25.04.2014

Schwimmstil bestimmt kollektive Bewegung

Gemeinsame Fortbewegung von Mikroschwimmern im Computer entschlüsselt.

Vögel und Fische bewegen sich in Schwärmen, Menschen zuweilen in Strömen, und auch Mikroorganismen wie Bakterien oder Algen bilden in wässriger Lösung charakteristische Bewegungsmuster aus. Nach welchen Regeln die Bewegung in solchen Formationen erfolgt, kann die Wissenschaft jedoch noch immer nicht vollständig beschreiben. Holger Stark, Leiter der Arbeitsgruppe Statistische Physik weicher Materie und biologischer Systeme an der TU Berlin, und seinem Mitarbeiter Andreas Zöttl ist es nun gelungen herauszufinden, dass die Art und Weise der Schwimmbewegung und somit der Schwimmtyp des einzelnen Mikroorganismus die kollektive Bewegung bestimmen.

Abb.: Holger Stark (l.) und Dr. Andreas Zöttl ist es gelungen zu erklären, dass die Art und Weise, wie sich der einzelne Mikroorganismus durch eine Flüssigkeit bewegt, die kollektive Bewegung bestimmt. Neutrale Mikroschwimmer zum Beispiel separieren sich ab einer genügend großen Dichte in einen „aktiven Kristall“ mit hexagonaler Struktur und in eine Gasphase. (Bild: TU Berlin / PR / U. Dahl)

Bakterien sind sogenannte Schubschwimmer. „Mit Hilfe rotierender Geißeln, sogenannten Flagellen, die sich an der Rückseite des Zellkörpers befinden, bewegen sie sich vorwärts. Ähnlich einem Korkenzieher drücken sie sich mit den Geißeln durch die Flüssigkeit“, erläutert Stark. Bei der Chlamydomonas-Alge dagegen befinden sich die Flagellen an der Vorderseite des Zellkörpers. Die Flagellen vollführen eine dem Brustschwimmer ähnliche Bewegung, sodass sich die Alge durch die Flüssigkeit zieht. Andere Mikroorganismen wiederum wie zum Beispiel Pantoffeltierchen, deren Zellkörper flächendeckend mit tausenden von feinen Härchen bedeckt sind, bewegen sich durch das synchrone Schlagmuster der Härchen. Diese Mikroorganismen werden deshalb auch „neutrale Schwimmer“ genannt.

„Um den Einfluss der Schwimmweise des einzelnen Mikroorganismus auf die kollektive Bewegung besser zu verstehen, verwendet man in der aktuellen Forschung künstliche Mikroschwimmer, wie zum Beispiel kugelförmige aktive Teilchen, die diese Bewegungen kopieren“, sagt Stark. Er und Andreas Zöttl haben das Verhalten solcher kugelförmiger Modellschwimmer untersucht. Dafür haben sie die Mikroschwimmer per Computersimulation zwischen zwei Platten „eingesperrt“.

Die Wissenschaftler konnten so zeigen, dass die Art und Weise, wie sich die Mikroschwimmer durch eine Flüssigkeit bewegen und die dadurch erzeugten verschiedenen Strömungsfelder sich unterschiedlich auf das kollektive Verhalten der Mikroschwimmer auswirken. „Die Ursache dafür ist sowohl in den unterschiedlichen hydrodynamischen Wechselwirkungen zwischen den Schwimmern, als auch zwischen den Schwimmern und den begrenzenden Wänden der Platten begründet“, sagt Andreas Zöttl.

Neutrale Schwimmer lassen sich ab einer bestimmten Dichte in zwei unterschiedliche Phasen unterscheiden – in eine „Gasphase“ und eine „feste Phase“. Dort häufen sich die Schwimmer zu hexagonalen Strukturen an und formen einen „aktiven Kristall“. Schubschwimmer wiederum bilden diese Anhäufungen nicht. Sie verhalten sich ähnlich wie passive Teilchen ohne anziehende Kräfte und verbleiben bis zu hohen Dichten in der Gasphase. Zugschwimmer können zwar kurzzeitig kleine hexagonale Strukturen bilden, aber zu langlebigen kollektiven Anhäufungen kommt es auch bei ihnen nicht.

Die kollektive Bewegung von Mikroschwimmern hängt also davon ab, auf welche Weise sich der einzelne Mikroschwimmer bewegt und welches Strömungsfeld er dadurch erzeugt. In der Medizin spielt die kollektive Bewegung von Bakterien bei der Ausbildung von Biofilmen eine wichtige Rolle. Diese treten zum Beispiel als Zahnbelag in Erscheinung oder machen Katheter unbrauchbar.

TUB / PH

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