18.11.2005

Runde zwei im Klimaschutz

In Montréal beginnt am 28. November die erste Klimakonferenz nach In-Kraft-Treten des Kyoto-Protokolls.


Runde zwei im Klimaschutz 

Hamburg (dpa) - Runde Zwei für den internationalen Klimaschutz: Im kanadischen Montréal beginnt am 28. November die erste Klimakonferenz nach In-Kraft-Treten des Kyoto-Protokolls. Ein Schwerpunkt ist die Frage, wie es vom Jahr 2013 an weitergeht mit der Reduzierung der Treibhausgase. Laut Kyoto-Protokoll sollen die Industriestaaten von 1990 bis 2012 ihre Treibhausgase um insgesamt mindestens fünf Prozent reduzieren. Wie sie das im Einzelnen schaffen können, soll ebenfalls in Montréal behandelt werden. Auch wenn die Aussichten derzeit schlecht stehen, dass das Kyoto-Ziel erreicht wird, müssen die Verhandlungen für den nächsten Schritt bald beginnen, wenn der internationale Klimaschutz in gut sieben Jahren auf einer Vertragsbasis fortschreiten soll.

Ein Hauptziel für den nächsten Verhandlungsprozess aus deutscher Sicht ist es, die USA und Australien wieder in den Prozess einzubeziehen. Zudem sollten Schwellenländer wie China, Indien, Brasilien, Südafrika oder Indonesien hinzukommen. Der noch nicht mit Auflagen belegte Flugverkehr sollte ebenfalls berücksichtigt werden und auch die zunehmende Entwaldung, sagt der deutsche Verhandlungsleiter für Montréal, Karsten Sach. «Die Grundstruktur von Kyoto, Emissionen mit einer absoluten Obergrenze zu versehen und ihnen damit einen Preis zu geben, muss fortgesetzt werden.»

Nach den Vorstellungen der Europäischen Union könnte bis zum Jahr 2009 ein ähnliches Papier entstehen, wie das Kyoto-Protokoll. Nach dem Willen der EU sollten die Industriestaaten bis zum Jahr 2020 ihren Kohlendioxid-Ausstoß um 15 bis 30 Prozent vermindern, sagte Sach. Potenziale sieht er auf drei Feldern: im Ausbau erneuerbarer Energien, dem Steigern der Energieeffizienz vor allem in Industrie und Verkehr sowie im Energiesparen.

Die aufstrebende Wirtschaftsmacht China hat bereits angekündigt, den Anteil erneuerbarer Energien bis 2020 auf 15 Prozent zu verdoppeln, auch wenn sich das Land noch gegen von außen auferlegte Regeln wehrt. Sicher nutzen China und Europa auch alternative Techniken, um unabhängiger zu werden vom Öl, meint Stephan Singer, Chef der europäischen Klimaschutzpolitik der Umweltstiftung WWF. «Doch uns ist es letztlich egal, aus welchen Gründen das Klima geschützt wird.»

Der Hauptverursacher der Treibhausgase, die USA, könnte auf längere Sicht wieder zum multilateralen Klimaschutz stoßen, meint Sach und verweist auf die Industrie sowie Klimaschutzrichtlinien in einzelnen Bundesstaaten. «Die derzeitige Zurückhaltung der Regierung repräsentiert nicht das gesamte Bild der USA.» Ein Großteil der US- Industrie wolle schon aus wirtschaftlichen Gründen die Zukunftsmärkte in der umweltfreundlichen Energietechnik erobern. «Die Regierung wird sich dem auf Dauer nicht entziehen können.»

Für Entwicklungsländer werden laut Sach unter anderem folgende Wege einer Einbeziehung in den Klimaschutz erörtert: Sie bekommen ein Klimaschutzziel aber keine Sanktion, wenn sie es nicht erreichen. Falls sie es übererfüllen, können sie für das eingesparte Kohlendioxid im weltweiten Emissionshandel Geld erhalten. Diskutiert werden auch Ziele für nur einzelne Wirtschaftsbereiche, etwa für den Automobil- oder Zementsektor.

Große Interessen haben die Entwicklungsländer weiterhin an Hilfen zur umweltfreundlichen Entwicklung (CDM). Einen Teil ihrer Reduktionsverpflichtungen können Industrieländer dadurch abgelten, dass sie moderne Energietechnik in ärmeren Ländern installieren. Auch von sich aus haben ärmere Länder Interesse an dieser Technik: «In Zeiten hoher Energiepreise leidet Afrika am meisten», sagt Sach. Der der Ausbau der CDM-Projekte wird ebenfalls in Montréal diskutiert.

Eine Klimaerwärmung von weniger als zwei Grad Celsius wird von vielen Forschern als noch erträglich für Mensch und Umwelt angesehen. Dafür sei eine Verminderung des Kohlendioxidausstoßes um weltweit 60 bis 80 Prozent bis zum Jahr 2050 nötig, erläutert Singer. «Das ist ein ambitioniertes Ziel.» Der Erfolg hänge vor allem davon ab, welche bereits existierenden sauberen Technologien sofort eingesetzt werden.

Das UN-Klimasekretariat bremste für die Konferenz in Montréal bereits die Hoffnungen auf entscheidende Weichenstellungen: Die Konferenz werde noch kein Mandat für Verhandlungen für die Zeit nach 2012 verabschieden, erklärte der amtierende Vorsitzende des UN-Klimasekretariats, Richard Kinley, Mitte November. Dies werde noch «einige Zeit» brauchen. Auch Großbritannien, das derzeit die EU- Ratspräsidentschaft hat, trat auf die Bremse. Die britische Umweltministerin Margaret Beckett warnte davor, zu schnell nach neuen Treibhausgas-Reduktionszielen zu rufen.

Simone Humml, dpa

  • Hintergrund: Klimaprozess von Rio de Janeiro bis Montréal
    Grundlage für das Kyoto-Protokoll und die Klimakonferenz von Montréal ist die Klimarahmenkonvention von Rio de Janeiro 1992. In der Konvention wurde vereinbart, den Ausstoß der Treibhausgase so zu begrenzen, dass «sich die Ökosysteme auf natürliche Weise den Klimaänderungen anpassen können» und «die Nahrungsmittelerzeugung nicht bedroht wird». Nach Meinung vieler Forscher kann dieses Ziel erreicht werden, wenn die globale Temperatur nicht stärker als zwei Grad Celsius über den Wert vor der Industrialisierung im 19. Jahrhundert steigt. Die Rio-Konvention haben 189 Staaten ratifiziert, darunter auch die USA, die weltweit am meisten Treibhausgase produzieren. Die Konvention trat 1984 in Kraft.

    Das Kyoto-Protokoll von 1997 gilt als erster konkreter Schritt, um die Ziele von Rio de Janeiro umzusetzen. Die Industriestaaten hatten sich im japanischen Kyoto verpflichtet, den Ausstoß der wichtigsten Treibhausgase bis 2012 um mindestens 5 Prozent im Vergleich zu 1990 zu senken. Die Entwicklungsländer erhielten damals noch keine Auflagen. Inzwischen haben knapp 160 Staaten Kyoto ratifiziert - nicht jedoch die USA. Das Abkommen trat im Februar 2005 in Kraft.

    Das Kyoto-Protokoll gilt vielen Experten jedoch nur als erster Schritt. Wie es vom Jahr 2013 an weitergehen soll im internationalen Klimaschutz, wollen die Staaten auf der zwölftägigen Konferenz im kanadischen Montréal verhandeln. Ein Verhandlungsmandat oder ein konkretes Vertragwerk wie das Kyoto-Protokoll ist erst in einigen Jahren zu erwarten.

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