East Asian Observatory. Ein solches Verhalten ist erfahrungsgemäß nicht mit der Anwesenheit von Staub vereinbar. Für eine präzisere Bewertung berechnete die Forschungs­gruppe, welchen Einfluss Staub auf die Messungen in diesem Spektral­bereich haben würde. Es stellte sich heraus, dass eine Abnahme der Helligkeit im Submillimeter­bereich tatsächlich nicht auf eine Zunahme der Staubproduktion zurückgeführt werden kann. Vielmehr muss der Stern selbst die von den Astronomen gemessene Helligkeits­änderung verursacht haben.

Physikalische Gesetze besagen, dass die Leuchtkraft eines Sterns von seinem Durchmesser und besonders stark von seiner Oberflächen­temperatur abhängt. Verringert sich nur die Größe des Sterns, sinkt die Helligkeit in allen Wellenlängen gleich stark. Temperaturänderungen beeinflussen die Abstrahlung entlang des elektro­magnetischen Spektrums jedoch unter­schiedlich. Die gemessene Verdunkelung im sichtbaren Licht und in den Submillimeter­wellen ist nach Ansicht der Wissenschaftler daher ein Beleg für eine Verringerung der mittleren Oberflächen­temperatur von Beteigeuze, die sie auf 200 Kelvin beziffern. „Wahrscheinlicher ist jedoch eine ungleiche Temperatur­verteilung“, erklärt Peter Scicluna von der Europäischen Südstern­warte. Entsprechende hochauflösende Bilder von Beteigeuze vom Dezember 2019 zeigen Bereiche mit unter­schiedlicher Helligkeit. Zusammen mit unserem Ergebnis ist dies ein klarer Hinweis auf riesige Sternflecken, die zwischen fünfzig und siebzig Prozent der sichtbaren Oberfläche bedecken und eine niedrigere Temperatur als die hellere Photosphäre aufweisen.“ Sternflecken kommen bei Riesensternen häufig vor, allerdings nicht in diesem Ausmaß. Über ihre Lebensdauer ist nicht viel bekannt. Jedoch scheinen theoretische Modell­rechnungen mit der Dauer des Helligkeits­einbruchs von Beteigeuze vereinbar zu sein.

Von der Sonne wissen wir, dass die Anzahl der Flecken in einem 11-jährigen Zyklus zu- und abnimmt. Ob Riesensterne einen ähnlichen Mechanismus haben, ist ungewiss. Ein Hinweis darauf könnte das vorige Helligkeits­minimum darstellen, das bereits deutlich stärker ausgeprägt war als diejenigen in den Jahren davor. „Beobachtungen in den kommenden Jahren werden erweisen, ob der starke Abfall der Helligkeit Betei­geuzes im Zusammen­hang mit einem Flecken­zyklus liegt. Beteigeuze bleibt jedenfalls auch für zukünftige Studien ein spannendes Objekt“, sagt Dharma­wardena.

MPIA/ JOL

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