Schneller rechnen mit Pseudospins
Valleytronics – Lichtpulse transportieren Elektronen zwischen Energietälern.
Kurze Lichtblitze eignen sich dazu, den raschen Wechsel zwischen zwei Energiezuständen in einem Halbleiter zu kontrollieren. Damit ist eine Voraussetzung erfüllt, um automatische Rechenoperationen auszuführen, die erheblich schneller vonstattengehen als mit herkömmlicher Elektronik. Bisher wurde der Ruf nach verbesserten Leistungen mit höheren Taktraten und einer fortschreitenden Miniaturisierung der Bauteile beantwortet. „Eine weitere Verkleinerung und Beschleunigung stößt jedoch an fundamentale Grenzen“, sagt Peter Hawkins von der Universität Marburg.
Abb.: Die Energielandschaft einer Monolage Wolframdiselenids verfügt über zwei inäquivalente Täler. Elektronen werden von einem in das andere Tal beschleunigt. (Bild: F. Langer)
„Einen Ausweg eröffnet die Kontrolle von Elektronenbewegung durch das elektrische Feld einer Lichtwelle“, führt Fabian Langer von der Universität Regensburg aus. Extrem kurze Lichtblitze sind in der Lage, die Bewegung von Elektronen auf einer ultra-kurzen Zeitskala zu manipulieren und zu steuern. Dies erlaubt eine millionenfach schnellere Steuerung von elektrischen Strömen, mit der sich die Beschränkungen konventioneller Elektronik überwinden lassen. Das Team um Stephan W. Koch von der Universität Marburg, Mackillo Kira aus Ann Arbor sowie Kollegen von der Universität Regensburg ging nun daran, einen solchen Prozess in dem Halbleitermaterial Wolframdiselenid zu untersuchen. Dieses besteht aus einer einzigen Schicht von Wolframatomen, die auf beiden Seiten von Selenatomen umgeben ist.
Ein schwacher Lichtpuls genügt, um Elektronen in diesem hauchdünnen Halbleiter zu zwei unterschiedlichen, voneinander getrennten Energiezuständen anzuregen. Wählt man die Einstellung der Lichtquelle geschickt, so lassen sich diese beiden Täler getrennt voneinander anregen, wobei Elektronen gezielt nur in einem der beiden Täler entstehen. „Die beiden Täler unterscheiden sich durch eine quantenphysikalische Eigenschaft, ihren Pseudospin“, erläutert Ulrich Huttner von der Universität Marburg. Um diese Phänomene irgendwann zum Rechnen verwenden zu können, muss man den Wechsel von einem Zustand zum anderen unter Kontrolle bringen. Das ist den Physikern jetzt gelungen. Zu diesem Zweck bestrahlten die Forscher das hauchdünne Material zunächst mit kurzen, starken Lichtpulsen, um Elektronen zwischen den beiden Energietälern zu transportieren.
Dabei kommt es zu kurzen Lichtblitzen, die Rückschlüsse darauf zulassen, in welchem Tal sich das Elektron befindet. Für die Analyse berechneten die Physiker einerseits die Eigenschaften des Halbleiters und griffen andererseits auf Modelle der Quantenmechanik zurück, um die Prozesse im Inneren des Materials zu beschreiben. Die Untersuchungen bestätigten, dass die auftretenden Effekte tatsächlich auf einer Änderung des Pseudospins beruhen, die durch ein sehr starkes Lichtfeld verursacht wird. „Wir zeigen mit unseren Untersuchungen erstmals, dass man den Pseudospin in kürzesten Zeitintervallen durch Lichtwellen ändern kann“, berichten die Forscher. So könnte solch ein Schalt-Prozess ein wichtiger Baustein im Gebiet der Lichtwellen-Elektronik der Zukunft sein.
U. Marburg / JOL