05.10.2016

Rotor aus Schaum

Leichtere Rotorblätter aus Kunststoffschäumen für Offshore-Windräder.

Die Tendenz zu immer größeren Offshore-Wind­energie­anlagen ist ungebrochen. Windräder mit bis zu 80 Meter langen Rotor­blättern und einem Rotor­durchmesser von über 160 Metern sollen für maximale Energie­ausbeute sorgen. Da die Länge der Blätter durch ihr Gewicht begrenzt wird, müssen leichte Systeme mit großer Material­festigkeit entwickelt werden. Die Reduktion von Gewicht erleichtert die Montage, den Abbau sowie die Stabilität der Anlagen auf See. Im EU-Projekt WALiD (Wind Blade Using Cost-Effective Advanced Lightweight Design) widmen sich Wissen­schaftler des Fraunhofer-Instituts für Chemische Techno­logie ICT in Pfinztal in enger Zusammen­arbeit mit zehn Partnern aus Industrie und Forschung dem Leicht­baudesign von Rotor­blättern. Durch eine Verbesserung von Design und Material soll das Gewicht reduziert und damit die Lebens­dauer verlängert werden.

Abb.: Windrad mit Rotorblätter aus thermoplastischen Sandwichmaterialien.(Bild: Fh.-ICT)

Heutzutage werden Rotor­blätter für Windkraft­anlagen größten­teils in Handarbeit aus duromeren, aus­härtenden Harz­systemen hergestellt. Diese lassen sich nicht aufschmelzen und sind für werkstoff­liches Recycling ungeeignet. Allenfalls werden Granulate aus duromeren Altkunst­stoffen als Füll­stoffe in einfachen Anwendungen wieder­verwertet. „Im WALiD-Projekt verfolgen wir ein völlig neues Blatt­konzept. Wir wechseln die Material­klasse und verwenden für Rotor­blätter erstmals thermo­plastische, schmelzbare Kunst­stoffe, die wir mit Hilfe von auto­matisierten Fertigungs­anlagen effizient verarbeiten können“, sagt Florian Rapp, Wissen­schaftler am ICT. Ziel ist es, die enthaltenen Glas- und Kohlenstoff­fasern zu separieren und das thermo­plastische Matrix­material wieder­zuverwerten.

Für die Außen­hülle des Rotor­blatts sowie für Segmente der inneren Trag­struktur verwenden die Projekt­partner Sandwich­materialien aus thermo­plastischen Schäumen und faser­verstärkten Kunst­stoffen. Generell werden für die höchst­belasteten Bereiche des Rotor­blatts kohlen­stofffaser­verstärkte Thermo­plaste eingesetzt, wohingegen Glasfasern die weniger belas­teten Bereiche verstärken. Für den Sandwich­kern entwickeln Rapp und sein Team thermo­plastische Schäume. Diese werden in Sandwich­bauweise mit Deck­lagen aus faser­verstärkten Thermo­plasten miteinander verbunden – eine Kombi­nation, die die mecha­nische Festig­keit, die Leistungs- und Widerstands­fähigkeit sowie die Lang­lebigkeit des Rotor­blatts verbessert. „Mit unseren thermo­plastischen Schäumen beschreiten wir neue Wege“, so der Forscher.

Die Schäume des ICT bieten bessere Eigen­schaften als bisherige Material­systeme und ermöglichen so völlig neue Anwendungen – etwa im Automobil­bereich sowie in der Luft- und Schiff­fahrt. Im Fahrzeug nutzen Her­steller geschäumte Stoffe bislang beispielsweise in der Sonnen­blende oder im Sitz­bereich, aber nicht für last­tragende Strukturen. Die aktuellen Schäume haben Limitationen, etwa was die Temperatur­beständig­keit anbelangt. Daher lassen sie sich beispiels­weise nicht als Isolation näher an den Motor verbauen. „Unsere aufschmelz­baren Kunststoff­schäume hingegen sind temperatur­stabil und eignen sich etwa als Dämmmaterial motornaher Bereiche. Sie wider­stehen dauerhaft höheren Tempe­raturen als beispiels­weise expan­dierter Polysterol­schaum (EPS) oder Poly­propylen (EPP). Aufgrund der verbesserten mecha­nischen Eigen­schaften sind sie auch als Türmodul vor­stellbar oder als Versteifungs­element im Sandwich­verbund“, berichtet Rapp. Sie lassen sich zügig ver­arbeiten und sparen Material ein.

Im Vergleich zu nach­wachsenden Sand­wichkernma­terialien wie Balsaholz sind die thermo­plastischen Schäume besser verfügbar. Die Herstellung der inno­vativen Mate­rialien erfolgt in der instituts­eigenen Schaum­extrusions­anlage in Pfinztal. Rapp erläutert den Prozess: „Wir schmelzen das Kunststoff­granulat auf, mischen in die Kunststoff­schmelze ein Treibmittel und schäumen den Werkstoff auf. Die geschäumten, stabi­lisierten Halb­zeuge und Partikeln lassen sich in der Folge beliebig formen und schneiden.“Im Bereich geschäumter Polymere deckt die Arbeits­gruppe Schäum­technologien des ICT die komplette Fertigungs­kette für thermo­plastische Schäume ab: von der Material­entwicklung und Her­stellung extrusions­geschäumter Partikel oder Halbzeuge bis hin zum Formteil­prozess sowie dem fertigen Bauteil.

Fh.-ICT / JOL

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