Schneller rechnen mit Molekülen
Japanische Forscher haben mit Jodmolekü- len ultraschnelle Fourier-Transfor- mationen durchgeführt.
Japanische Forscher haben mit Jodmolekülen ultraschnelle Fourier-Transformationen durchgeführt.
Interferenz und Verschränkung von Quantenzuständen eröffnen neue Möglichkeiten für die Informationsverarbeitung, die ein Quantencomputer nutzen könnte. Doch auch mit nicht verschränkten Zuständen, die lediglich interferieren, lassen sich mathematische Probleme lösen. Vor zwei Jahren hatte man sechsstellige Zahlen in Primfaktoren zerlegt, indem man Rubidiumatome mit Lichtpulsen in bestimmte Überlagerungszustände angeregt hatte. Jetzt haben japanische Forscher Jodmoleküle in Überlagerungen von Schwingungszuständen gebracht, aus denen sich nach 145 Femtosekunden die diskrete Fourier-Transformation von Vektoren entnehmen ließ.
Bei der diskreten Fourier-Transformation, die man in vielen wissenschaftlich-technischen Bereichen einsetzt, werden die Komponenten eines Anfangsvektors mit bestimmten Phasenfaktoren multipliziert und dann summiert, sodass sich als Resultat ein Endvektor ergibt: die Fourier-Transformierte. In ähnlicher Weise werden bei der zeitlichen Entwicklung eines quantenmechanischen harmonischen Oszillator die Teilwellen eines Anfangszustands mit zeitabhängigen Phasenfaktoren multipliziert und dann miteinander zu einem Endzustand überlagert. Für bestimmte Zeitpunkte treten beim harmonischen Oszillator dieselben Phasenfaktoren auf wie bei der diskreten Fourier-Transformation.
Diese Entsprechung zwischen der diskreten Fourier-Transformation eines Vektors und der Entwicklung des Zustandsvektors eines harmonischen Oszillators haben Kenji Ohmori vom Institute for Molecular Science in Myodaiji und seine Kollegen ausgenutzt. Als Oszillatoren haben sie zweiatomige Jodmoleküle genommen, die bei schwacher Anregung harmonische mechanische Schwingungen mit einer Frequenz von 1,7 THz ausführten. Mit Hilfe der Moleküle haben die Forscher Vektoren mit vier oder acht Komponenten fourier-transformiert. Die Oszillatorfrequenz, die die Geschwindigkeit dieser Transformation bestimmte, übertraf dabei die Taktfrequenz herkömmlicher Computer um drei Größenordnungen.
Um diese ultraschnelle Fourier-Transformation durchzuführen, wurden die Moleküle aus ihrem Grundzustand mit einem Laserpuls in einen angeregten Quantenzustand gebracht, wobei sie in mechanische Schwingungen gerieten. Der angeregte Schwingungszustand war z. B. eine Überlagerung aus vier Eigenschwingungen des harmonischen Oszillators mit der Schwingungsquantenzahl 34, 36, 37 bzw. 38. Die Amplituden dieser vier Eigenschwingungen entsprachen den vier Komponenten des Vektors, dessen Fourier-Transformierte berechnet werden sollte.
Die angeregten Eigenschwingungen entwickelten sich im Laufe der Zeit in unterschiedlicher Weise und erhielten dabei unterschiedliche Phasenfaktoren. Nach 145 fs hatten die Phasenfaktoren genau die Form, wie sie für die Fourier-Transformationen eines vierkomponentigen Vektors benötigt wurden. Exakt in diesem Moment stoppten die japanischen Forscher die Entwicklung des Schwingungszustands und bestimmten ihn so genau wie möglich. Dazu haben sie die Amplituden der vier angeregten Eigenschwingungen sowie ihre Phasen gemessen.
Zur Amplitudenmessung brachten Kenji Ohmori und seine Kollegen die schwingenden Moleküle mit einem weiteren Laserpuls in einen höher liegenden elektronischen Zustand, von wo sie unter Lichtemission in den Grundzustand zurückkehrten. Die Forscher variierten die Frequenz dieses Messpulses und registrierten dabei die Intensität des Fluoreszenzlichts. Entsprach die Laserfrequenz der Übergangsfrequenz zwischen einer der vier angeregten Eigenschwingungen und dem höher liegenden elektronischen Zustand, sie war die registrierte Lichtintensität ein Maß für die Amplitude der entsprechenden Eigenschwingung.
Die Phasen der vier Eigenschwingungen bestimmten die Forscher durch Interferenz. Sie schickten dem Anregungspuls, der die Moleküle in die Überlagerung der vier Eigenschwingungen gebracht hatte, einen Referenzpuls mit variabler Phasenverzögerung hinterher. Daraufhin interferierten die durch die Pulse verursachten Anregungen der Moleküle. Wurde die Phasendifferenz zwischen Referenz- und Anregungspuls kontinuierlich verändert, so schwankte die Intensität des Fluoreszenzlichtes. Aus diesem Interferenzsignal konnten die Forscher die relativen Phasen der vier Eigenschwingungen entnehmen und die Fourier-Transformation abschließen.
Bisher ist es noch nicht möglich, die molekularen Fourier-Transformationen mit anderen Operationen zu verknüpfen und hintereinander auszuführen. Zudem dauert das Ein- und Auslesen der Zustandsvektoren deutlich länger als die eigentliche Transformation. Auch wurden die Experimente bisher an Ensembles von Molekülen durchgeführt. Für skalierbare logische Bauelemente müssten man jedoch auch einzelne Moleküle adressieren können. Das Experiment der japanischen Forscher zeigt aber schon jetzt eindrucksvoll, dass man Moleküle zum ultraschnellen Rechnen bringen kann.
RAINER SCHARF
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