28.01.2010

Schwebender Magnet bringt Fusionsforschung voran

Das Levitated Dipole Experiment am MIT bildet die Plasmasphäre von Planeten nach und nutzt turbulente Strömungen.

Das Levitated Dipole Experiment am MIT bildet die Plasmasphäre von Planeten nach und nutzt turbulente Strömungen.

Die kontrollierte Kernfusion zur Energiegewinnung ist eine der größten wissenschaftlich-technischen Herausforderungen des 21. Jahrhunderts. Es bereitet nach wie vor enorme Schwierigkeiten, ein hinreichend dichtes, 10 Millionen Grad heißes Plasma lange genug zusammen zu halten, sodass es zur Kernverschmelzung kommen kann. Der Einschluss des Fusionsplasmas ist nur mit Magnetfeldern möglich, deren Feldlinien in sich geschlossen sind. Doch auch bei den am weitesten entwickelten Reaktormodellen, dem Tokamak und dem Stellarator, erzeugen Plasmaturbulenzen immer wieder Lecks im magnetischen Einschluss. Das Levitated Dipole Experiment (LDX) am MIT nutzt hingegen die Turbulenzen, um das Plasma noch fester einzuschließen und seine Dichte zu erhöhen.

Abb.: Geheimnisvolles Plasmaleuchten. Links wird der Dipoltorus noch von einer Stütze gehalten, rechts schwebt er frei. (Bild: A. C. Boxer et al., Nature Physics)

Die Idee, ein Fusionsplasma mit dem Feld eines magnetischen Dipols einzuschließen, geht auf den japanischen Plasmaphysiker Akira Hasegawa zurück. Wie das funktioniert, macht uns die Natur vor: Das Magnetfeld der Erde oder des Jupiters erzeugt eine plasmaerfüllte Magnetosphäre, die das Plasma nicht nur festhält sondern es sogar in der Nähe des jeweiligen Planeten konzentriert. Für die Verdichtung des Plasmas macht man Turbulenzen verantwortlich, die von den Schwankungen im Sonnenwind erzeugt werden. In einem Dipolfeld führen demnach die Plasmaturbulenzen nicht zu einer diffusiven Ausbreitung des Plasmas, die schließlich seinen Einschluss aufbrechen kann, sondern erstaunlicherweise zu einem besseren Einschluss.

Ein magnetisches Dipolfeld erzeugt man am einfachsten mit einem Kreisstrom. Die LDX-Forscher um Jay Kesner vom MIT und Michael Mauel an der Columbia Unversity ließen dazu einen elektrischen Strom von über 1 Million Ampere in einem 1,5 km langen supraleitenden Kabel aus Niob-Zinn fließen, das zu einem Ring von der Größe eines Lkw-Reifens aufgewickelt worden war. Der Kabelring befand sich zur Kühlung in einem mit flüssigem Helium gefüllten Stahltorus. Mit einer Füllung konnten die Forscher gut zwei Stunden lang Plasmaexperimente machen, bevor das Kabel zu warm wurde. Der Stahltorus mit dem Dipol war wiederum in einer ca. 5 m großen Stahlkammer untergebracht, in der sich auch das Plasma befand.

Um in der Stahlkammer eine planetare Magnetosphäre möglichst genau nachbilden zu können, durfte der etwa eine halbe Tonne schwere stählerne Dipoltorus keine tragenden Verbindungen mit der Kammerwand haben sondern musste in ihr frei schweben. Das erreichten die Forscher durch eine magnetische Aufhängung, die elektronisch geregelt wurde, wobei sie Position des Torus mit Hilfe von mehreren Lasern kontrollierten. Falls doch etwas schief ging und der Torus abstürzte, sorgte eine Auffangvorrichtung für eine sanfte Landung. Der Strom im supraleitenden Kabelring wurde induktiv erzeugt, bevor der Dipoltorus in seine schwebende Endposition gebracht wurde. Dann konnte das Experiment beginnen.

Die Forscher ließen Deuteriumgas in die Stahlkammer einströmen und erzeugten das Plasma, indem sie das Gas mit 15 kW starken Mikrowellen bestrahlten. Was dann in der Kammer vorging, beobachteten sie mit einer Kamera und mit verschiedenen Sonden. Die Verteilung des Plasmas in der Kammer und seine Dichte bestimmten sie, indem sie Absorption von Mikrowellenstrahlen maßen. Dabei zeigte es sich, dass die Schwankungen der elektrischen und magnetischen Felder in der Kammer nicht etwa dazu führten, dass sich das Plasma gleichmäßig in der Kammer verteilte. Vielmehr konzentrierte es sich in der Nähe des Dipoltorus, wobei es aber einen sicheren Abstand von ihm hielt. Die Turbulenz im Plasma, die durch die Feldschwankungen verursacht worden war, hatte also zu einer Einschnürung oder einem „Turbulent Pinch“ geführt, der die Plasmadichte auf das Zehnfache ansteigen ließ. Das Plasma im LDX verhielt sich damit ganz ähnlich wie die Plasmen in den Magnetosphären der Planeten. Es besteht also Hoffnung, mit Hilfe der Plasmaturbulenz, die sich bisher bei Fusionsexperimenten nur störend bemerkbar gemacht hat, den Einschluss des Plasmas zu verbessern und die für die Kernfusion nötigen Dichten schneller erreichen zu können.

RAINER SCHARF

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