Schwache Streuung bei Intensiver Röntgenstrahlung
Selbstinduzierte ultraschnelle Demagnetisierung limitiert die Streuung von weicher Röntgenstrahlung an magnetischen Proben.
Freie-Elektronen-Röntgenlaser erzeugen extrem intensive und ultrakurze Röntgenblitze, mit deren Hilfe Proben auf der Nanometerskala mit nur einem einzigen Lichtpuls abgebildet werden können. Wenn die Wellenlänge des Röntgenlichts so gewählt wird, dass sie zu bestimmten elektronischen Übergängen passt, können magnetische Strukturen sichtbar gemacht werden. Dieser magnetische Kontrast verschwindet allerdings, wenn die Intensität des Röntgenlichts zu groß wird. Ein internationales Forscherteam aus konnte jetzt den dafür verantwortlichen Mechanismus aufklären.
Die Wissenschaftler haben in einem besonders präzisen Experiment die Abhängigkeit der resonanten, magnetischen Streuung von der eingestrahlten Röntgenintensität pro Fläche, also der Fluenz, untersucht. Dafür haben sie ferromagnetische Domänenproben mit individuellen „Fluenzmonitoren” ausgestattet, die die Intensität der Röntgenstrahlung direkt auf der Probe messen. Auf diese Weise konnte die Streuintensität mit großer Genauigkeit über mehr als drei Größenordnungen in der Fluenz gemessen und die unvermeidbaren Intensitätsfluktuationen der Röntgenblitze präzise berücksichtigt werden. Das Experiment selbst wurde am Freie-Elektronen-Laser FERMI in Italien durchgeführt.
Die Magnetisierung eines Materials ist eng mit dem Zustand seiner Elektronen verbunden. Deren Bewegung um den Atomkern sowie ihr Spin verursachen zusammen das magnetische Moment. Für ihr Experiment verwendeten die Forscher ferromagnetische, labyrinthartige Domänen, die sich in kobaltbasierten Vielschichtsystemen ausbilden. Solche Materialien werden oft prototypisch in Experimenten zur magnetischen Streuung an Röntgenlasern verwendet. Durch die Wechselwirkung mit dem Röntgenstrahl wird die Besetzung der Elektronenniveaus in der Probe geändert und die Energie der Niveaus selbst kann sich verschieben.
Beide Effekte könnten dazu führen, dass das Streusignal geschwächt wird. Im ersten Fall würde die Gesamtmagnetisierung durch die Umverteilung der Elektronen mit unterschiedlichen Spins vorübergehend reduziert. Im zweiten Fall bliebe die Magnetisierung erhalten, kann aber nicht mehr detektiert werden, weil sich die in der resonanten Streuung beteiligten Energieniveaus verschieben. Zudem wurde diskutiert, ob stimulierte Emission bei hohen Röntgenfluenzen und Pulslängen unter hundert Femtosekunden eine wichtige Rolle spielen könne. Tritt stimulierte Emission auf, so übernimmt das ausgesendete Photon immer die Richtung des einfallenden Photons und kann daher nicht mehr zum in der Streuung abgelenkten Licht beitragen.
Die Ergebnisse der Untersuchung zeigen, dass stimulierte Emission für die Streuung an den Co-3p-Energieniveaus keine wesentliche Rolle spielt. Damit ergibt sich ein deutlicher Unterschied zur Streuung in Resonanz mit den höherenergetischen 2p-Niveaus, bei der der Einfluss von stimulierter Emission für die Reduktion des Streusignals verantwortlich gemacht wurde. Die neuen experimentellen Daten lassen sich im gesamten Fluenzbereich durch Demagnetisierung erklären, deren zeitlichen Verlauf die Forscher zuvor bereits mit laserbasierten Experimenten charakterisiert hatten. Da die angeregten Co-3p-Niveaus aufgrund des Auger-Zerfalls eine extrem kurze Lebensdauer von nur 0,25 Femtosekunde haben, ist es wahrscheinlich, dass die in Auger-Kaskaden entstehenden heißen Elektronen im Zusammenspiel mit Elektronenstreuung die Spin-up- und Spin-down-Elektronen in der Probe kurzzeitig durchmischen und die Magnetisierung vorübergehend verschwindet.
Das geschieht bereits, während der ultrakurze Röntgenblitz von nur 70 oder 120 Femtosekunden Dauer die Probe durchdringt, so dass die späteren Anteile des Pulses mit einer bereits „ausgeblichenen” Probe wechselwirken. Das ist in Übereinstimmung damit, dass die Reduktion der Streuung geringer wird, wenn ein kürzerer Puls mit der gleichen Anzahl Röntgenphotonen auf die Probe trifft. Im Falle stimulierter Emission ist das genau gegenteilige Verhalten zu erwarten.
Neben dem Interesse am zugrundeliegenden Mechanismus spielen die Ergebnisse eine wichtige Rolle für zukünftige Experimente an magnetischen Materialien mit Röntgenlasern. Eine vergleichbare Situation ist für Experimente zur Strukturaufklärung von Proteinen bekannt, bei denen intensive Röntgenpulse die Moleküle während der Pulsdauer zerstören können. Mit der nun genau vermessenen Fluenzabhängigkeit der resonanten magnetischen Streuung haben die Wissenschaftler jetzt eine Richtschnur für die Planung zukünftiger Experimente.
FV Berlin / RK
Weitere Infos
- Originalveröffentlichung
M. Schneider et al.: Ultrafast demagnetization dominates fluence dependence of magnetic scattering at Co M edges, Phys. Rev. Lett. 125, 127201 (2020); DOI: 10.1103/PhysRevLett.125.127201 - Nanoscale imaging and spectroscopy with soft X-rays, Max-Born-Institut für nichtlineare Optik und Kurzzeitspektroskopie, Berlin