27.02.2018

Rückkehr in den Anfangszustand

Poincarésche Wiederkehr in Quantensystemen aus vielen Teil­chen nach­ge­wiesen.

Wenn man ein kompliziertes System sich selbst überlässt, dann kehrt es irgend­wann mit fast per­fekter Genauig­keit zum Anfangs­zu­stand zurück. Dieser Poin­caré­sche Wieder­kehr­satz ist die Basis der modernen Chaos­theorie. Seit Jahr­zehnten wird unter­sucht, inwie­weit er auch in der Welt der Quanten­physik seine Gültig­keit hat. Nun gelang es an der TU Wien erst­mals, eine Form von Poin­caré­scher Wieder­kehr in Quanten­systemen aus vielen Teil­chen nach­zu­weisen.

Abb.: In der klassischen Physik kann man sich die Poin­caré­sche Wieder­kehr durch die Bewe­gung von Kugeln in einer Box vor­stellen. Auch wenn diese mit einem geord­neten Zustand beginnt, wird sich dieser Zustand irgend­wann wieder­holen. (Bild: TU Wien)

„In der Quantenphysik muss man Poincarés Fragestellung völlig neu über­denken“, erklärt Jörg Schmied­mayer von der TU Wien. „Der Zustand eines großen Quanten­systems, das aus vielen Teil­chen besteht, lässt sich prin­zipiell niemals perfekt messen. Außerdem kann man die Teil­chen nicht unab­hängig von­ein­ander betrachten, man muss berück­sich­tigen, dass sie quanten­physika­lische mit­ein­ander ver­schränkt sind.“

Es gab bereits Versuche, die Poincarésche Wiederkehr mit Quanten­systemen zu demon­strieren, aller­dings nur mit einigen wenigen Teil­chen, deren Quanten­zustand man mög­lichst gut zu messen ver­suchte. Das ist extrem kompli­ziert und die Zeit bis zur mög­lichen Wieder­kehr des gewünsch­ten Zustands steigt mit der Anzahl der Teil­chen drastisch an. Das Team von Schmied­mayer wählte deshalb einen ganz anderen Zugang. „Uns interes­siert nicht der voll­ständige innere Zustand des Systems, denn der ist ohnehin nicht ermittel­bar“, sagt Bernhard Rauer von der TU Wien. „Statt­dessen stellen wir die Frage: Welche beob­acht­baren Größen gibt es, die uns etwas über das Gesamt­system sagen? Und gibt es Zeiten, zu denen diese Größen wieder den Wert annehmen, den sie anfangs hatten?“

Untersucht wurde das Verhalten eines ultra­kalten Gases aus Tausenden von Atomen, das von elektro­magne­tischen Feldern auf einem Chip fest­ge­halten wurde. Es gibt ver­schie­dene physi­ka­lische Größen, mit denen man ein solches Quanten­gas charak­teri­sieren kann – zum Beispiel Kohärenz­längen im Gas und Korre­lations­funktionen zwischen unter­schied­lichen Punkten. Diese Größen geben an, wie stark die ein­zelnen Teil­chen quanten­physi­ka­lisch in Bezie­hung mit­ein­ander stehen.

Beim Messen solcher Größen, die nicht einzelne Teil­chen beschreiben, sondern eine Aussage über das ganze Ensemble von Teil­chen liefern, gelang es tat­säch­lich, die viel disku­tierten Wieder­kehr-Effekte zu messen. Und nicht nur das. „Wir können mit unserem Atom­chip sogar beein­flussen, wie lange die Zeit­dauer sein soll, bis ein bestimmter Mess­zu­stand wieder­kehrt“, berichtet Schmied­mayer. „Durch das genaue Aus­messen der Wieder­kehr lernen wir viel über die kollek­tive Dynamik der Atome. Etwa über die Schall­geschwin­dig­keit im Gas oder wie Dichte­wellen anein­ander streuen.“

Die alte Frage, ob auch Quantensysteme zum Ursprungszustand zurück­kehren, lässt sich also mit Ja beant­worten – aller­dings ein bisschen anders als man bisher dachte. Anstatt dem voll­ständigen inneren Zustand eines Systems hinter­her­zu­laufen, der ohnehin nie genau gemessen werden kann, ist es sinn­voller, sich auf die Größen zu konzen­trieren, die quanten­mecha­nisch tat­säch­lich beob­acht­bar sind. Und diesen Größen kann man dabei zusehen, wie sie von ihrem Anfangs­zustand weg­driften – und schließ­lich wieder zurück­kehren.

TU Wien / RK

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