12.04.2017

Schmelzendes Grönlandeis stört Meeresströmung

Analyse von Sedimenten zeigt Veränderungen der Ozeanzirkulation vor 400.000 Jahren.

Aus aktuellen Beobachtungs­daten lassen sich deutlich Zeichen eines globalen Wandels ablesen. Das Jahr 2016 erreichte eine neue Rekord­marke bei den globalen Durchschnitts­temperaturen, die Eisbe­deckung der Arktis wird seit Jahren immer kleiner und das grön­ländische Inlandeis verliert ebenfalls an Volumen. Doch was bedeuten diese Entwick­lungen für die Zukunft? Um diese Frage zu beant­worten, vergleicht die Wissen­schaft unter anderem die heutige Situation mit Epochen der Erdgeschichte, die ähnliche Entwick­lungen durch­gemacht haben. Eine davon ist ungefähr 400.000 Jahre her und heißt in der Fachsprache MIS11 (Marine Isotopic Stage 11). Zwischen zwei Eiszeiten erwärmte sich die Erde damals für rund 30.000 Jahre lang so stark, dass Grönland zu großen Teilen eisfrei war und der Meeres­spiegel vermutlich um 6 bis 13 Meter höher lag als heute.

Abb.: Schmelzendes Eis vor Grönland: Ein Blick in die Klimageschichte kann Hinweise auf zukünftige Störungen der Meeresströmungen liefern. (Bild: R. Spielhagen)

Wissen­schaftler des Geomar Helmholtz-Zentrums für Ozean­forschung in Kiel, des Nieder­ländischen Meeres­forschungs­instituts NIOZ (Koninklijk Nederlands Instituut voor Onderzoek der Zee) sowie des Alfred-Wegener-Insti­tuts Helmholtz-Zentrum für Polar-und Meeres­forschung AWI in Bremer­haven konnten jetzt anhand von Meeres­boden-Proben zeigen, dass es während des MIS11, nach der Haupt­erwärmung, auf der Nordhalb­kugel noch kältere Phasen von einigen hundert Jahren gab. „Diese Phasen der Abkühlung gingen einher mit deutlichen Verän­derungen der Ozean­zirkulation“, erklärt Evgenia Kandiano.

Für die Studie haben die Forscher Sediment­kerne aus dem Meeres­boden des Nord­atlantiks untersucht. Neben Kalk­schalen von Meeres­organismen enthalten sie auch bestimmte chemische Ketten­verbindungen ehemaliger Algen, die im Laufe der Jahrhundert­tausende aus verschiedenen Stock­werken des Ozeans auf den Meeres­grund gesunken sind. Diese Überreste erhalten Informa­tionen über die Umwelt­zustände in früheren Zeiten. Aus den Schichten des Meeres­bodens, die während MIS11 entstanden sind, hat das Team neun verschiedene Daten­serien miteinander kombi­niert und abge­glichen. Sie zeigten über­einstimmend die vorüber­gehende Abkühlung des Meer­wassers, nachdem die Erder­wärmung ihren Höhepunkt schon erreicht hatte. „Da die unter­suchten Materia­lien aus verschiedenen Schichten des Meer­wassers stammen, konnten wir sogar eine Entwicklung der Abkühlung abhängig von der Wasser­tiefe erkennen“, erklärt Kandiano.

Demnach kühlte das Meer­wasser zunächst an der Ober­fläche ab, später betraf der Prozess auch die mittleren und tiefen Wasser­schichten. „Wir führen diesen Prozess darauf zurück, dass die schmelzenden Grönland­gletscher in der damaligen Warmzeit so viel kaltes Süßwasser in den Nord­atlantik entlassen haben, dass sie das salz­haltigere und wärmere Wasser in größere Tiefen abgedrängt haben. Dadurch schwächte sich die ober­flächen­nahe Wärme­zufuhr über den Golfstrom erheblich ab“, erklärt Kandiano. Ein ähnliches Szenario könnte sich auch durch die gegenwärtige Erder­wärmung ereignen. Beobachtungs­daten zeigen in einigen Bereichen des Nord­atlantiks bereits einen Rückgang des Salzgehaltes durch die Zufuhr von Schmelz­wasser.

Allerdings weisen die Mess­daten noch nicht auf Abschwächung der Zirku­lation hin. „Es sind nicht alle Fragen zu MIS11 geklärt, so dass eine direkte Über­tragung auf heutige Zeiten schwierig ist. Aber wir können eine direkte Beein­flussung vom schmelzenden Grön­landeis auf die damalige Ozean­strömungen nachweisen“, sagt Kandiano. Die erhöhte Zufuhr von Süßwasser an der Meeres­oberfläche in den kalten Regionen des Nord­atlantiks führt zu einer verstärkten Verbreitung von Meereis im Winter. „Die jahres­zeitliche Schwankung in der Ausdehnung des Meereises hat nicht nur einen Effekt auf den Ozean, sondern beein­flusst auch direkt das Wetter­geschehen“, ergänzt AWI-Forscher Henning Bauch. „Somit beeinflusst der Mecha­nismus nicht nur die relativ langsamen Prozesse im Ozean, sondern hat über die schnell ablau­fenden Prozesse in der Atmo­sphäre einen unmittel­baren über­regionalen Einfluss auch auf viele andere Parameter unseres Klima­systems“, so Bauch weiter.

Geomar / JOL

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