Schwangerschaft und Tequila
Biomechanik und Materialforschung einmal anders – die Ig Nobel-Preise 2009 für Physik und Chemie.
Biomechanik und Materialforschung einmal anders – die Ig Nobel-Preise 2009 für Physik und Chemie.
Die Ig Nobel-Preise würdigen zum 19. Mal Forschungen, die erst „zum Lachen und dann zum Nachdenken anregen“. Den Preis für Physik erhielten keine Physiker, sondern Anthropologen. Katherine Whitcome, Liza Shapiro und Daniel Liebermann, alle drei aus den USA, befassten sich grob ausgedrückt mit der Frage, warum schwangere Frauen nicht nach vorne umfallen. Dafür untersuchten sie anhand von dreidimensionaler Bewegungsanalyse bei 19 Schwangeren zwischen 20 und 40 Jahren, wie sich der Schwerpunkt der Frauen durch die Wirbelsäulenkrümmung während der Schwangerschaft verlagert.
Abb.: Der Ig Nobel-Preis für Physik ging an die Anthropologen Katherine Whitcome (rechts), Liza Shapiro und Daniel Liebermann (links), die herausfanden, warum schwangere Frauen nicht nach vorne umfallen.
(Bild: Alexey Eliseev/AIR)
Neben der Biomechanik interessierte sich das Forscherteam aber vor allem dafür, wie sich der geschlechtliche Unterschied bei der Wirbelsäule im Laufe der menschlichen Evolution ausgebildet hat. Dafür untersuchten sie Überreste des Australopithecus, eines Vorfahren des modernen Menschen, der vor rund zwei Millionen Jahren in Afrika lebte und bereits zeitweise auf zwei Beinen ging. Bereits hier zeigten sich die anatomischen Unterschiede zwischen männlicher und weiblicher Wirbelsäule.
Abb.: Diamanten-Filme mit Hilfe von Tequila wachsen lassen: Die Ig Nobel-Preisträger der Chemie Javier Morales (mit Hut), Luis Miguel Apátiga Castro et al. stoßen an (Bild: Alexey Eliseev/AIR)
Im Bereich Chemie wurden in diesem Jahr drei mexikanische Materialforscher ausgezeichnet. Miguel Apatagia und seinen Kollegen gelang es, Diamanten-Filme mit Hilfe von Tequila wachsen zu lassen. Was wie ein Einfall nach einer durchzechten Nacht klingt, hat einen handfesten Grund. Die Mexikaner nutzten die so genannte Pulse Liquid Injection Chemical Vapor Deposition (PLICVD). Mit dieser Methode lassen sich über zahlreiche Reaktionsschritte dünne Diamantschichten aus einer Mischung von Azeton und Wasser herstellen. Dabei stellte sich heraus, dass sich es entscheidend vom Verhältnis von Kohlenstoff, Sauerstoff und Wasser abhängt, ob sich eher eine Diamant- als eine Grafitbindung ausbildet. Die Versuche von Apatagia und seinen Kollegen zeigte, dass bestimmte Arten von Tequila genau das richtige C-O-H-Verhältnis besitzen, um besonders gute Diamantschichten wachsen zu lassen.
Abb.: Wolfgang Ketterle (Physik 2001, links), Orhan Pamuk (Literatur 2006) und Paul Krugman (Wirtschaft, 2008, rechts) demonstrieren die Entwicklung der Gewinnerin des Ig Nobel-Preises für Öffentliche Gesundheit, Elena Bodnar: ein BH, der sich als Atemschutzmaske für zwei Personen umwandeln lässt.
. (Bild: Alexey Eliseev/AIR)
Das Rahmenprogramm der Ig Nobel-Preiszeremonie in Harvard stand diesmal – angeregt durch die weltweite Wirtschaftskrise – unter dem Motto „Risiko“. Den Hauptvortrag zum Thema hielt der bekannte Mathematiker Benoit Mandelbrot. Dabei war Kürze geboten, denn die Ig Noble-Organisatoren sehen dafür nur 60 Sekunden vor. Die „The Big Bank Opera“ erklärte in vier kurzen Akten den rasanten Aufstieg und Fall großer Banken und Bänker. Nur bei der Ig Noble-Preisverleihung dürfte man übrigens richtige Nobelpreisträger wie Wolfgang Ketterle (Physik 2001) und Orhan Pamuk (Literatur 2006) mit Büstenhalter im Gesicht erleben. Der Grund dafür: Die Gewinnerin des Ig Nobel-Preises für Öffentliche Gesundheit, Elena Bodnar, wurde für den von ihr entwickelten BH geehrt, der sich als Atemschutzmaske für zwei Personen umwandeln lässt. Aus der Physik beteiligten sich auch Roy Glauber und Frank Wilzek, die Physik-Nobelpreisträger von 2005 bzw. 2004 an der launigen Zeremonie. Das zeigt, dass auch die spaßige Variante des Nobel-Preises in der Welt der Wissenschaft internationales Renommee genießt.
Alexander Pawlak
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KP