Schalter-Molekül für Transistoren
Ein einziges Elektron kann den Zustand eines neuartigen Schalters verändern.
Ohne Transistoren läuft in der Elektronik gar nichts. Sie sind die fundamentalen Bauteile, auf denen die logischen Schaltungen in unseren Computerchips beruhen. Normalerweise bestehen sie aus Siliziumkristallen, dotiert mit anderen Atomsorten. Einem österreichisch-schweizerischen Team gelang es nun, einen Transistor zu entwickeln, der auf grundlegend andere Weise funktioniert und nur aus einem einzigen Molekül besteht. Statt drei Elektroden, wie bei einem gewöhnlichen Exemplar, benötigt dieses Schalter-Molekül bloß zwei Elektroden.
Abb.: Ein einzelnes organisches Molekül mit einem Molybdän-Atom im Zentrum zwischen zwei Gold Elektroden dient als Schalter. (Bild: TU Wien)
„Das Entscheidende an einem Transistor ist, dass er zwei verschiedene Zustände annehmen kann“, erklärt Robert Stadler vom Institut für Theoretische Physik der TU Wien. Je nachdem, in welchem Zustand sich der Transistor befindet, lässt er Strom fließen oder nicht. Ein gewöhnlicher Transistor aus Silizium-Kristallen hat daher drei Kontakte: Von einem kommt der Strom, in den zweiten kann er abfließen – und ob das tatsächlich geschieht, hängt von der Spannung ab, die am Gate-Kontakt anliegt.
Um immer mehr Transistoren auf immer geringerer Fläche unterzubringen, wurden die Transistoren in den letzten Jahrzehnten immer kleiner. Das hat die Leistungsfähigkeit der Elektronik drastisch verbessert, bringt aber auch immer größere technische Probleme mit sich: Mit gewöhnlicher Siliziumtechnologie stößt man dabei an physikalische Grenzen. „Bei extrem kleinen Kristallen hat man keine ausreichende Kontrolle mehr über die elektronischen Eigenschaften, vor allem wenn nur noch wenige Dotieratome vorhanden sind und die Trennschicht zum Gate immer undichter wird“, erklärt Stadler. „Wenn man auf der Nano-Skala allerdings von Kristallen auf organische Moleküle umsteigt, dann hat man neuartige Möglichkeiten, die Transporteigenschaften zu verändern.“
An der Universität Zürich synthetisierten Chemiker daher organometallische Molekülstrukturen, die mit einzelnen Metallatomen aus Eisen, Ruthenium oder Molybdän ausgestattet wurden. Nur etwa zweieinhalb Nanometer lang sind diese Designermoleküle, die am IBM Forschungslabor in Rüschlikon dann vorsichtig mit zwei Goldkontakten kontaktiert werden, bevor man eine elektrische Spannung an sie anlegen kann.
Bei einer der getesteten Molekülsorten, in deren Mitte ein Molybdän-Atom platziert ist, stellte man ganz bemerkenswerte Eigenschaften fest: Wie ein Silizium-Transistor lässt sich dieses Molekül zwischen zwei verschiedenen Zuständen hin und her schalten, die sich hinsichtlich ihrer Leitfähigkeit um drei Größenordnungen unterscheiden. Um den zugrundeliegenden Prozess zu verstehen, bedurfte es aufwändiger Computersimulationen am Vienna Scientific Cluster VSC, die von Stadler und Georg Kastlunger in Wien durchgeführt wurden. Dadurch konnte der Mechanismus auf quantenphysikalischer Ebene entschlüsselt werden.
„Direkt am Molybdän-Atom gibt es einen bestimmten Platz, den ein Elektron besetzen kann“, sagt Stadler. „Wieviel Strom bei einer bestimmten Spannung durch das Molekül fließt, hängt davon ab, ob an diesem Platz tatsächlich ein Elektron sitzt oder nicht.“ Und genau das lässt sich steuern. Wenn der Platz besetzt ist, fließt bei kleiner angelegter Spannung relativ wenig Strom. Bei einer höheren Spannung allerdings kann das Elektron von seinem speziellen Platz beim Molybdän-Atom entfernt werden. Dadurch schaltet das System in einen neuen Zustand mit rund tausendmal besserer Leitfähigkeit, der Stromfluss steigt sprungartig an. Sowohl Umschalt- als auch Ausleseprozess lassen sich somit über die beiden Gold-Kontakte, zwischen denen das Molekül fixiert ist, realisieren. Eine dritte Elektrode, wie sie ein gewöhnlicher Transistor braucht, ist nicht mehr notwendig was die Verdrahtung massiv vereinfacht.
Noch ist die verwendete Technologie allerdings zu aufwändig, um sie in Massenproduktion für kommerzielle Computerchips einzusetzen. Die Experimente fanden deshalb bei tiefen Temperaturen und im Ultrahochvakuum statt. Allerdings arbeitet man bei IBM bereits an Konzepten um mehrere solche Moleküle in Nanoporen auf einem Silizium-Chip aufzubringen, sodass diese unter gewöhnlichen Umgebungsbedingungen, bei Raumtemperatur, funktionieren. „Das wäre einfacher – und auch für solche Systeme wären unsere theoretischen Methoden zweifellos geeignet“, ist Stadler zuversichtlich. „Vielleicht sind organische Moleküle mit eingebauten Metallatomen der Weg zu ultrakleinen Schaltern für neue Speicher – das Potenzial für spannende Anwendungen ist jedenfalls da, vor allem weil durch Wegfall der dritten Elektrode unerreichte Integrationsdichten möglich werden.“
TU Wien / SK