Schuss in die Christbaumkugel
Was passiert, wenn man in eine mit Wasser gefüllte Christbaumkugel schießt? Und was hat das mit James Bond zu tun? Hochgeschwindigkeits-Videos liefern die Antworten.
Wassergefüllte Christbaumkugeln platzen beim Eindringen eines Luftpistolenprojektils. Dieser Vorgang lässt sich einfach durch die sehr geringe Kompressibilität des Wassers und eine damit verbundene starke Druckerhöhung erklären. Eine genaue Analyse aller Vorgänge sollte aber auch Fragen beantworten wie: Spielen vorhandene Luftblasen in der Flüssigkeit eine Rolle? Wie lange dauert es bis zum Aufplatzen, und muss die wassergefüllte Kugel eigentlich fest verschlossen sein?
Die aus Sicht des Projektils rückwärtige Wand kann nur dann vor dessen Austritt platzen, wenn die Information der Störung der Druckverhältnisse vorher dort ankommen. Beim Eintritt in die Kugel wird das Wasser komprimiert, und es bilden sich Schockwellen in der Flüssigkeit aus. Deren minimale Geschwindigkeit entspricht der Schallgeschwindigkeit in Wasser von etwa 1480 m/s bei Zimmertemperatur. Demzufolge durchquert die Schockwelle eine Kugel mit 57 mm Durchmesser in maximal 38,5 µs. Das liegt deutlich unterhalb der Zeit bis zum Projektilaustritt – und übrigens auch unter der Zeitauflösung unserer Aufnahmen. Dies kann erklären, weshalb die Kugel bereits platzt, bevor das Projektil wieder austritt.
Eier verfügen üblicherweise im Innern über eine Luftblase, und auch Christbaumkugeln können beim Füllen mit Wasser leicht Luftblasen von zumindest der Größenordnung des Projektilvolumens beinhalten. Es tritt deshalb die Vermutung auf, dass dieses Luftvolumen eine Umverteilung der Flüssigkeit ermöglicht und deshalb das eindringende Projektil eventuell gar nicht den für das Zerplatzen nötigen Druck aufbauen kann. Wieso platzen Christbaumkugeln dann überhaupt?
Eine offensichtliche Erklärung liefert die Massenträgheit des Wassers: Die Umverteilungszeitskala des Wassers ist deutlich länger, als die Zeitskala, auf der die Schockwelle die Flüssigkeit durchquert. Die Kugeln zerplatzen also, bevor die Umverteilung des Wassers in Gang kommt. Diese qualitative Überlegung haben wir experimentell überprüft.
Zunächst wurde eine Christbaumkugel mit Wasser randvoll gefüllt, aber die obere Öffnung nicht verschlossen. Dann schossen wir mit einer Luftpistole von oben in die Öffnung hinein. Dadurch verhinderten wir die Rissbildung in der Kugelhülle beim Eintritt des Projektils und ermöglichten es dem Wasser sich umzuverteilen, zum Beispiel indem es aus der Öffnung herausspritzte.
Das Video zeigt, dass auch in diesem Experiment mit einem offenen Wasservolumen, das eine Umverteilung erlaubt, die Schale zerplatzt bevor das Projektil austritt. Auch in diesem Fall baut sich also ein ausreichend hoher Druck auf. Die Trägheitseffekte verhindern also eine schnelle Umverteilung der Flüssigkeit, die zum Druckabbau führen könnte.
Weitere Rückschlüsse auf den Mechanismus des Druckaufbaus in der Flüssigkeit liefert ein weiterer Test. Um die Vorgänge im Innern beobachten zu können, wurde ein analoges Experiment mit einem beidseitig offenen Glaskolben der Länge 26 cm durchgeführt. Das untere Ende verschlossen wir wasserdicht mit einer flexiblen Gummimembran. Diese verhindert einen hohen Druckaufbau in der Flüssigkeit und somit das Platzen des Glaskolbens.
Ein durch die obere Öffnung eintretendes Projektil erzeugt hinter sich einen luftgefüllten Kanal, das benachbarte Wasser benötigt 3 bis 5 ms, um die Öffnung beim Eintritt zu schließen. Der Luftkanal löst sich dann in viele einzelne Luftblasen auf, die langsam zur Oberfläche steigen.
Im Vergleich zur Christbaumkugel war die obere Eintrittsöffnung (30 mm) größer, so dass es beim Eintreten des Projektils auch mehr spritzte. Auf der langen Strecke durch den Kolben wurde es so stark abgebremst, dass es die untere Gummimembran zwar erreichte und leicht um 2 bis 3 mm ausbeulte, aber nicht durchdrang. Ein klein wenig Wasser wurde aus der unteren Dichtung herausgedrückt und führt im Video zu Lichtstreuung.
Dieses Experiment demonstriert, dass eine in Wasser eintretende Kugel nicht nur ihr eigenes Volumen einbringt, sondern kurzzeitig hinter sich ein um ein Vielfaches größeres, wasserfreies Volumen erzeugt. Auch eine kleine Stahlkugel kann beim Fall ab etwa 50 cm Fallhöhe einen solchen luftgefüllten Kanal bilden.
Soche Versuche ermöglichen es, das Abbremsen schnell bewegter Körper in Flüssigkeiten quantitative zu untersuchen. Was das mit James Bond zu tin hat, lesen Sie in dem Originalbeitrag in der aktuellen Ausgabe von Physik in unserer Zeit, den wir bis zum 28.12. zum freien Download anbieten.