Schnappschüsse lichtgetriebener Elektronen
Verhalten von Elektronen in Festkörpern unmittelbar nach starken Laserpulsen untersucht.
Ein Laserpuls trifft auf ein Elektron in einem Festkörper. Erhält es bei dieser Photoinjektion genügend Energie, kann es sich danach frei durch einen Festkörper bewegen. Immer noch gibt es offene Fragen, wie die Prozesse dabei zeitlich ablaufen. Laserphysiker LMU München und des Max-Planck-Instituts für Quantenoptik haben nun direkt beobachtet, wie sich die optischen Eigenschaften von Silizium und Siliziumdioxid in den ersten Femtosekunden nach der Photoinjektion mit einem starken Laserpuls entwickeln.
Relativ einfach ist die Physik der Photoinjektion, wenn es um den photoelektrischen Effekt geht. In diesem Fall absorbiert ein Elektron ein einziges Photon. Dieses muss nur genug Energie haben, um das Elektron aus einem Potenzial zu befreien, das seine Bewegung einschränkt. Komplizierter wird es, wenn kein Photon in der Lichtwelle über genügend Energie verfügt. In diesem Fall können gebundene Elektronen sich befreien, indem sie mehr als ein Photon auf einmal absorbieren oder durch Quantentunneln. Dabei handelt es sich um nichtlineare Prozesse, die nur bei einem starken elektrischen Feld wirksam sind. Das bedeutet, dass sie nur im zentralen Teil eines Laserpulses effizient ablaufen.
Mit Werkzeugen der Attosekundenforschung ist es möglich, freie Ladungsträger innerhalb eines einzigen Halbzyklus der Welle eines Lichtpulses zu erzeugen. So lässt sich die Leitfähigkeit eines Festkörpers innerhalb weniger Femtosekunden um einige Größenordnungen erhöhen. Wie schnell Festkörper nach ultraschneller Photoinjektion ihre optischen Eigenschaften ändern, haben die Laserphysiker nun untersucht. Dazu schickten sie zwei Pulse von wenigen Wellenzyklen durch eine dünne Probe: einen intensiven Pumppuls, der Ladungsträger erzeugte, und einen schwachen Probepuls, der mit den Teilchen wechselwirkte. Da sich die Photoinjektion auf ein Zeitintervall beschränkte, das kürzer als ein halber Zyklus der Lichtwelle des Testfelds war, konnten die Forscher beobachten, wie die Ladungsträger in den ersten Femtosekunden mit dem Testfeld wechselwirkten.
Diese Information war in den Verzerrungen kodiert, die die Photoinjektion dem zeitabhängigen elektrischen Feld des Testpulses aufprägte. Die Wissenschaftler maßen diese Verzerrungen mit einer neuartigen Technik zur Abtastung des optischen Feldes und wiederholten ihre Messungen für unterschiedliche Verzögerungen zwischen dem anregenden und dem beobachtenden Puls. Die innovative Technik für feldaufgelöste Pump-Probe-Messungen gibt dem Team nun direkten Zugang zu lichtgetriebenen elektrischen Strömen während und nach der Photoinjektion. „Das wichtigste Ergebnis ist, dass wir jetzt wissen, wie wir solche Experimente durchführen und analysieren können, und dass wir die lichtgetriebene Elektronenbewegung tatsächlich gesehen haben, wie es vorher niemand konnte“, sagt Vladislav Yakovlev. „Wir waren überrascht, dass es keine klaren Anzeichen für die Bildung von Quasiteilchen gab. Das bedeutet, dass die Vielteilchenphysik in diesen speziellen Messungen keinen großen Einfluss darauf hatte, wie sich die Leitfähigkeit des Mediums nach der Photoinjektion aufbaut, aber vielleicht sehen wir in der Zukunft noch etwas ausgefallenere Physik.“
Die gesamte moderne Elektronik basiert auf der Steuerung des Flusses von Ladungsträgern, dabei wird ihre Fähigkeit, sich durch Schaltkreise zu bewegen, schnell erhöht oder verringert. Das Team arbeitet daran, die ultimativen Geschwindigkeitsgrenzen dieser Steuerung mithilfe von Licht zu erreichen. Die neuen Erkenntnisse könnten dazu beitragen, dass in Zukunft Signalverarbeitung im Petahertz-Bereich stattfinden kann und die Lichtwellenelektronik möglich wird. Lichtkontrollierte Elektronik würde die heutige Elektronik um etwa das 100.000-fache beschleunigen. „Wir haben nur an der Oberfläche dessen gekratzt, was solche ultraschnellen Messungen bewirken können“, sagt Yakovlev. „Ausgestattet mit unseren Erkenntnissen können auch andere Forscher nun unseren Ansatz nutzen, um ihre Fragen zu beantworten.“
LMU München / JOL