01.06.2016

Schräg gewachsen und hochtalentiert

Perowskite mit ungewöhnlicher Kristallausrichtung zeigen in Simulationen erstaunliche Eigenschaften.

Eine einzelne Schicht aus Kohlenstoffatomen, geordnet in einem Honig­waben­gitter – Graphen fasziniert Wissenschaft und Industrie. Als noch viel­versprechender könnten sich allerdings andere Materialien erweisen: Übergangs­metall­oxide. Dies belegen quanten­mechanische Simulationen aus der Arbeits­gruppe von Rossitza Pentcheva vom Center for Nano­integration (CENIDE) der Universität Duisburg-Essen (UDE).

Abb.: HAADF-STEM-Aufnahme eines 2NdNiO3 /4LaAlO3-Supergitters (Bild: S. Middey et al.)

Buchstäblich neue Welten können sich in der physikalischen Fest­körper­forschung an den Rändern von Materialien auftun: Wenn Perowskite – Oxide, die aus Sauerstoff, Metallionen und Selten-Erd-Elementen bestehen – entlang ungewöhnlicher kristallo­graphischer Richtung aufwachsen, bilden je zwei Metall­schichten ein gebogenes Honigwaben­gitter, ähnlich wie in Graphen. Wegen ihrer stark wechsel­wirkenden Elektronen bieten diese Übergangs­metall­oxide ganz neue Chancen, da sie verschiedene magnetische und elektronische Zustände einnehmen können. Seit kurzem ist es nun möglich, dieses Gitter in einer Hetero­struktur zu realisieren, wie Experimente aus den USA und China zeigen.

„Diese Honigwabenstruktur kombiniert mit den Möglichkeiten eines Oxids ist eine Spiel­wiese sowohl für die Grundlagen­forschung wie auch für Anwendungen, weil ganz neue, einzigartige Eigenschaften realisiert werden können“, erklärt Pentcheva. Für die nötigen Simulationen füttert die Expertin für computer­gestützte Material­physik ihren Rechner mit Informationen über die Kristall­struktur und chemische Elemente des Materials und lässt ihn anschließend die elektronische Struktur und magnetische Eigenschaften berechnen.

Durch die systematische Untersuchung chemisch miteinander verwandter Elemente – wie zum Beispiel Titan, Eisen oder Kobalt – fand sie heraus, dass Lanthan­manganat unter bestimmten Bedingungen als eine Art topologischer Isolator fungieren kann: Während diese im Innern isolierend sind, erlauben sie gleichzeitig auf ihrer Oberfläche die Bewegung von Ladungen, leiten hier also den elektrischen Strom. Zudem sind sie magnetisch und deshalb nicht auf ein externes Magnetfeld angewiesen. Damit würde das Material für künftige Anwendungen wie den Quanten­computer noch viel­versprechender sein als das momentan hochgehandelte Graphen oder andere Materialien, die eine viel zu kleine Bandlücke aufweisen und oft toxisch sind.

Pentchevas Ergebnisse helfen somit nicht nur, die Messdaten der amerikanischen und chinesischen Kollegen zu interpretieren. Vielmehr werfen sie ein Schlaglicht auf viel­versprechende Material­kombinationen für zukünftige Experimente und Anwendungen. „In der Theorie haben wir die entscheidenden Eigenschaften für diese exotischen Systeme vorhergesagt, nun sind wir gespannt auf die experimentelle Umsetzung“, freut sich Pentcheva.

UDE / DE

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