Schaltung für atomares Quantenbit
Schwaches Magnetfeld reicht zur Unterdrückung des Tunneleffekts bei einzelnen Eisenatomen.
Die zunehmende Miniaturisierung von elektronischen Schaltkreisen und Speichermedien schreitet immer weiter voran. Aber wie klein kann man ein Bit an Information eigentlich machen? Genügt ein einziges Atom, um eine Null und oder eine Eins zu schreiben und den jeweiligen Zustand einzufrieren? Das magnetische Moment von einzelnen Atomen oder auch von kleinen Clustern erlaubt dies tatsächlich. Es wirkt wie ein winziger Stabmagnet, dem man nur zwei mögliche Orientierungen erlaubt: Entweder zeigt der magnetische Nordpol nach oben oder nach unten. Zwischen beiden Zuständen liegt eine hohe Energiebarriere, die ein einfaches Umschalten verhindert und mittendrin liegende Orientierungen verbietet.
Abb.: Das Quantentunneln der Magnetisierung erlaubt ein gezieltes Einfrieren oder Umklappen eines magnetischen Momentes, je nachdem entlang welcher Richtung ein externes Magnetfeld angelegt wird. (Bild: U. Augsburg / IfP / EKM)
Nun erlaubt die Quantenmechanik aber eine Abkürzung: Anstatt die Energiebarriere mühsam zu erklimmen, kann man sie einfach durchtunneln. Dabei gilt es allerdings einiges zu beachten: So müssen die Energien der zwei Zustände, zwischen denen ein solcher Tunnelprozess stattfindet, exakt gleich sein, also entartet. Mit einem von außen angelegten Magnetfeld kann diese aufgehoben werden, was zu einer Blockade des Tunnelpfads führt. Die Orientierung des magnetischen Moments wird dabei eingefroren.
Dass dies schon mit sehr kleinen Magnetfeldern gelingen kann, zeigen Ergebnisse der Nachwuchsgruppe um den Augsburger Physiker Anton Jesche vom Lehrstuhl für Experimentalphysik VI/EKM. Gemeinsam mit Kollegen der Universität Central Florida und des Ames National Laboratory haben die Forscher das Quantentunneln der Magnetisierung einzelner Eisenatome untersucht, die in eine kristalline Matrix aus Lithiumnitrid eingebracht wurden.
Dass sich das Quantentunneln in Magnetfeldern schwächen lässt, ist schon länger bekannt und ist bereits intensiv an Molekularmagneten untersucht. Dabei musste jedoch ein sehr starkes Magnetfeld im Bereich von einem Tesla angelegt werden, um einen merklichen Effekt auf die Schaltbarkeit des magnetischen Bits zu haben. Dagegen reicht weniger als ein halbes Prozent dieses Wertes, um den Tunneleffekt im neu entwickelten Eisensystem vollständig zu unterdrücken. „Schon mit einer einfachen Spule, die man um den kleinen Finger wickeln kann, lässt sich ein Feld dieser Größe erzeugen“, berichtet Jesche, „vor allem aber kann es nahezu instantan, also ohne die geringste zeitliche Verzögerung, an- oder ausgeschalten werden.“
Dieses außergewöhnliche Verhalten basiert zum einen auf der geringen Defektdichte der in Augsburg gezüchteten Kristalle. Zum anderen spielt die chemische Umgebung eine entscheidende Rolle: Die Eisenatome werden von lediglich zwei nächsten Nachbarn an ihrem Platz gehalten. Hierdurch wird eine hohe Anisotropie, d. h. eine hohe Richtungsabhängigkeit der Atomeigenschaften erzeugt, die ein zufälliges Umklappen der magnetischen Momente verhindert.
Doch nicht nur das Unterdrücken des quantenmechanischen Tunneleffekts ist gelungen, auch das Gegenteil hat sich möglich erwiesen: Legt man des externe Magnetfeld entlang bestimmter Richtungen an, nämlich senkrecht zur gedachten Linie zwischen Eisen und seinen zwei Nachbaratomen, so kann die Tunnelrate sogar signifikant erhöht werden. Man kann das magnetische Moment somit entweder einfrieren oder sein Umklappen gezielt befördern.
Mit einem Bit pro Atom scheint damit das ultimative Limit für einen nanoskaligen Datenspeicher erreicht. „Im Prinzip kann man mit diesen Zuständen auch mathematische Operationen durchführen“, so Jesche, „ wobei es zu einem möglichen Quantencomputer aber noch ein weiter Weg ist.“ Vielversprechend seien aber jedenfalls schon einmal die relativ hohen Temperaturen, bei denen sich der Übergang vom klassischen zu quantenmechanischen Verhalten ausbildet: Zehn Kelvin über dem absoluten Nullpunkt lassen sich technisch recht leicht realisieren, sie liegen mehr als hundertmal höher als in aktuellen Rechnerarchitekturen, die auf supraleitenden Quantenbits basieren.
U. Augsburg / DE