Schnellere Protein-Porträts
Verbesserung von „native SAD" kann Kristallstrukturen schneller herausfinden und so die Entwicklung neuer Medikamente beschleunigen.
Wollen Forscher die Struktur einer Substanz, etwa eines Proteins, auf atomarer Skala auflösen, braucht man Licht mit sehr kurzer Wellenlänge: also Röntgenlicht. Spätestens seitdem Anfang der 1950er Jahre mit Hilfe von Röntgenlicht die Aufschlüsselung der berühmten Doppelhelix-Struktur eines DNA-Moleküls gelang, steht die Tauglichkeit dieses Werkzeugs außer Frage. Die überwiegende Mehrheit der heute bekannten Proteinstrukturen sind mithilfe der Röntgenkristallographie bestimmt worden. Besonders leistungsstark ist die Proteinkristallographie dank der hohen Qualität des Röntgenlichts, das Synchrotronlichtquellen erzeugen. Zu den weltbesten Synchrotronanlagen zählt die Synchrotronlichtquelle Schweiz SLS des PSI, an der die neue Technik entwickelt und getestet worden ist.
Abb.: Meitian Wang, Tobias Weinert und Vincent Olieric an ihrem Arbeitsplatz in der Synchrotronlichtquelle Schweiz SLS. (Bild: PSI, M. Dzambegovic)
Die PSI-Forscher verbessern mit ihrer jüngsten Arbeit eine als „native SAD", single-wavelength anomalous diffraction, bekannte Methode, die Anfang der 1980er Jahre zum ersten Mal angewendet wurde. Bevor sich die Struktur von Proteinen mit anderen weiter verbreiteten Techniken bestimmen lässt, müssen diese in der Regel aufwändig im Labor aufbereitet werden. Die Aufbereitung besteht darin, schwere Atome in die Proteinstruktur einzubauen, die das Beugungssignal verstärken. Die Native-SAD-Methode nutzt die in den Proteinen natürlich vorkommenden Schwefelatome sowie andere leichtere Atome zur Strukturbestimmung und kann daher auf den komplizierten und nicht immer machbaren Einbau fremder Elemente in das Protein verzichten. Bisher ließ sich jedoch nur die Strukturen von sehr kleinen Proteinen bestimmen, somit war die Methode nur in Einzelfällen anwendbar. Die weiter entwickelte Methode kann dagegen nun neunzig Prozent aller Proteinstrukturen aufklären.
Wichtig für den Erfolg war die hohe Empfindlichkeit der verwendeten PILATUS-Detektoren der Firma Dectris, eines Spin-Offs des PSI. „Diese Detektoren können selbst bei niedriger Intensität des Röntgenlichts genügend starke, rauscharme Signale aufzeichnen. Dadurch kann man die Proteinstruktur mit einer relativ kleinen Dosis an Röntgenstrahlung bestimmen“, erläutert PSI-
Um genügend Daten bei niedriger Strahlungsdosis sammeln zu können und auch um die notwendige Verbesserung in der Genauigkeit der Messungen zu erzielen, griffen die Forscher zu einem weiteren Trick: Sie rotierten die Probe nicht nur wie üblich um die Achse des Röntgenstrahls, sondern auch um die zwei Achsen senkrecht dazu. Dazu machten sie sich das am PSI entwickelte Goniometer PRIGo zunutze, das die Rotationen mit extremer Genauigkeit durchführt. Sie mussten das Goniometer so anpassen und verkleinern, bis es im engen Raum um die Probe herum nirgendwo mehr anstieß.
„Wir haben mit unserer Technik innerhalb von dreißig Monaten mehr als zwanzig Proteinstrukturen bestimmen können. In den letzten zwanzig Jahren hat man mit der Nativen SAD-Technik nur hundert Strukturen aufgeklärt. Das zeigt, wie unsere Methode den Gesamtprozess beschleunigen kann“, sagt Tobias Weinert,. Zu den Proteinstrukturen, die die Forscher mit ihrer neuen Technik geknackt haben, zählt jene des Proteins T2R-TTL, eines Tubulin-Moleküls, das im Skelett vieler Zellen vorkommt und diese mechanisch stärkt. „Das ist die größte und somit komplexeste bisher mit der nativen SAD-Technik aufgeklärte Proteinstruktur. Vor unserer Arbeit hielten es fast alle für unmöglich, diese Proteinstruktur in ihrem ursprünglichen Zustand mit nativer SAD zu bestimmen.“
Da die meisten Proteine kleiner und weniger komplex sind als Tubulin, heißt das, dass man nun die meisten Strukturen mit dieser verbesserten Methode lösen kann womit sie zum neuen Standard avanciert und Strukturbestimmungen von vielen Proteinen in Zukunft schneller, einfacher und kosteneffizienter macht.
PSI / OD