Schwingende Lichtmoleküle
Nanoerdbeben auf einem Chip ebenen den Weg zu optischen Quantencomputern.
Wissenschaftlern des Instituts für Physik der Uni Augsburg und des Walter-Schottky-Instituts der TU München ist es gelungen, mit nanomechanischen Schallwellen ein „Lichtmolekül“ zu kontrollieren, das von zwei benachbarten nanophotonischen Resonatoren gebildet wird. Für ihre Experimente nutzten Hubert Krenner, Leiter des NIM-Forscherteam am Lehrstuhl für Experimentalphysik I, und sein Doktorand Stephan Kapfinger in ihrem Augsburger Labor Halbleitermembranen in Nanometerstärke, in die sie unter Reinraumbedingungen eine große Zahl periodisch angeordneter winzigster Löcher bohrten. Durch einen minimalen Defekt in der Regelmäßigkeit der Bohrungen entsteht ein Nanoresonator. Dieser Resonator kann einen photonischen Kristall einfangen – Licht mit exakt definierter Energie. Gemeinsam mit der Forschergruppe um Michael Kaniber und Jonathan Finley an der TUM entwarfen und bauten Kapfinger und Krenner ein photonisches Molekül in Form zweier solch aneinandergrenzenden Nanoresonatoren, in denen Photonen hin- und herschwingen können.
Abb.: Auf dieser elektromikroskopischen Darstellung eines Lichtmoleküls bilden die beiden Reihen der jeweils drei fehlenden Löcher einen photonischen Nanoresonator. Wenn man mit einem Nanobeben nun die Verbindung zwischen den Photonen über die Resonatoren hinweg kurzschließt, dann springen die einzelnen Photonen – wie von den roten Pfeilen angedeutet – hin und her (Bild: H. Krenner)
„In unserem Lichtmolekül verhalten sich die Photonen exakt so wie sich die Elektronen verhalten, die in einem Wasserstoffmolekül eine chemische Verbindung verursachen. Während die beiden Wasserstoffatome, die ein H2-Molekül bilden, von Natur aus absolut identisch sind, sind dies die von uns konstruierten – künstlichen – nanophotonischen „Atome“ in aller Regel nicht. Und diese winzigen, im Nanobereich liegenden Abweichungen künstlich erzeugter photonischer „Atome“ sind der Realisierung photonischer Bauelemente oder gar photonischer Schaltkreise im Wege gestanden“, erläutert Kapfinger.
Die Augsburger Nanowissenschaftler haben dieses Problem nun mit einem Trick gelöst: Mit einem „Nanoerdbeben“ auf einen Chip erzeugten sie eine extrem kleine Schallwelle. Mit dieser lässt sich der ein Nanoresonator des photonischen Moleküls komprimieren, während sich der andere entsprechend dehnen lässt. „Auf diese Weise“, erklärt Krenner, „können wir die herstellungsbedingten Minimalabweichungen zwischen beiden ausgleichen und für einen kurzen Moment absolute Identität, wie sie bei den beiden Atomen des Wasserstoffmoleküls gegeben ist, herstellen, wobei dieser Moment auf dem Wellenzyklus sich exakt definieren lässt und dadurch die absolute Kontrolle über die Verbindung beider Resonatoren ermöglicht.“
„Es war faszinierend zu sehen“, berichtet Kapfinger, „dass die beiden Resonatoren nicht, wie man eigentlich annehmen würde, dasselbe Licht abstrahlen, sondern dass die Farben sich gegenseitig gewissermaßen abstoßen. Der Unterschied zwischen ihnen spiegelt die Intensität der „Bindung“ des photonischen Moleküls wider. Schon viele Forscher haben an der Messung dieser Effekte hart, aber mit bislang wenig Erfolg gearbeitet.“
Krenner ergänzt: „Mit unserem Experiment konnten wir nicht nur zeigen, wie man ein Lichtmolekül mit bislang nicht gekannter Geschwindigkeit messen und kontrollieren kann. Wir konnten darüber hinaus auch zeigen, wie wir nanomechanische Wellen effizient in optische Signale konvertieren können. Das ist quantenmechanische Kontrolle im wahrsten Sinne des Wortes.“
Die Pionierarbeit und langjährige Erfahrung von Achim Wixforth und seines Augsburger Lehrstuhls auf dem Gebiet Akustischer Oberflächenwellen, auch SAW gennant von Surface Acoustic Waves, führt bereits seit vielen Jahren immer wieder zu wegweisenden Ergebnissen und Anwendungen, die sich auf das ganze Spektrum der Nanowissenschaft erstrecken. „SAW – unsere ganz spezielle Methode, auf die wir hier in Augsburg besonders stolz sind – hat jetzt auch im Bereich der Nanophotonik ihr Potenzial mit einem spektakulären Ergebnis bewiesen“, freut sich der Augsburger Nanowissenschaftler und NIM Principal Investigator. Denn die photonischen Kristallstrukturen, die jetzt mit seinem SAW-Verfahren entwickelt und untersucht wurden, sind insoweit enorm relevant, als sie sich zu großdimensionierten, integrierten Lichtschaltkreisen erweitern lassen – und zwar auch in der Quantenwelt. Dies rechtfertigt die Erwartung eines möglichen Ausbaus des Systems bis hin zum optischen Quantencomputer. „Ihn“, so Wixforth, „hat unser Schütteln und Rütteln photonischer Kristalle durch exakt dimensionierte Nanobeben ein Stück näher gebracht.“
U. Augsburg / AI