Schwarze Löcher im Detail
Röntgenbeobachtungen eines Schwarzen Lochs liefern starke Indizien dafür, dass Magnetfelder die Akkretion von Materie antreiben.
Schwarze Löcher im Detail
Röntgenbeobachtungen eines Schwarzen Lochs liefern starke Indizien dafür, dass Magnetfelder die Akkretion von Materie antreiben.
Der Einfall von Materie in Schwarze Löcher ist der effizienteste Mechanismus zur Erzeugung von Energie im Kosmos. Doch der Vorgang ist keineswegs einfach zu verstehen - irgendein Prozess muss den Drehimpuls der einfallenden Materie nach außen abführen, sonst würde sie ewig um das Schwarze Loch kreisen. Röntgenbeobachtungen eines Schwarzen Lochs durch ein internationales Forscherteam liefern nun starke Indizien dafür, dass Magnetfelder diese Aufgabe übernehmen. Das Team berichtet in der aktuellen Ausgabe von „Nature“ über die Beobachtungen und ihre Interpretation.
„Wir haben bei unserer Beobachtung des stellaren Schwarzen Lochs GRO J1655-40 einen Röntgenstrahlung absorbierenden Wind entdeckt, der durch einen magnetischen Prozess angetrieben werden muss“, schreiben Jon Miller von der University of Michigan und seine Kollegen aus den USA und den Niederlanden, „und dieser Prozess könnte auch die Akkretion von Materie antreiben.“
GRO J1655-40 besitzt die siebenfache Masse unserer Sonne und bildet mit einem normalen Stern ein enges Doppelsystem. Das Schwarze Loch entreißt dem Stern Materie aus dessen äußerer Atmosphäre, die sich in einer rotierenden Akkretionsscheibe um das Schwarze Loch ansammelt. Ohne eine Abführung von Drehimpuls nach außen könnte das Gas nicht in dieser Scheibe nach innen wandern und schließlich in das Schwarze Loch einfallen.
Abb.: Ein Schwarzes Loch entreißt einem normalen Stern Materie. Die Materie sammelt sich in einer Scheibe um das Schwarze Loch. Nur durch den Transport von Drehimpuls nach außen kann die Materie in dieser Scheibe nach innen gelangen und schließlich in das Schwarze Loch stürzen. (Quelle: NASA/GSFC)
Seit Jahrzehnten versuchen die Astronomen, den Transport von Drehimpuls durch hydrodynamische Prozesse zu erklären. Zwar lässt sich im Prinzip mit Hilfe von Turbulenzen in der Scheibe eine Akkretion von Materie erreichen - doch dabei bleibt unklar, welcher Prozess die Turbulenzen erzeugt.
Als Lösung bieten sich Magnetfelder an. Schon kleine Felder, so zeigt sich, können durch die so genannte Magneto-Rotationsinstabilität effektiv Drehimpuls nach außen transportieren und gleichzeitig Turbulenzen in der Scheibe antreiben. Dabei verbindet das Magnetfeld wie eine Art elastisches Band innere und äußere Bereiche der Scheibe miteinander. Weil der innere Bereich dadurch Energie verliert, fällt das Gas dort weiter nach innen und gewinnt Geschwindigkeit. Der äußere Bereich dagegen gewinnt auf diese Weise Energie und Drehimpuls.
Miller und seine Kollegen konnten im Röntgenspektrum von GRO J1655-40 zahlreiche Spektrallinien nachweisen, die zu kürzeren Wellenlängen hin verschoben sind. Das zeigt, dass sich das absorbierende Gas auf den Beobachter zu bewegt. Auf Basis geometrischer Argumente kommen die Forscher zu dem Schluss, dass es sich um einen unter flachem Winkel aus der Scheibe abströmenden Wind handelt.
Prinzipiell kann ein solcher Wind durch Aufheizung, Strahlungsdruck oder Magnetfelder verursacht werden. Doch GRO J1655-40 ist ein besonderes System, argumentieren Miller und Kollegen. Bei diesem System ist der Wind zu kalt, als das er durch seinen thermischen Druck angetrieben werden könnte. Und auch der Strahlungsdruck ist in diesem System zu schwach, um den Wind zu erklären. Somit bleibt - per Elimination der anderen Möglichkeiten - nur noch die Erklärung übrig, dass Magnetfelder den Wind antreiben.
Wenn aber Magnetfelder in der Scheibe vorhanden sind, die den beobachteten Wind antreiben, dann können sie auch für die Entstehung von Turbulenzen in der Scheibe und für die Akkretion von Materie auf das Schwarze Loch sorgen. Leider gibt es bislang kein konsistentes Modell, das sowohl die Akkretion als auch den Wind einer Akkretionsscheibe durch Magnetfelder erklärt. Aber die von Miller und seinem Team auf indirekte Weise gezogene Schlussfolgerung von dem beobachteten Wind auf den magnetischen Antrieb der Akkretion liefert den Astrophysikern vielleicht einen neuen Anreiz, verstärkt die Theorie solcher Modelle weiterzuentwickeln.
Rainer Kayser
Weitere Infos:
- Originalveröffentlichung:
Jon M. Miller et al., The magnetic nature of disk accretion onto black holes, Nature 441, 953 (2006).
http://dx.doi.org/10.1038/nature04912 - Chandra X-ray Observatory:
http://chandra.harvard.edu - University of Michigan:
http://www.umich.edu
Weitere Literatur:
- J. Frank, A. King & D. Raine, Accretion Power in Astrophysics, Cambridge University Press (2002).
- J.E. Everett, Radiative transfer and acceleration in magnetocentrifugal winds, Astrophys. J. 631, 689 (2005).
- A. Konigl, & J.F. Kartje, Disk-driven hydromagnetic winds as a key ingredient of active galactic nuclei unification scheme, Astrophys. J. 434, 446 (1994).
- D. Proga, Numerical simulations of mass outflows driven from accretion disks by radiation and magnetic forces, Astrophys. J. 585, 406 (2003).