Schlechte Warnung
Auf geologische Warnsignale ist kein Verlass, wenn man Erdbeben kurzfristig vorhersagen möchte.
Auf geologische Warnsignale ist kein Verlass, wenn man Erdbeben kurzfristig vorhersagen möchte.
Menlo Park (USA) - Parkfield in Kalifornien ist die Erdbeben-Hauptstadt der Welt. Diese Region über dem St. Andreas Graben wird nicht nur häufig von den geologischen Gewalten erschüttert. Hier legten Geophysiker auch das weltweit dichteste Netzwerk aus Messstationen aus, um verlässliche Informationen für eine Erdbebenvorhersage zu gewinnen. Doch in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift „Nature“ gestehen die Wissenschaftler ein, dass selbst die Flut an Messdaten nach dem letzten Starkbeben am 28. September 2004 keine Grundlage für eine kurzfristige Vorwarnung liefern konnte.
„Das Parkfield-Beben 2004 mit seinem Fehlen von offensichtlichen Vorläufern demonstriert, dass eine verlässliche, kurzfristige Vorhersage von Erdbeben immer noch nicht möglich ist“, berichten William H. Bakun und seine Kollegen vom US Geological Survey (USGS) in Menlo Park, Kalifornien. Über einen 40 Kilometer weiten Bereich nahmen die Forscher mit zahlreichen Geophonen die Bodenbewegungen vor dem Hauptbeben mit einer Magnitude 6 auf. Über die Verteilung dieser Mikrobeben ließ sich ein wahrscheinlicher Ort des Starkbebens zwar bestimmen, doch sichere Daten für eine zeitliche Vorhersage lieferten sie nicht. Auch Magnetfeldmessungen und großräumige Bewegungen, die über GPS-Sensoren aufgezeichnet wurden, ließen keine Prognose für einen Zeitpunkt zu.
In der elektrischen Leitfähigkeit im Boden vermuteten Geophysiker ein viel versprechendes Indiz für ein Starkbeben. Denn vor schweren Erdstößen scheint Wasser aus den Gesteinen zu quellen, wodurch der elektrische Widerstand verändert wird. Dieser Effekt soll die Reibung an Gesteinsklüften verringern und so als Schmiermittel für ein Starkbeben wirken. Doch beim Parkfield-Beben konnten auch auf dieser Basis keine zuverlässigen Vorhersage-Daten gewonnen werden.
Ebenso wie die amerikanischen Bebenforscher, mussten bislang auch andere führende Arbeitsgruppen, seien sie aus Japan, Deutschland oder der Schweiz, die zeitliche Unberechenbarkeit von großen Beben eingestehen. Doch aufgeben wollen sie nicht. „Um die Auswirkungen von Erdbeben heute zu reduzieren, sollten wir uns auf die Entwicklung von Bebenmodellen der nächsten Generation fokussieren“, erklären Bakun und Kollegen. Damit könne zumindest der Mechanismus der Beben und damit die Stärke und der Ort besser vorhergesagt werden.
Neue Erkenntnisse erwarten die USGS-Forscher nun von Sensoren, die nicht mehr nur an der Oberfläche, sondern im Boden möglichst nah am Bebenherd geologische Vorgänge aufzeichnen (SAFOD-Projekt). So bohrten sie in Parkfield an der sichtbaren Störungslinie des St. Andreas Grabens, wo Nordamerikanische und Pazifische Platte aufeinander stoßen, rund 3,2 Kilometer tief in die geologisch aktive Zone. Durch das letzte Beben 2004 wurde dieses Projekt zwar teilweise zerstört, doch stehe nun der Ausbau zu einem unterirdischen Langzeit-Labor für kommende Parkfield-Beben an. Doch nach derzeit verfügbaren Modellen könnte es bis zu 20 Jahre dauern, bis wieder ein starkes Beben diese Region heimsucht.
Jan Oliver Löfken
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:
W. H. Bakun et al., Implications for prediction and hazard assessment from the 2004 Parkfield earthquake, Nature 437, 969 (2005). - US Geological Survey (USGS):
http://www.usgs.gov - Parkfield, Erdbeben-Projekt, Kalifornien:
http://quake.wr.usgs.gov/research/parkfield/ - San Andreas Fault Observatory at Depth (SAFOD):
http://www.icdp-online.de/html/sites/sanandreas/index/index.html - Seismologischer Dienst Schweiz, Zürich:
http://www.seismo.ethz.ch - Geoforschungszentrum Potsdam:
http://www.gfz-postdam.de
Weitere Literatur:
- Bakun, W. H. & Lindh, A. G. The Parkfield, California, earthquake prediction experiment. Science 229, 619 (1985).
- Danijel Schorlelemmer, Stefan Wiemer, Microseismicity data forecast rupture area, Nature 434, 1086 (2002).
- National Earthquake Prediction Evaluation Council Working Group. Earthquake research at Parkfield, California, 1993 and beyond - report of the NEPEC working group to evaluate the Parkfield earthquake prediction experiment. US Geol. Surv. Circ. 1116, 1-14 (USGS, Reston, Virginia, 1994).
- Langbein, J. et al. Preliminary report on the 28 September 2004, M6.0 Parkfield, California, earthquake. Seismol. Res. Lett. 76, 10 (2005).
- Shakal, A. et al. Preliminary analysis of strong-motion recordings from the 28 September 2004 Parkfield, California earthquake. Seismol. Res. Lett. 76, 27 (2005).
- Rikitake, T. Earthquake Prediction 7-26 (Elsevier, Amsterdam, Netherlands, 1976).
- Bakun, W. H. & McEvilly, T. V. Earthquakes near Parkfield, California; comparing the 1934 and 1966 sequences. Science 205, 1375 (1979).