03.01.2017

Scharfe Fluoreszenz, Zeptosekunden-Pulse und die kleinste Lichtfalle der Welt

Jahresrückblick Optik, Photonik, Laser 2016.

Viele Hürden überwanden Physiker im vergangenen Jahr, um ausgeklügelte Laser, schärfere Bilder und Fortschritte in der optischen Daten­verarbeitung zu erzielen. Eines der verblüffendsten Ergebnisse präsentierte die Forscher­gruppe um Nobel­preis­träger Stefan Hell vom Max-Planck-Institut für bio­physikalische Chemie. Sie trieben die Licht­mikroskopie bis an ihre Auflösungs­grenze und konnten mit einem neuen Fluoreszenz­mikroskop, MINFLUX genannt, erstmals Moleküle getrennt beobachten, die nur wenige Nanometer voneinander entfernt waren. Dieses Mikroskop ist mehr als 100 Mal schärfer als herkömmliche Licht­mikroskope und könnte sich zu einem grund­legenden Werkzeug der Zell­biologie entwickeln. Eine nicht ganz so hohe Auflösung erreichten Yicong Wu und Kollegen vom National Institute of Health in Bethesda mit einem neuen 3D-Fluoreszenz-Mikroskop, das mit drei Objektiven immerhin 100 Nanometer Auflösung in drei Dimensionen erreichte. Mit einem scharfen 3D-Blick schauten auch Forscher vom Institut für Biologische und Molekulare Bild­gebung (IBMI) am Helmholtz Zentrum München in lebende Gehirne. Sie nutzten die opto­akustische Tomographie, um schwache Signale aus größeren Gewebetiefen auswerten zu können.

Abb.: Mit MINFLUX lassen sich Bewegungen von fluoreszenz­markierten Molekülen in einer lebenden Zelle zeitlich genauer verfolgen als mit der STED- oder PALM/STORM-Mikroskopie. (Bild: Y. Eilers / MPIPBC)

Eine möglichst hohe zeitliche Auflösung von Prozessen ist dagegen das Ziel der Kurz­zeit­spektroskopie. Die Photo­ionisation konnten Forscher vom Max-Planck-Institut für Quantenoptik, der TU München und der Uni München erstmals bis auf 850 Zepto­sekunden genau messen. Dazu regten sie Elektronen in Helium­gas mit einem Atto­sekunden langen extrem ultra­violetten Lichblitz an. Gleichzeitig ließen sie einen zweiten infraroten Laserpuls auftreffen, der rund vier Femto­sekunden dauerte. Dadurch ließ sich die Geschwindigkeit der Elektronen verändern und eine Messung mit Zepto­sekunden-Genauigkeit wurde möglich.

Um mit kurzen Lichtpulsen magnetische Materialien und chirale Moleküle besser untersuchen zu können, konstruierten Physiker an der University of Colorado in Boulder einen Laser, der nicht nur linear polarisiertes, sondern auch zirkular polarisiertes Licht im EUV-Bereich erzeugte. Möglich wurde dies mit einem steuerbaren Zeit­versatz zwischen zwei IR-Pulsen, wodurch sie in einem Wellen­leiter Pulse zirkular polarisiertem Lichts bis zur 20. Harmonischen mit etwa 22 Elektronen­volt nachweisen konnten. Infrarot­spektren von komplexen Molekülen mit hoher Auflösung zeichneten Forscher am JILA in Boulder mit einem neuen Verfahren auf. Dabei bestrahlten sie tief­gekühlte Moleküle in einem Hohlraum­resonator mit einem Laserfrequenzkamm und konnten erstmals hoch­aufgelöste Absorptions­linien­muster von mehrfachen Schwingungen der Kohlenstoff-Wasserstoff-Bindungen in vier verschiedenen Molekülen erkennen.

Für extrem kurze Pulse bis in den Röntgenbereich können Physiker seit 2016 noch mehr Licht­quellen nutzen. Nach sechs Jahren Bauzeit wurde die 3,4 Kilometer lange unter­irdische Anlage des Röntgen­lasers European XFEL in Hamburg fertig gestellt. Ab Sommer 2017 sollen Wissenschaftler aus aller Welt zunächst zwei von sechs mittelfristig geplanten Experimentier­stationen der Anlage nutzen können. Seine volle Leistungs­fähigkeit soll der European XFEL 2018 erreichen. Wenige Wochen nach dem XFEL-Start hat das Paul Scherrer Institut PSI den SwissFEL eingeweiht. Die Wellenlänge der Röntgen­strahlung liegt zwischen 0,1 und 7 Nanometer, und die Pulse sind wenige Femto­sekunden kurz. Die Brillanz liegt rund zehn Milliarden Mal höher als bei der ebenfalls am PSI beheimateten Synchrotron­licht­quelle SLS. Mit beiden Anlagen gesellen sich die Schweiz und Deutschland zu den USA (LCLS) und Japan (SACLA) im Club der Länder mit Röntgen-Freie-Elektronen-Laser.

Abb.: Aufenthaltswahrscheinlichkeiten des ver­blei­ben­den Elek­trons nach Photo­emis­sion eines Elek­trons aus einem Helium­atom. (Bild: M. Ossiander, TU München / M. Schultze, MPQ)

Parallel erweiterten Physiker am SLAC National Accelerator Laboratory die Einsatz­möglichkeiten von Freie-Elektronen-Lasern. Sie wollten extrem schnelle Prozesse in physikalischen oder biologischen Systemen mit zwei aufeinander folgenden Laserpulsen über die Pump-Probe-Technik analysieren. Dazu veränderten sie die Anordnung von Magnet­strukturen, mit denen die Flugbahnen von Elektronen­paketen in einem FEL kontrolliert werden. Dadurch emittierte der FEL in kurzer Folge intensive Röntgen­pulse mit verschiedenen Energien zwischen 639 und 788 Elektronenvolt, die ideal für Pump-Probe-Experimente geeignet waren.

Für hohe Photonenenergien sind aber nicht immer kilometerlange FEL-Anlagen nötig. Am SLAC National Accelerator Laboratory nutzten Erik Hemsing und seine Kollegen starke elektro­magnetische Felder, um ungerade Vielfache einer ursprünglichen Laserfrequenz zu erreichen. Über die Wechsel­wirkung von infra­roten Licht­pulsen mit beschleunigten Elektronen wiesen sie intensive Lichtsignale bis zur 75. höheren Harmonischen nach. Ausgehend von infrarotem Laserlicht erhielten sie Laserpulse im Bereich des extrem Ultra­violetten (EUV) mit 32 Nanometern Wellenlänge. Eine hohe Strahl­leistung hatten dagegen Forscher der Friedrich-Schiller-Universität Jena im Sinn. Mit Polaris verfügen sie über das leistungs­stärkste vollständig Dioden-gepumpte Lasersystem der Welt in der Petawatt-Klasse. Erstmals konnten sie eine Puls­energie von über 50 Joule erzeugen. Die Laserpulse hatten eine Dauer von gerade einmal 120 Femto­sekunden. In diesem kurzen Moment erreichte der Laser eine Spitzen­leistung von mehreren Hundert Terawatt.

Pulse ganz anderer Art emittieren dagegen Terahertz-Laser mit Wellenlängen zwischen fünfzig und tausend Mikro­metern. Anwendung finden sie in der Spektroskopie, für bild­gebende Verfahren in der Sicherheitstechnik und bei der Analyse von heißen Plasmen wie in Fusions­reaktoren. Britische Forscher an der University of Manchester entwickelten eine neue Methode, die Wellenlänge von Terahertz-Lasern kontrolliert zu verändern. Über die Anregung von Plasmonen in einer Graphen-Polymerstruktur lieferte dieser Laser Terahertz-Pulse im Frequenz­bereich knapp unter drei Terahertz. Diese Frequenz ließ sich über eine Steuer­spannung an der Graphenschicht kontrolliert variieren.
Bisher unerreicht scharfe Frequenz­spektren realisierten Forscher an der Universität Colorado mit einem super­radianten Laser auf der Basis von Strontium­atomen, die sie in ein eindimensionales optisches Gitter einsperrten. Elektronische Übergänge höherer Ordnung ermöglichten Zustände mit extrem hohen Lebens­dauern und entsprechend scharfer Linienbreite des Laser. Diese Licht­­quellen könnte man dank ihrer Trennschärfe für den Nachweis von Gravitations­wellen oder für Atomuhren nutzen.

Abb.: Verstärkerstufe des Hochleistungslasers POLARIS (Bild: J.-P. Kaspers, FSU)

Mit exakt definierten und kontrollierbaren Infrarot-Pulsen ließe sich auch die Kapazität optischer Daten­leitungen erhöhen. Am Max-Planck-Institut für Quantenoptik und der Ludwig-Maximilians-Universität München wurde dazu ein Mess­system entwickelt, mit dem man den genauen Schwingungs­verlauf von Lichtwellen im infraroten Bereich analysieren konnte. Am gleichen Institut gelang es, mit präzise geformten Licht­pulsen einen elektrischen Strom in Gallium­nitrid mit nie dagewesener Geschwindigkeit an- und auszu­schalten. Dieses Ergebnis ebnet den Weg, optisch gesteuerte elektronische Geräte zu entwickeln, die mit weit höherer Frequenz arbeiten, als es bisher möglich ist.

Einen optischen Datenspeicher aus Perowskit – ein Material, das bisher für Solarzellen genutzt wird – konstruierten Physiker an der Universität Bayreuth. Über einen laser­induzierten Phasen­übergang und einem Super­lumineszenz-Effekt könnte dieser Werkstoff als schneller und vor allem günstiger Daten­speicher genutzt werden. Und für photonische Prozessoren der Zukunft kreiierten Forscher des Karlsruhe Instituts für Technologie eine winzige Lichtquelle aus Kohlenstoff­nano­röhrchen, die sie senkrecht zu einem Wellenleiter ausrichteten. Die Nanostruktur erzeugte kontrolliert Photonen, wenn eine elektrische Spannung angelegt wurde und könnte so als effiziente Schnittstelle zwischen Elektronik und Photonik dienen.

Deutlich weniger Dynamik als in den Vorjahren herrschte auf dem Feld der Meta­materialien. Nach einem Hype um Tarn­kappen­materialien konzentrierten sich die Forscher 2016 mehr auf auf konkrete Anwendungen. An der Harvard University in Cambridge fertigten Physiker mehrere extrem flache Metalinsen aus Titandioxid-Strukturen. Mit diesen Linsen ließ sich Licht über den gesamten sichtbaren Spektral­bereich so stark fokussieren, um ein Auflösungs­vermögen in der Größen­ordnung der Wellenlänge zu erhalten. Solche sehr günstigen Metalinsen könnten sowohl für hochauflösende Licht­mikroskope als auch für flache und preiswerte Objekte in Smartphones genutzt werden. Schaltbare Meta­materialien mit kontrollier­baren optischen Eigenschaften konstruierten Forscher an der University of Southampton mit einer Phasenwechsel-Legierung aus Germanium, Antimon und Tellur. Da die Nanostruktur für Infrarot­licht abwechselnd transparent oder undurchsichtig war, ließen sich aus dem Material neue Module für die optische Daten­übertragung entwickeln.

Abb.: SEM-Aufnahme einer Metalinse aus einem Areal aus Titandioxid-Nanoflossen (Bild: F. Capasso, Harvard University)

Die Wechselwirkung von Licht mit Materie nutzten mehrere Forscher­gruppen für ausgeklügelte opto­mechanische Anwendungen. An der Universität Bielefeld hielten Robin Diekmann und Kollegen einzelne, lebende Zellen mit einem optischem Traktorstrahl fest. Diese optische Falle kombiniert mit hoch­auflösender Fluoreszenz­mikroskopie ermöglicht eine drei­dimensionale Rund­umsicht, um etwa das Eindringen von Krankheits­erregern in eine Zelle besser zu verstehen. Ein völlig neuartiges opto­mechanisches System, entwickelt an der Yale University, koppelte die mechanischen Schwingungen in suprafluidem Helium mit den elektro­magnetischen Schwingungen eines Lasers. Das durch Glasfasern in einen Hohlraum geleitete Laserlicht übte durch Elektro­striktion mechanische Kräfte auf das Helium aus und erlaubte die Messung der Schwingungs­quanten in der Supra­flüssigkeit. Den Impuls von Photonen, den transversalen Lichtdruck, konnte ein Team an der University of Bristol genau bestimmen. Mit extrem sensiblen Nanohebeln konnten sie die wirkenden Kräfte bis auf wenige Femto­newton genau messen.

So ausgefeilte und exakte Messungen neue optische Techniken im vergangenen Jahr erlaubten, verblüffte ein Ergebnis des Wiener Instituts für Molekulare Pathologie. Mit einem Versuchs­aufbau, der auf dem Prinzip der spontanen parametrischen Fluoreszenz basierte, ermittelten sie, dass sogar das menschliche Auge empfindlich genug ist, um ein einzelnes Photon wahrzunehmen. Nun wollen sie herausfinden, wieso biologische Systeme über eine derartig hohe Empfindichkeit verfügen. Einen weiteren Rekord stellten britische Forscher der University of Cambridge auf. Sie bauten mit Pico­kavitäten, die sich spontan auf einem deponierten Gold­cluster ausbildeten, die kleinste Lichtfalle der Welt. Ihr Grundlagen­experiment ermöglichte erstmals einen detaillierten Blick auf die Wechsel­wirkung von Licht mit einzelnen Molekülen auf atomarer Ebene. Ersten praktischen Nutzen versprechen sich die Wissenschaftler von Detail­analysen photo­chemischer und photo­physikalischer Prozesse, wie sie etwa bei der Photo­synthese von Pflanzen oder in Solarzellen auftreten.

Jan Oliver Löfken

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