Schwarze Löcher: kollidierende Teilchen extrahieren Energie
Bislang unterschätzter Penrose-Prozess könnte hochenergetische Teilchen und Strahlung produzieren.
Die Rotationsenergie eines schwarzen Lochs ist nicht innerhalb des Ereignishorizonts, sondern in der außerhalb davon liegenden Ergosphäre lokalisiert. In dieser Region reißt die Rotation des schwarzen Lochs die Raumzeit mit – und damit auch die darin enthaltenen Objekte. Dieser Lense-Thirring-Effekt ermöglicht es, wie Roger Penrose bereits kurz nach der mathematischen Beschreibung der Kerr-Metrik bemerkte, dem schwarzen Loch Rotationsenergie zu entziehen und nach außen abzuführen. Bewegt sich nämlich ein Teilchen mit ausreichend hoher Geschwindigkeit gegen die mitgezogene Raumzeit, so besitzt es für einen äußeren Beobachter eine negative Energie.
Abb.: Teilchen der dunklen Materie (graue und rosafarbene Spuren) in der Umgebung eines schwarzen Lochs können durch den Penrose-Prozess Energie aus der Rotation des schwarzen Lochs extrahieren. Die blau markierte Region ist die Ergosphäre, in der die Rotation des schwarzen Lochs die Raumzeit mitzieht. (Bild: NASA)
Fällt nun ein Teilchen von außen in die Ergosphäre hinein und spaltet sich dort auf, so kann das eine Spaltprodukt mit negativer Energie in das schwarze Loch hineinfallen, während das zweite Spaltprodukt mit positiver Energie nach außen entkommt – und zwar mit einer Energie, die größer ist als die ursprüngliche Energie des einfallenden Teilchen. Allerdings ist der maximale Energie-Überschuss bei diesem originalen Penrose-Prozess mit 20,7 Prozent nicht allzu spektakulär. Astrophysikalisch realistischer als der Zerfall eines einzelnen Teilchens ist ohnehin eine Variante des Penrose-Prozesses, bei dem zwei von außen einfallende Teilchen in der Ergosphäre kollidieren. Nach dem Zusammenstoß hat wiederum ein Teilchen eine negative, eines eine positive Energie. Zwar lässt sich in diesem Fall theoretisch eine unbegrenzte Energie im Schwerpunktsystem erzeugen. Doch die Sache hat einen Haken: Die höchste Energie ergibt sich bei einer Kollision nahe am Ereignishorizont, das entweichende Teilchen erleidet also eine starke gravitative Rotverschiebung. So lässt sich auf diese Weise maximal fünfzig Prozent mehr Energie extrahieren als dem schwarzen Loch zugeführt wurde.
Jeremy Schnittman vom Goddard Space Flight Center der NASA stieß nun im vergangenen Jahr auf eine merkwürdige Erscheinung. Der Forscher simulierte den Einfall von Partikeln der dunklen Materie in ein rotierendes schwarzes Loch – und erhielt Gammastrahlen, deren Energie bis zu 13-Mal größer war als die der einfallenden Partikel. Was war hier passiert? Eine genaue Analyse zeigte: Die hohe Energie ergibt sich, wenn eines der kollidierenden Teilchen eine Schleifenbahn um das schwarze Loch ausführt und sich beim Zusammenstoß bereits wieder auf dem Weg nach außen befindet.
Doch das ist noch nicht alles, wie jetzt Emanuele Berti von der University of Mississippi und seine Kollegen Richard Brito und Vitor Cardoso von der Universität Lissabon zeigen: Es lassen sich sogar beliebig hohe Energien extrahieren, wenn das vor dem Zusammenstoß nach außen laufende Teilchen ursprünglich nicht aus dem Unendlichen gekommen ist, sondern seinerseits das Produkt einer vorherigen Kollision innerhalb der Ergosphäre ist. Berücksichtigt man auch die in diese vorherige Kollision eingeflossene Energie, so erhält man wiederum wie bei Schnittman nur einen Energiegewinn von maximal fünfzig Prozent.
Doch Berti, Brito und Cardoso argumentieren, dass der Schnittman-Prozess eine ganze Kaskade effizienter Kollisionen auslösen kann, die ihrerseits dann die Energie entweichender Partikel in beliebige Höhen boosten können. Weitere Simulationen müssen nun zeigen, ob dieses Szenario realistisch ist, und wenn ja, wie häufig es auftreten könnte. Ist dieser Super-Penrose-Prozess in der Umgebung rotierender supermassereicher schwarzer Löcher ein generisches Phänomen, so könnte er energiereiche Gammastrahlung und auch hochenergetische Teilchen der kosmischen Strahlung produzieren. Weitere Forschungen müssten nun zeigen, ob sich noch höhere Energien durch die Einbeziehung von Magnetfeldern, sowie Kollisionen außerhalb der Äquatorebene erzielen lassen, so das Forscher-Trio.
Rainer Kayser
Weitere Infos
Weitere Beiträge
OD