04.04.2012

Rücktritt statt Zurückhaltung?

Vergangenen September vermeldete das Opera-Experiment überlichtschnelle Neutrinos. Nun ist Opera-Sprecher Antonio Ereditato zurückgetreten.

Neutrinos schneller als Licht wären eine Sensation, Neutrinos so schnell wie Licht sind keine Meldung, aber immerhin zwei Rücktritte wert. Der Sprecher des Opera-Teams Antonio Ereditato ist nämlich am 29. März zurückgetreten, nur einen Tag später folgte ihm der Projektkoordinator Dario Autiero. Sie hatten sich im vergangenen September dafür ausgesprochen, die Messungen der Neutrinogeschwindigkeit durch das Opera-Experiment im italienischen Untergrundlabor Gran Sasso mit einem Artikel im Preprint-Server arxiv publik zu machen.

Dies barg deshalb besondere Brisanz, weil die Daten auf überlichtschnelle Neutrinos hindeuteten, die eindeutig im Widerspruch zur Speziellen Relativitätstheorie standen. Über 60 Nanosekunden waren die Neutrinos demnach schneller, als Einstein erlaubt. Kein Wunder also, dass sich diese Nachricht wie ein Lauffeuer in den Medien verbreitete und Spekulationen über eine Umwälzung der Physik anheizte.

 

Der als Opera-Sprecher zurückgetretene italienische Physiker Antonio Ereditato ist Professor an der Universität Bern und Direktor des dortigen Labors für Hochenergiephysik. (Foto: CERN)

 

Ziel des arxiv-Artikels war es aber in erster Linie, die Physik-Community zu einer Suche nach möglichen Fehlerquellen zu motivieren. Ereditato vertrat dabei die Ansicht, die unerwarteten Ergebnisse öffentlich zu machen, weil dies eine genaue Prüfung nach sich ziehen würde. Von einer definitiven Entdeckung war daher in der Opera-Veröffentlichung keine Rede. Doch die Motive des Opera-Sprechers waren wohl nicht für alle seine Kollegen nachvollziehbar, einige kritisierten, dass die Veröffentlichung verfrüht gewesen sei. Allerdings kursierten schon davor Gerüchte in Blogs.

Die Opera-Kollaboration präsentierte dann Ende Februar selbst zwei mögliche Effekte, die nach allen bisherigen Erkenntnissen die Messung der Neutrino-Flugzeit verfälscht hatten: Der eine hing mit einer defekten Glasfaserverbindung zusammen, die das GPS-Signal zum unterirdischen Opera-Experiment übertrug, der andere mit dem Einfluss eines Oszillators, der die Zeitmarken für die GPS-Synchronisierung setzt. Mitte März bestätigten dann Experimente am Icarus-Detektor, dass sich Neutrinos tatsächlich nicht schneller als das Licht bewegen. Das stützen auch die Analysen des LVD-Detektors, neben Icarus und Opera ein weiterer Neutrino-Detektor im Gran Sasso-Labor.

Angesichts der medial hochschraubten Erwartungen waren diese Nachrichten nicht nur ernüchternd. Was bei einem Praktikumsprotokoll nur zu einem milden Lächeln des Betreuers führen würde, sorgt im Kontext der physikalischen Forschung durchaus für eine gewisse Blamage. Vielleicht hat das Ganze aber auch etwas Gutes, denn sicherlich ist seit Langem nicht mehr so detailliert über die schwierigen Messungen in der Teilchenphysik berichtet worden. Dass im Untergrundlabor Physiker mit einer Stoppuhr auf die Neutrinos vom Cern warten, dürfte auch Laien nicht mehr annehmen.

Alexander Pawlak

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