Saturn, Jupiter und merkwürdige Asteroiden
Jahresrückblick Sonnensystemforschung 2017.
Die Planetenforschung fokussierte sich im vergangenen Jahr auf wieder stärker als zuvor auf Gasriesen. Aber Asteroiden und der Erdmond interessierten die Forscher zunehmend.
123.000 Kilometer pro Stunde schnell war Cassini, als die 2,5 Tonnen schwere Raumsonde am 15. September 2017 in die Wolkenbänder des Saturns eintrat. Cassini brach auseinander und eine Ära der Planetenforschung endete. Seit den 1980er Jahren geplant und 1997 gestartet, hatte die Sonde in den letzten 13 Jahren unermüdlich Daten gesammelt, bis zuletzt. Daher ist Cassinis Absturz wohl eines der wichtigsten Ereignisse des vergangenen Jahres im Planetensystem: Die Sonde sammelte Daten der aus der Ferne nur schwer zu untersuchenden dichten Bereiche der Saturnringe, um deren Alter zu bestimmen. Dazu widmete sie sich während des lethalen Tauchmanövers dem inneren Aufbau des Gasriesen.
Abb.: Oberfläche, Ozean und Kern des Saturnmondes Enceladus. Eine Computersimulation zeigt, wie der Eismond Wasser in einem porösen Gesteinskern aufheizt. (Bild: NASA / JPL-Caltech / Space Science Institute / G. Choblet et al. / ESA)
Längst sind noch nicht alle Daten von Cassini ausgewertet, doch gab es im Jahr 2017 einige Erkenntnisse aus dem Saturnsystem, etwa von dem ungewöhnlichen Mond Enceladus. Sein Durchmesser liegt bei nur 250 Kilometern; der Trabant müsste entsprechend komplett gefroren sein. Tatsächlich ist es in seinem Innern aber 200 Grad Celsius wärmer als gedacht: Radioaktiver Zerfall oder Gezeitenwärme des Saturn können die enorme Hitze nicht erklären, die Enceladus einen globalen und bis zu 37 Kilometer tiefen unterirdischen Ozean beschert. Französische Geophysiker stellten nun Berechnungen vor, wie das Innere des Eismondes so heiß werden kann: So besitzt Enceladus vermutlich einen sehr porösen Kern, der ungewöhnlich stark auf die Gezeitenkräfte reagiert und deren Wirkung verstärkt. Gleichzeitig kann das Wasser tief in den kleinen Gesteinskern eindringen und die Hitze nahe an die Eisoberfläche transportieren, wo der Ozean liegt.
Dazu kamen weitere Funde vom Saturn: Die Atmosphäre seines größten Mond Titan leuchtet wohl auf seiner Nachtseite stärker als am Tage, was mit der übermäßig ausgedehnten Atmosphäre zusammenhängt. Eine andere Forschergruppe verglich die Landschaften des Titan mit jenen von Erde und Mars und fand deutliche Parallelen: So wird auch die Oberfläche des Saturnmonds wie erwartet von Flüssen gestaltet, die aber aus Kohlenwasserstoffen bestehen .
Neues Schlaglicht auf Jupiter
Seit dem Sommer 2016 umkreist die NASA-Sonde Juno den Jupiter, deren wissenschaftliche Arbeit 2017 Fahrt aufnahm. Juno lieferte während seiner bislang zehn Umkreisungen des Planeten ungewöhnliche Aufnahmen der Wolkenbänder, darunter auch ein Überflug des großen roten Flecks. Dieser gewaltige Wirbelsturm existiert mindestens seit seiner Entdeckung im Jahr 1664. Junos eigentliche Spezialität sind jedoch elektrische und magnetische Phänomene in der Atmosphäre. So deuteten Messungen der Sonde darauf hin, dass sich die äußerst hellen Polarlichter Jupiters anders bilden als über der Erde. Demnach sind die herrschenden elektrischen Feldstärken vergleichsweise groß, sodass Elektronen viel stärker beschleunigen, wodurch sich diese turbulent bewegen und mit großer spektraler Bandbreite zum Leuchten angeregt werden.
Abb.: Künstlerische Darstellung des interstellaren Objekts Oumuamua. (Bild: M. Kornmesser, ESO)
Asteroiden, Kometen und Störungen
Kleine Körper in unserem Sonnensystem liegen weiter im Trend: Da ist der Fund einer alten Asteroidenfamilie, deren Mitglider allesamt besonders dunkel und erstaunlich groß sind. Das deute laut den Forschern darauf hin, dass die Bausteine des Planetensystems ähnlich groß gewesen sein müssen, nämlich einige hundert Kilometer im Durchmesser. Im Oktober entdeckte dann das Teleskop Pan-STARRS auf Hawaii den ersten Asteroiden überhaupt, der von außerhalb in unser Planetensystem eingeflogen ist. Der ungewöhnlich langgestreckte Brocken, der den Namen Oumuamua erhielt, besitzt offenbar eine isolierende Schicht aus organischem Material, das darunter verborgenes Eis vor dem Verdampfen schützen dürfte.
Wie sich das junge Planetensystem aus einer Scheibe um die junge Sonne kreisender Planetesimale weiterentwickelte, war bisher umstritten. So vermuteten Forscher, der Asteroidengürtel zwischen Mars und Jupiter könnte der Überrest jener turbulenten Frühzeit sein, als Planetesimale immer wieder gewaltsam zusammenstießen und schließlich zu Planeten verklumpten. Das stimmt aber offenbar nicht ganz: Der heutige Asteroidengürtel könnte einem neuen Rechenmodell zufolge zunächst eine Lücke in der protoplanetaren Scheibe gewesen sein, die die junge Sonne umkreiste. Erst mit der Zeit wanderten immer mehr Bruchstücke von den sich bildenden Planeten in diese Zone ein.
Die weitere Entwicklung des Sonnensystems ist bereits grob geklärt: nach dem großen Bombardement mit häufigen Meteoriteneinschlägen konnten die Planeten weitgehend ungestört ihre Bahnen ziehen. Allerdings vermuten einige Forscher, dass regelmäßig Sterne den äußeren Zonen des Sonnensystems so nahekommen, wobei sie die hier kreisenden Asteroiden der Oortschen Wolke nach innen lenken. Das etwa könne die großen Aussterbeereignisse der Erdgeschichte ansatzweise erklären. Aber weit gefehlt: Forscher fanden bei einer neuen Analyse der bekannten Krater keine regelmäßige Zunahme der Meteoriteneinschläge. Allerdings deuten Daten der stellaren Vermessungssonde Gaia der Europäischen Raumfahrtagentur darauf hin, dass pro Million Jahre immerhin sechshundert Sterne unserer Sonne ausreichend nahekommen. Bislang lassen sich die Messungen von Gaia aber erst auf einen sehr kurzen Teil der jüngsten Erdgeschichte anwenden – große Aussterbeereignisse fallen noch nicht in den untersuchten Zeitraum.
Abb.: Bild des Kometen C/2012 S1 (ISON), aufgenommen mit dem TRAPPIST-
Zumindest die Natur eines Meteoriteneinschlags konnte nun aufgeklärt werden: Das Steinheimer Becken im Osten Baden-Württembergs gehört neben dem nahe gelegenen Nördlinger Ries zu den weltweit am besten erhaltenen Kratern, deren Ursprung rätselhaft schien. Die Nähe und ein ähnliches Alter ließen Forscher bisher schließen, beide Ereignisse könnten zeitgleich durch einen Asteroiden mit einem kleinen Mond vor 15 Millionen Jahren entstanden sein. Dem ist aber offenbar nicht so: Ein gerade zwei Zentimeter großes Bruchstück aus dem Steinheimer Becken deutet auf einen seltenen Eisenmeteoriten hin, während das Nördlinger Ries aus einem Steinmeteoriten entstand. Beide Ereignisse fanden also nur zufällig in räumlicher und zeitlicher Nähe zueinander statt.
Nickel im Erdkern und Wasser im Mondgestein
Für den Blick ins Erdinnere haben Forscher eine neue Methode entwickelt: So nimmt eine neue Form der Erdbebenfrüherkennung langsam Form an, die statt klassischer Seismometer sogenannte Gravimeter verwendet. Diese vermessenen Veränderungen im Erdschwerefeld, wodurch deutlich schnellere Bebenvorwarnungen möglich werden. Denn während sich Erdbebenwellen mit Schallgeschwindigkeit durchs Gestein bewegen, ändert sich das Schwerefeld mit Lichtgeschwindigkeit, wodurch beispielsweise vor besonders schwere Erdbeben vor Japan einige Sekunden früher gewarnt werden könnte. Dazu ließe sich auch die Bebenstärke in kurzer Zeit sehr genau bestimmen.
Das Erdmagnetfeld hat derweil noch nicht all seine Geheimnisse preisgegeben – aber es gibt Neuigkeiten: Denn bislang war es unklar, wie genau sich im äußeren und flüssigen Erdkern ein Magnetfeld aufbauen kann, das die gesamte Erde umgibt und auch das irdische Leben vor dem Sonnenwind und kosmischer Strahlung abschirmt. Offenbar besitzt das im Erdkern neben Eisen zweitwichtigste Metall Nickel eine Anomalie bei hohen Temperaturen – und diese kann erklären, wieso der Geodynamo überhaupt funktionieren kann.
Abb.: Die unterschiedliche räumliche Anordnung der Atome im Eisen- und im Nickelgitter ist für das unterschiedliche physikalische Verhalten unter extremen Bedingungen verantwortlich. Das bunte Bild zeigt die elektronische Dispersion von Nickel in der Region, die für dieses Verhalten verantwortlich ist. (Bild: M. Karolak, U. Würzburg)
Der Mond besitzt heute kein globales Magnetfeld mehr, in seiner Jugendzeit aber schon, als es in seinem Innern noch heißer war. Neue Messungen an Mondgestein zeigen nun, dass dieses Magnetfeld einige hundert Jahrmillionen länger bestand als bisher geglaubt, vermutlich bis vor 3,2 Milliarden Jahren.
Bei der Entstehung des Mondes gibt es noch immer Unklarheiten: Zwar sind sich die meisten Forscher einig, dass ein etwa marsgroßer Körper mit der jungen Erde zusammenstieß. Die Zusammensetzung des Mondes lasse sich einem neuen Modell aber besser erklären, demzufolge es stattdessen mehrere kleinere Einschläge gegeben hat.
Zur Zeit der US-amerikanischen Mondlandungen galt der Mond selbst noch als staubtrocken. In den zur Erde gebrachten Gesteinsproben wurde nur marginal Wasser nachgewiesen. Dank moderner Analysetechnik fanden Forscher nun aber deutlich mehr Wasser in den Proben. Woher dieses Wasser stammt, ist allerdings nicht völlig klar. Denn die durch den Sonnenwind ständig ankommenden Protonen, die mit dem Sauerstoff im Mondgestein reagieren, können nur einen Teil des Wassers erklären.
Abb.: Wasser auf dem Mond: Die eingefärbten Gebiete besitzen einen besonders hohen Wasseranteil. Gelb und rot zeigen die höchsten Konzentrationen. (Bild: Milliken Lab, Brown U.)
In den nächsten Jahren dürfte der Mond wieder stärker in den Fokus der Forschung wandern: Schon Ende 2017 hätte unser Trabant mehrere neue Besucher erwarten sollen. Aber die Teilnehmer des Google Lunar XPrize, der ein Preisgeld für kommerziell entwickelte Mondrover verspricht, schafften es nicht rechtzeitig zu starten, weshalb die Frist des schon vor zehn Jahren ausgeschriebenen Preises noch einmal bis März 2018 verlängert wurde. Auch die neue chinesische Mondmission Chang’e 5 konnte nicht starten, deren Trägerrakete Langer Marsch 5 wegen technischer Probleme derzeit am Boden bleiben muss. Daher wird Chang’e 5 wohl erst im Jahr 2019 zum ersten Mal seit mehr als vierzig Jahren Proben vom Mond zur Erde transportieren können. Ein weiterer chinesischer Mondrover ist allerdings mit der Mission Chang’e 4 schon für Sommer 2018 geplant.
Karl Urban
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