22.09.2017

Schneller Blick in Pulver und Geröll

Kernspinverfahren liefert exakte Bilder aus dem Inneren von granularen Medien.

Auch in unserer hochtechno­logisierten, modernen Welt ist es nicht möglich vorher­zusehen, wann etwa Felsstürze oder Erdbeben eintreten und wie sie im Detail ablaufen. Das liegt unter anderem daran, dass Wissen­schaftler das Verhalten von Geröll und Sand, noch dazu im Zusammen­spiel mit Wasser oder Gasen, trotz lang­jähriger Forschung noch immer nur ansatz­weise verstanden haben. Forscher der ETH Zürich um Christoph Müller und Klaas Prüssmann haben nun gemeinsam mit Kollegen der Univer­sität Osaka in Japan eine neue Untersuchungs­methode entwickelt, die in Zukunft die Erforschung solcher Phänomene erheblich erleichtern könnte. Viele Natur­ereignisse und Natur­katastrophen könnten so besser verstanden und vorher­gesagt werden.

Abb.: Aufsteigende Blasen in gasdurchströmten granularen Medien lassen sich mit Magnetresonanztomographie sichtbar machen. Dabei können die Geschwindigkeiten der einzelnen Partikel (Pfeile) gemessen werden. (Bild: A. Penn / ETHZ)

Granu­lare Systeme spielen nicht nur in der Natur eine zentrale Rolle. Auch in prak­tischen Anwendungen sind sie wichtig, etwa in der Chemie­industrie, wo drei Viertel der Ausgangs­stoffe in dieser Form vorliegen. Dort kämpft man häufig mit dem Problem, dass die Produktions­abläufe unter­brochen werden, zum Beispiel durch unvorher­gesehene und unzu­reichend verstandene Stauung oder Ent­mischung der verwen­deten granu­laren Materialien. „Selbst eine kleine Effizienz­steigerung der Produktions­prozesse durch verbessertes Wissen würde dort zu einer enormen Energie­ersparnis führen“, erklärt Doktorand Alexander Penn. Will man aber beispiels­weise erforschen, was passiert, wenn man verschiedene Partikel mischt oder in Wirbelbett­reaktoren mit Gasen reagieren lässt, so steht man vor einem großen Problem. Granulare Systeme sind nämlich undurch­sichtig, so dass es sehr schwierig ist, etwas über die genaue räumliche Vertei­lung der Partikel und ihre Bewegungen zu erfahren.

Um dieses Hindernis zu überwinden, haben die Wissen­schaftler eine Technik, die heute vor allem in der Medizin verwendet wird, wieder in die physikalische Forschung zurückgeholt: die Magnet­resonanz­tomo­graphie (MRT). Dabei werden mit Hilfe von Radio­wellen und starken Magnet­feldern zunächst die magne­tischen Momente bestimmter Atomkerne eines Gewebes oder Materials räumlich ausge­richtet. An­schließend verlieren die Atomkerne diese Aus­richtung wieder, wobei sie ihrer­seits Radio­wellen aussenden, die dann gemessen werden können. Aus den Messer­gebnissen lässt sich schließlich ein drei­dimensionales Bild der Positionen der Atomkerne im Material erstellen.

Die Forscher haben in ihren Experi­menten ein kommer­zielles MRT-Gerät um mehrere Radio­antennen erweitert und die Messdaten mit Hilfe spe­zieller Software analysiert. Damit gelang es ihnen, Schnapp­schüsse aus dem Inneren bewegter granu­larer Systeme zehn­tausend Mal schneller zu machen, als das bisher möglich war. Sie ent­wickelten dazu spezielle Partikel, welche aus einem Milli­meter großen, mit Agar umman­telten Öltropfen bestanden und ein besonders starkes Magnet­resonanz-Signal erzeugte. Damit unter­suchten sie unter anderem das Verhalten von granu­laren Systemen, die von einem Gas durchströmt werden. Durch das strömende Gas nimmt das sonst feste granulare Medium den Charakter einer Flüssig­keit an. Gasblasen können in diesem flui­disierten granularen System aufsteigen, sich teilen oder mit­einander verschmelzen. Bisher konnte man solche Blasen nicht in Echtzeit studieren.

Mit der neuen Untersuchungs­technik können jetzt Bilder aus dem Inneren von granularer Materie mit einer zeit­lichen Auflösung von weniger als einer hun­dertstel Sekunde gemacht werden. Zudem ist es durch eine geschickte Analyse der Magnet­resonanz-Signale möglich, die Geschwindig­keiten der Partikel zu messen und damit zusätzliche Informa­tionen über die Dynamik dieser komplexen Systeme zu erhalten. Mögliche Anwendungen der Erkennt­nisse, die mit der neuen Technik gewonnen werden können, sind viel­fältig. Die Forscher planen unter anderem, bestehende theo­retische Modelle für granulare Systeme genau zu überprüfen und gegebenen­falls zu verbessern.

Dazu gehören etwa die spontane Ent­mischung von granu­laren Mischungen mit Partikeln unter­schiedlicher Größe, die in indus­triellen Anwendungen zu Problemen führen kann, sowie die plötzliche Stauung von fließenden Systemen. Die Blasen­bildung in durch­strömten granularen Systemen wiederum ist wichtig für Verfahren, in denen ein Gas chemisch möglichst stark mit den Bestand­teilen der Partikel reagieren soll. Solche Verfahren kommen zum Beispiel bei der Abscheidung von Kohlen­dioxid zum Einsatz, mit der in Zukunft dem Klima­wandel entgegen­gewirkt werden soll. Auch hier könnte ein besseres Verständnis der physi­kalischen Abläufe zu höherer Effizienz und zu bedeu­tender Energie­ersparnis führen

ETHZ / JOL

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