01.07.2015

Schwarze Löcher: kollidierende Teilchen extrahieren Energie

Bislang unterschätzter Penrose-Prozess könnte hoch­ener­ge­tische Teil­chen und Strah­lung pro­du­zieren.

Die Rotationsenergie eines schwarzen Lochs ist nicht innerhalb des Ereignis­hori­zonts, sondern in der außerhalb davon liegenden Ergo­sphäre lokalisiert. In dieser Region reißt die Rotation des schwarzen Lochs die Raumzeit mit – und damit auch die darin enthal­tenen Objekte. Dieser Lense-Thirring-Effekt ermöglicht es, wie Roger Penrose bereits kurz nach der mathema­tischen Beschreibung der Kerr-Metrik bemerkte, dem schwarzen Loch Rotationsenergie zu entziehen und nach außen abzuführen. Bewegt sich nämlich ein Teil­chen mit ausreichend hoher Geschwindigkeit gegen die mitge­zogene Raumzeit, so besitzt es für einen äußeren Beobachter eine negative Energie.

Abb.: Teilchen der dunklen Materie (graue und rosa­farbene Spuren) in der Umgebung eines schwarzen Lochs können durch den Penrose-Prozess Energie aus der Rotation des schwarzen Lochs extrahieren. Die blau markierte Region ist die Ergo­sphäre, in der die Rotation des schwarzen Lochs die Raumzeit mitzieht. (Bild: NASA)

Fällt nun ein Teilchen von außen in die Ergosphäre hinein und spaltet sich dort auf, so kann das eine Spalt­produkt mit nega­tiver Energie in das schwarze Loch hineinfallen, während das zweite Spaltprodukt mit positiver Energie nach außen entkommt – und zwar mit einer Energie, die größer ist als die ursprüngliche Energie des einfallenden Teilchen. Allerdings ist der maximale Energie-Überschuss bei diesem originalen Penrose-Prozess mit 20,7 Prozent nicht allzu spektakulär. Astro­physi­kalisch realis­tischer als der Zerfall eines einzelnen Teil­chens ist ohnehin eine Variante des Penrose-Prozesses, bei dem zwei von außen einfallende Teilchen in der Ergosphäre kolli­dieren. Nach dem Zusam­men­stoß hat wiederum ein Teilchen eine negative, eines eine positive Energie. Zwar lässt sich in diesem Fall theoretisch eine unbegrenzte Energie im Schwer­punkt­system erzeugen. Doch die Sache hat einen Haken: Die höchste Energie ergibt sich bei einer Kollision nahe am Ereig­nis­hori­zont, das entwei­chende Teilchen erleidet also eine starke gravi­tative Rot­ver­schiebung. So lässt sich auf diese Weise maximal fünfzig Prozent mehr Energie extra­hieren als dem schwarzen Loch zugeführt wurde.

Jeremy Schnittman vom Goddard Space Flight Center der NASA stieß nun im vergangenen Jahr auf eine merk­würdige Erschei­nung. Der Forscher simulierte den Einfall von Parti­keln der dunklen Materie in ein rotie­rendes schwarzes Loch – und erhielt Gamma­strahlen, deren Energie bis zu 13-Mal größer war als die der einfallenden Partikel. Was war hier passiert? Eine genaue Analyse zeigte: Die hohe Energie ergibt sich, wenn eines der kolli­die­renden Teilchen eine Schleifen­bahn um das schwarze Loch ausführt und sich beim Zusammen­stoß bereits wieder auf dem Weg nach außen befindet.

Doch das ist noch nicht alles, wie jetzt Emanuele Berti von der University of Missis­sippi und seine Kollegen Richard Brito und Vitor Cardoso von der Univer­sität Lissabon zeigen: Es lassen sich sogar beliebig hohe Energien extra­hieren, wenn das vor dem Zusammen­stoß nach außen laufende Teilchen ursprünglich nicht aus dem Unend­lichen gekommen ist, sondern seinerseits das Produkt einer vorhe­rigen Kollision innerhalb der Ergosphäre ist. Berück­sichtigt man auch die in diese vorherige Kolli­sion einge­flos­sene Energie, so erhält man wiederum wie bei Schnittman nur einen Energiegewinn von maximal fünfzig Prozent.

Doch Berti, Brito und Cardoso argumentieren, dass der Schnittman-Prozess eine ganze Kaskade effi­zienter Kolli­sionen auslösen kann, die ihrerseits dann die Energie entwei­chender Partikel in beliebige Höhen boosten können. Weitere Simula­tionen müssen nun zeigen, ob dieses Szenario realis­tisch ist, und wenn ja, wie häufig es auftreten könnte. Ist dieser Super-Penrose-Prozess in der Umgebung rotierender super­masse­reicher schwarzer Löcher ein generisches Phänomen, so könnte er energie­reiche Gamma­strahlung und auch hoch­energe­tische Teilchen der kosmi­schen Strah­lung produzieren. Weitere Forschungen müssten nun zeigen, ob sich noch höhere Energien durch die Einbe­ziehung von Magnet­feldern, sowie Kolli­sionen außerhalb der Äquator­ebene erzielen lassen, so das Forscher-Trio.

Rainer Kayser

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