Rückkehr in den Anfangszustand
Poincarésche Wiederkehr in Quantensystemen aus vielen Teilchen nachgewiesen.
Wenn man ein kompliziertes System sich selbst überlässt, dann kehrt es irgendwann mit fast perfekter Genauigkeit zum Anfangszustand zurück. Dieser Poincarésche Wiederkehrsatz ist die Basis der modernen Chaostheorie. Seit Jahrzehnten wird untersucht, inwieweit er auch in der Welt der Quantenphysik seine Gültigkeit hat. Nun gelang es an der TU Wien erstmals, eine Form von Poincaréscher Wiederkehr in Quantensystemen aus vielen Teilchen nachzuweisen.
Abb.: In der klassischen Physik kann man sich die Poincarésche Wiederkehr durch die Bewegung von Kugeln in einer Box vorstellen. Auch wenn diese mit einem geordneten Zustand beginnt, wird sich dieser Zustand irgendwann wiederholen. (Bild: TU Wien)
„In der Quantenphysik muss man Poincarés Fragestellung völlig neu überdenken“, erklärt Jörg Schmiedmayer von der TU Wien. „Der Zustand eines großen Quantensystems, das aus vielen Teilchen besteht, lässt sich prinzipiell niemals perfekt messen. Außerdem kann man die Teilchen nicht unabhängig voneinander betrachten, man muss berücksichtigen, dass sie quantenphysikalische miteinander verschränkt sind.“
Es gab bereits Versuche, die Poincarésche Wiederkehr mit Quantensystemen zu demonstrieren, allerdings nur mit einigen wenigen Teilchen, deren Quantenzustand man möglichst gut zu messen versuchte. Das ist extrem kompliziert und die Zeit bis zur möglichen Wiederkehr des gewünschten Zustands steigt mit der Anzahl der Teilchen drastisch an. Das Team von Schmiedmayer wählte deshalb einen ganz anderen Zugang. „Uns interessiert nicht der vollständige innere Zustand des Systems, denn der ist ohnehin nicht ermittelbar“, sagt Bernhard Rauer von der TU Wien. „Stattdessen stellen wir die Frage: Welche beobachtbaren Größen gibt es, die uns etwas über das Gesamtsystem sagen? Und gibt es Zeiten, zu denen diese Größen wieder den Wert annehmen, den sie anfangs hatten?“
Untersucht wurde das Verhalten eines ultrakalten Gases aus Tausenden von Atomen, das von elektromagnetischen Feldern auf einem Chip festgehalten wurde. Es gibt verschiedene physikalische Größen, mit denen man ein solches Quantengas charakterisieren kann – zum Beispiel Kohärenzlängen im Gas und Korrelationsfunktionen zwischen unterschiedlichen Punkten. Diese Größen geben an, wie stark die einzelnen Teilchen quantenphysikalisch in Beziehung miteinander stehen.
Beim Messen solcher Größen, die nicht einzelne Teilchen beschreiben, sondern eine Aussage über das ganze Ensemble von Teilchen liefern, gelang es tatsächlich, die viel diskutierten Wiederkehr-
Die alte Frage, ob auch Quantensysteme zum Ursprungszustand zurückkehren, lässt sich also mit Ja beantworten – allerdings ein bisschen anders als man bisher dachte. Anstatt dem vollständigen inneren Zustand eines Systems hinterherzulaufen, der ohnehin nie genau gemessen werden kann, ist es sinnvoller, sich auf die Größen zu konzentrieren, die quantenmechanisch tatsächlich beobachtbar sind. Und diesen Größen kann man dabei zusehen, wie sie von ihrem Anfangszustand wegdriften – und schließlich wieder zurückkehren.
TU Wien / RK