15.12.2014

Schnellere Protein-Porträts

Verbesserung von „native SAD" kann Kristall­struk­turen schnel­ler herausfinden und so die Ent­wick­lung neuer Medi­ka­mente be­schleu­nigen.

Wollen Forscher die Struktur einer Substanz, etwa eines Proteins, auf atomarer Skala auflösen, braucht man Licht mit sehr kurzer Wellenlänge: also Röntgen­licht. Spätestens seitdem Anfang der 1950er Jahre mit Hilfe von Röntgenlicht die Aufschlüsselung der berühmten Doppelhelix-Struktur eines DNA-Moleküls gelang, steht die Tauglichkeit dieses Werkzeugs außer Frage. Die über­wie­gende Mehrheit der heute bekannten Protein­strukturen sind mithilfe der Röntgenkristallographie bestimmt worden. Besonders leistungsstark ist die Protein­kristallo­graphie dank der hohen Qualität des Röntgen­lichts, das Synchro­tron­licht­quellen erzeugen. Zu den welt­besten Synchrotron­anlagen zählt die Synchro­tron­licht­quelle Schweiz SLS des PSI, an der die neue Technik entwickelt und getestet worden ist.

Abb.: Meitian Wang, Tobias Weinert und Vincent Olieric an ihrem Arbeitsplatz in der Synchro­tron­licht­quelle Schweiz SLS. (Bild: PSI, M. Dzambegovic)

Die PSI-Forscher verbessern mit ihrer jüngsten Arbeit eine als „native SAD", single-wavelength anomalous diffraction, bekannte Methode, die Anfang der 1980er Jahre zum ersten Mal angewendet wurde. Bevor sich die Struktur von Proteinen mit anderen weiter verbreiteten Techniken bestimmen lässt, müssen diese in der Regel aufwändig im Labor aufbereitet werden. Die Aufberei­tung besteht darin, schwere Atome in die Protein­struktur einzubauen, die das Beugungs­signal verstärken. Die Native-SAD-Methode nutzt die in den Proteinen natürlich vorkommenden Schwefel­atome sowie andere leichtere Atome zur Struktur­bestimmung und kann daher auf den komplizierten und nicht immer machbaren Einbau fremder Elemente in das Protein verzichten. Bisher ließ sich jedoch nur die Strukturen von sehr kleinen Proteinen bestimmen, somit war die Methode nur in Einzel­fällen anwendbar. Die weiter entwickelte Methode kann dagegen nun neunzig Prozent aller Protein­strukturen aufklären.

Wichtig für den Erfolg war die hohe Empfind­lichkeit der verwendeten PILATUS-Detektoren der Firma Dectris, eines Spin-Offs des PSI. „Diese Detektoren können selbst bei niedriger Intensität des Röntgen­lichts genügend starke, rauscharme Signale aufzeichnen. Dadurch kann man die Protein­struktur mit einer relativ kleinen Dosis an Röntgen­strahlung bestimmen“, erläutert PSI-Wissen­schaftler Vincent Olieric. Eine hohe Strahlungsdosis ist bei konventio­nellen Techniken oft notwendig, um überhaupt ein Bild des Proteins zu bekommen. Die hohe Strahlungs­dosis kann die Proteine in manchen Fällen jedoch so stark schädigen, dass ihre Struktur verändert wird.

Um genügend Daten bei niedriger Strahlungs­dosis sammeln zu können und auch um die notwendige Verbes­serung in der Genauigkeit der Messungen zu erzielen, griffen die Forscher zu einem weiteren Trick: Sie rotierten die Probe nicht nur wie üblich um die Achse des Röntgen­strahls, sondern auch um die zwei Achsen senkrecht dazu. Dazu machten sie sich das am PSI entwickelte Gonio­meter PRIGo zunutze, das die Rotationen mit extremer Genauig­keit durchführt. Sie mussten das Goniometer so anpassen und verkleinern, bis es im engen Raum um die Probe herum nirgendwo mehr anstieß.

„Wir haben mit unserer Technik innerhalb von dreißig Monaten mehr als zwanzig Protein­strukturen bestimmen können. In den letzten zwanzig Jahren hat man mit der Nativen SAD-Technik nur hundert Strukturen aufgeklärt. Das zeigt, wie unsere Methode den Gesamtp­rozess beschleunigen kann“, sagt Tobias Weinert,. Zu den Proteinstrukturen, die die Forscher mit ihrer neuen Technik geknackt haben, zählt jene des Proteins T2R-TTL, eines Tubulin-Moleküls, das im Skelett vieler Zellen vorkommt und diese mechanisch stärkt. „Das ist die größte und somit komplexeste bisher mit der nativen SAD-Technik aufgeklärte Protein­struktur. Vor unserer Arbeit hielten es fast alle für unmöglich, diese Protein­struktur in ihrem ursprüng­lichen Zustand mit nativer SAD zu bestimmen.“

Da die meisten Proteine kleiner und weniger komplex sind als Tubulin, heißt das, dass man nun die meisten Strukturen mit dieser verbes­serten Methode lösen kann womit sie zum neuen Standard avanciert und Struktur­bestim­mungen von vielen Proteinen in Zukunft schneller, einfacher und kosten­effizienter macht.

PSI / OD

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