Schlammige Energiefresser
Gezielte Strömungsführung optimiert Leistung von Kläranlagen.
Fast 4400 Gigawattstunden pro Jahr – das benötigen die kommunalen Kläranlagen in Deutschland, um ihre Aufgabe zu erfüllen. Dies entspricht etwa der Jahresleistung eines modernen Kohlekraftwerks. Besonders energieintensiv sind bei der Abwasseraufbereitung Prozesse in den Belebungsbecken, in denen Bakterien Kohlenstoff- und Ammoniumverbindungen abbauen. In den meisten Kläranlagen übersteigt die aufgewendete Energie den tatsächlichen Bedarf, da sie nicht optimal ausgelegt sind. Im Verbundprojekt „Leistungsoptimierung von Kläranlagen durch gezielte Strömungsführung in Belebtschlammbecken“, kurz EOBEL, das die Deutsche Bundesstiftung Umwelt fördert, entwickeln Forscher des Helmholtz-
Abb.: Mit Hilfe des ultraschnellen Röntgentomographen ROFEX können Sebastian Reinecke und Ragna Kipping Aufnahmen von Strömungsgemischen in hoher zeitlicher Auflösung machen. (Bild: O. Killig, HZDR)
Wenn Sebastian Reinecke vom HZDR-Institut für Fluiddynamik eines seiner Forschungsobjekte beobachtet, sieht er auf den ersten Blick nicht viel außer Schlamm. Die undurchsichtige Masse leistet allerdings einen wichtigen Beitrag bei der herkömmlichen Abwasserreinigung – oder vielmehr die Mikroorganismen, die sich darin tummeln. In Kläranlagen filtern sie Schmutzstoffe aus dem Wasser. Dafür benötigen sie jedoch sehr viel Sauerstoff, den spezielle Belüftungssysteme am Boden der Anlagen unter hohem Energieaufwand einspeisen. „Um den Belebtschlamm gut zu durchmischen, verteilen oft zusätzlich Rührwerke den Sauerstoff, was weiteren Energieaufwand nötig macht”, erläutert Reinecke. „Der Sauerstoffeintrag und die Durchmischung in den Becken bestimmen also maßgeblich die Leistungsfähigkeit und damit die Energiebilanz der Kläranlage.“
Nach Ansicht des Forschers ließe sich durch technische Maßnahmen Energie einsparen: „In den meisten Anlagen ist die tatsächliche Konzentrationsverteilung des gelösten Sauerstoffs und der Ammoniumverbindungen in den Becken unbekannt. Daher ist das Zusammenspiel zwischen Einspeisen und Verteilen des Gases oft mangelhaft und es kommt häufig zu einer Inhomogenität von Über- oder Unterversorgung mit Sauerstoff. Entsprechende Funktionstests gibt es nur sehr selten, weil passende, räumlich auflösende Messverfahren für die komplexen hydrodynamischen und biochemischen Prozesse in den Becken fehlen.“
„Unser Ziel ist, Simulationsmethoden und Messtechnik zu entwickeln, mit denen Strömungsverhältnisse direkt im Becken analysiert und darauf aufbauend optimiert werden können“, erläutert Reinecke weiter. Bei Experimenten an zwei Versuchsaufbauten sind er und sein Team bereits zu aufschlussreichen Ergebnissen gekommen. Mit dem ultraschnellen Röntgentomographen ROFEX konnten sie im Labor zum ersten Mal das Verhalten von aufsteigenden Blasenschwärmen im Belebtschlamm für drei unterschiedliche Belüftertypen ermitteln. Diese Ergebnisse überprüften sie anschließend unter realitätsnahen Bedingungen mit Belebtschlamm aus dem sächsischen Klärwerk Ebersbach in einer Technikumsanlage, die ein Füllvolumen von rund 14.000 Litern umfasst. Mit den experimentellen Daten validierten sie dann Simulationsmodelle der TU Dortmund.
„Wir konnten dabei feststellen, dass die Modelle unserer Kollegen die Prozesse in den Becken gut vorhersagen“, fasst Reinecke zusammen. „Auf der Basis können wir verbesserte Vermischungs- und Belüftungsstrategien entwickeln.“ Erste Simulationen der TU Dortmund von Betriebsvarianten für die Kläranlage im nordrhein-
HZDR / RK