17.11.2015

Schalter-Molekül für Transistoren

Ein einziges Elektron kann den Zustand eines neuartigen Schalters verändern.

Ohne Transistoren läuft in der Elektronik gar nichts. Sie sind die fundamentalen Bauteile, auf denen die logischen Schaltungen in unseren Computer­chips beruhen. Normaler­weise bestehen sie aus Silizium­kristallen, dotiert mit anderen Atom­sorten. Einem öster­reichisch-schweize­rischen Team gelang es nun, einen Transistor zu ent­wickeln, der auf grund­legend andere Weise funktio­niert und nur aus einem einzigen Molekül besteht. Statt drei Elektroden, wie bei einem gewöhnlichen Exemplar, benötigt dieses Schalter-Molekül bloß zwei Elek­troden.

Abb.: Ein einzelnes organisches Mole­kül mit einem Molyb­dän-Atom im Zentrum zwischen zwei Gold Elek­troden dient als Schal­ter. (Bild: TU Wien)

„Das Ent­scheidende an einem Transistor ist, dass er zwei verschiedene Zustände annehmen kann“, erklärt Robert Stadler vom Institut für Theo­retische Physik der TU Wien. Je nachdem, in welchem Zustand sich der Transistor befindet, lässt er Strom fließen oder nicht. Ein gewöhnlicher Transistor aus Silizium-Kristallen hat daher drei Kontakte: Von einem kommt der Strom, in den zweiten kann er abfließen – und ob das tat­sächlich geschieht, hängt von der Spannung ab, die am Gate-Kon­takt anliegt.

Um immer mehr Transis­toren auf immer geringerer Fläche unter­zu­bringen, wurden die Transis­toren in den letzten Jahr­zehnten immer kleiner. Das hat die Leistungs­fähigkeit der Elektronik dras­tisch verbessert, bringt aber auch immer größere technische Pro­bleme mit sich: Mit gewöhnlicher Silizium­techno­logie stößt man dabei an physi­kalische Grenzen. „Bei extrem kleinen Kristallen hat man keine aus­reichende Kontrolle mehr über die elektro­nischen Eigen­schaften, vor allem wenn nur noch wenige Dotier­atome vorhanden sind und die Trenn­schicht zum Gate immer undichter wird“, erklärt Stadler. „Wenn man auf der Nano-Skala aller­dings von Kristallen auf organische Mole­küle umsteigt, dann hat man neu­artige Möglich­keiten, die Transport­eigen­schaften zu verändern.“

An der Universität Zürich synthetisierten Chemiker daher organo­metallische Molekül­strukturen, die mit einzelnen Metall­atomen aus Eisen, Ruthenium oder Molybdän ausge­stattet wurden. Nur etwa zwei­einhalb Nano­meter lang sind diese Designer­moleküle, die am IBM Forschungs­labor in Rüschlikon dann vorsichtig mit zwei Gold­kontakten kontaktiert werden, bevor man eine elektrische Spannung an sie anlegen kann.

Bei einer der getesteten Molekül­sorten, in deren Mitte ein Molyb­dän-Atom platziert ist, stellte man ganz bemerkens­werte Eigen­schaften fest: Wie ein Silizium-Transis­tor lässt sich dieses Molekül zwischen zwei verschiedenen Zuständen hin und her schalten, die sich hinsichtlich ihrer Leitfähigkeit um drei Größenordnungen unter­scheiden. Um den zugrunde­liegenden Prozess zu verstehen, bedurfte es aufwändiger Computer­simulationen am Vienna Scientific Cluster VSC, die von Stadler und Georg Kastlunger in Wien durchgeführt wurden. Dadurch konnte der Mechanismus auf quantenphysikalischer Ebene entschlüsselt werden.

„Direkt am Molybdän-Atom gibt es einen bestimmten Platz, den ein Elektron besetzen kann“, sagt Stadler. „Wieviel Strom bei einer bestimmten Spannung durch das Molekül fließt, hängt davon ab, ob an diesem Platz tatsächlich ein Elek­tron sitzt oder nicht.“ Und genau das lässt sich steuern. Wenn der Platz besetzt ist, fließt bei kleiner angelegter Spannung relativ wenig Strom. Bei einer höheren Spannung allerdings kann das Elektron von seinem speziellen Platz beim Molybdän-Atom entfernt werden. Dadurch schaltet das System in einen neuen Zustand mit rund tausend­mal besserer Leit­fähigkeit, der Strom­fluss steigt sprung­artig an. Sowohl Umschalt- als auch Auslese­prozess lassen sich somit über die beiden Gold-Kontakte, zwischen denen das Molekül fixiert ist, realisieren. Eine dritte Elektrode, wie sie ein gewöhnlicher Transistor braucht, ist nicht mehr notwendig was die Ver­drahtung massiv vereinfacht.

Noch ist die verwendete Techno­logie allerdings zu aufwändig, um sie in Massen­produktion für kommerzielle Computer­chips einzusetzen. Die Experi­mente fanden deshalb bei tiefen Tempe­raturen und im Ultra­hoch­vakuum statt. Aller­dings arbeitet man bei IBM bereits an Konzepten um mehrere solche Mole­küle in Nano­poren auf einem Silizium-Chip aufzubringen, sodass diese unter gewöhn­lichen Umgebungs­bedingungen, bei Raum­temperatur, funktionieren. „Das wäre einfacher – und auch für solche Systeme wären unsere theoretischen Methoden zweifel­los geeignet“, ist Stadler zuver­sichtlich. „Vielleicht sind organische Moleküle mit einge­bauten Metall­atomen der Weg zu ultrakleinen Schaltern für neue Speicher – das Poten­zial für spannende An­wendungen ist jeden­falls da, vor allem weil durch Weg­fall der dritten Elektrode unerreichte Integrations­dichten mög­lich werden.“

TU Wien / SK

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